Primetime Emmy Awards 2014:Verpasste Preise als Auszeichnung

Jon Hamm als Don Draper und Jessica Pare als Megan Draper in einer Szene von Mad Men

Die Zuschauer fühlen mit ihm, obwohl er ein Lügner und Betrüger ist. Don Draper (Jon Hamm) mit Megan Draper (Jessica Pare) in "Mad Men":

(Foto: REUTERS / AMC)

Zum siebten Mal in Folge ist Jon Hamm für einen Emmy nominiert - wahrscheinlich wird er die Auszeichnung als bester Hauptdarsteller in einer Drama-Serie zum siebten Mal in Folge nicht bekommen. Das ist nicht schlimm, im Gegenteil: Es spricht für die Qualität des derzeitigen Fernsehens.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Achtung, Spoiler: In diesem Text werden Details aus der siebten Staffel von "Mad Men" angesprochen sowie Handlungsstränge der Serien "True Detective", "Breaking Bad", "House of Cards" und "The Newsroom" thematisiert.

Es ist der Minimalismus iin der Mimik von Don Draper, der diese Szene so beeindruckend macht. Draper steht in der Werbeagentur und halluziniert, dass ihm der kürzlich verstorbene Bert Cooper in einer wunderbaren Musical-Nummer erklärt, dass die schönsten Dinge im Leben nichts kosten: die Sterne am Himmel, die Blumen im Frühling - und natürlich die Liebe.

Drapers Mundwinkel bewegen sich leicht, seine Augen werden feucht. Ansonsten bleibt sein Gesicht starr. So endet der erste Teil der letzten Staffel der Fernsehserie "Mad Men".

Mit diesem reduzierten Ansatz sorgt der Schauspieler Jon Hamm dafür, dass die Zuschauer seit sieben Spielzeiten mit der von ihm verkörperten Figur mitfühlen, obwohl Draper ein Lügner und Betrüger ist und in seinem Leben schlimme Dinge angestellt hat. Er benutzt keine dramatischen Gesten oder Gesichtsverrenkungen, zahlreiche Momente entfalten nur deshalb ihre gewaltige Wirkung, weil Hamm nur eine Augenbraue hebt, die Augen ein wenig weiter öffnet - oder eben gar nichts tut. Seine Kunst der Schauspielerei liegt darin, alles Übertriebene wegzulassen.

Es ist dennoch möglich, dass Hamm bei der Emmy-Verleihung am Montagabend erneut nicht als bester Hauptdarsteller einer Drama-Serie ausgezeichnet wird. Er ist zum siebten Mal in Folge nominiert - und könnte zum siebten Mal in Folge zu denen gehören, die nach dem Öffnen des Umschlages nicht nach vorne marschieren und eine Rede halten, sondern artig applaudieren und hinterher verkünden, wie sehr sie sich für den Gewinner freuen würden und dass es eine Ehre sei, überhaupt nominiert gewesen zu sein.

Als Favorit gilt Bryan Cranston

So geheuchelt diese Aussagen bisweilen klingen mögen, so wahr sind sie doch mittlerweile vor allem im Bereich der Drama-Serien: Es ist angesichts der außerordentlichen Qualität tatsächlich eine Ehre, überhaupt zum Kreis der Nominierten zu gehören. James Spader ("The Blacklist"), Damian Lewis ("Homeland"), Michael Sheen ("Masters of Sex"), Matthew Rhys ("The Americans") wurden allesamt übergangen, Charlie Hunnam ("Sons of Anarchy") stand in sechs Jahren kein einziges Mal auf der Liste der möglichen Gewinner.

Als Favorit gilt in diesem Jahr Bryan Cranston für sein Porträt des Chemielehrers und Drogenbarons Walter White in "Breaking Bad". Die letzte Folge wurde im vergangenen Jahr ganz bewusst eine Woche nach der Emmy-Verleihung ausgestrahlt, so dass Cranston nun erneut nominiert werden konnte.

Es heißt, dass gerade die letzten beiden Episoden der Serie dafür sorgen könnten, das Cranston zum vierten Mal nach 2008, 2009 und 2010 zum besten Hauptdarsteller gekürt wird.

Qualitäten beim Weinen

Rustin Cohle (Matthew McConaughey, links) und Martin Hart (Woody Harrelson) in "True Detective".

In der US-Fernsehserie "True Detective" sind Rustin Cohle (Matthew McConaughey, links) und Martin Hart (Woody Harrelson) Kollegen. Doch bei den Primetime Emmy Awards sind die Schauspieler Konkurrenten.

(Foto: Michele K. Short/AP)

Gute Chancen werden auch Matthew McConaughey eingeräumt, der für seine herausragende Darstellung des philosophischen Polizisten Rust Cohle in "True Detective" nominiert ist. Ein wenig verwunderlich ist lediglich, dass die Produzenten die Folge "Form and Void" eingereicht haben: Zwar darf McConaughey darin seine Qualitäten beim Weinen (bei Award-Abstimmungen nicht zu unterschätzen) beweisen, doch gibt es in dieser Episode keinen Flashback ins Jahr 1995 und damit keine Darstellung von Cohles Verwandlung.

Noch kniffliger scheint die Wahl der besten Hauptdarstellerin in einer Drama-Serie zu sein: Lizzy Caplan für ihr charismatisches Porträt der Sexualforscherin Virginia Johnson in "Masters of Sex"? Robin Wright als Politiker-Ehefrau in "House of Cards"? Oder doch wie in den beiden vergangenen Jahren Claire Danes als CIA-Mitarbeiterin in "Homeland"? Und natürlich gibt es noch Julianna Margulies ("The Good Wife" - Siegerin im Jahr 2011), Michelle Dockery ("Downton Abbey") und Kerry Washington ("Scandal").

Auch in diesem Fall lohnt es, auf die Nicht-Nominierten hinzuweisen - vor allem auf Elisabeth Moss. Sie galt vor der Veröffentlichung der Kandidaten als Favoritin, zumal Moss bereits vier Mal nominiert war (kein Sieg) und ihrer Figur Peggy Olson zuletzt mehr Raum in "Mad Men" eingeräumt wurde. Auch diese Nicht-Berücksichtigung ist weniger ein Urteil über Moss' Darstellerkunst, sondern vielmehr ein Beleg für die zahlreichen charismatischen Rollen, die Frauen im Fernsehen derzeit spielen.

Ansonsten dürfte sich ein Trend aus dem vergangenen Jahr fortsetzen, als David Fincher für "House of Cards" als bester Regisseur gewann und damit zum ersten Mal die Serie eines Streamingportals ausgezeichnet wurde. "House of Cards" ist in diesem Jahr in 13 Kategorien nominiert, darunter als bestes Drama, bester Hauptdarsteller (Kevin Spacey), beste Hauptdarstellerin (Robin Wright) und beste Regie (Carl Franklin).

Paradigmenwechsel in der amerikanischen Late Night

Auch im komödiantischen Bereich ist das Portal Netflix vertreten, "Orange Is the New Black" gilt neben "Modern Family" als Favorit auf den Titel als beste Comedy-Serie. Insgesamt ist die Serie acht Mal nominiert, darunter Taylor Schilling als beste Hauptdarstellerin, Kate Mulgrew als beste Nebendarstellerin und Jodie Foster in der Kategorie "Regie".

Darüber hinaus gilt als sicher, dass Jon Stewart - dessen "The Daily Show" von 2003 bis 2012 zehnmal hintereinander als beste Varieté-Sendung ausgezeichnet worden war, auch in diesem Jahr nicht gewinnen wird. Als aussichtsreichste Kandidaten gelten Jimmy Fallon, der mit seiner "Tonight Show" für einen Paradigmenwechsel in der amerikanischen Late Night gesorgt hat - und Stephen Colbert, der seine Rolle als selbstgefälliger Moderator in "The Colbert Report" aufgeben und David Letterman nachfolgen wird.

Auch wenn es für Jon Hamm in diesem Jahr wieder nicht reichen sollte - eine Chance bekommt er wohl noch. Die letzte Spielzeit von "Mad Men", die im Frühling kommenden Jahres ausgestrahlt werden wird, trägt den unbescheidenen Titel "The End of an Era" - das Ende einer Ära. Jon Hamm dürfte 2015 dafür zum achten Mal als bester Hauptdarsteller in einem Drama für den Emmy nominiert werden. Das haben vor ihm nur Raymond Burr ("Perry Mason" und "Ironside"), Peter Falk ("Columbo") und Dennis Franz ("NYPD Blue") geschafft. Die haben jedoch jeweils mindestens zwei Mal gewonnen. Es wäre verwunderlich, sollte Hamm nicht wenigstens ein Mal ausgezeichnet werden - wahrscheinlich aber erst im kommenden Jahr.

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