Pressesprecher:Fünf Typen des Pressesprechers

Eine Armbanduhr für 500 000 Dollar, ein Pionier des Postfaktischen und ein Pakt mit dem Cavaliere - eine internationale Sammlung.

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Der Komiker

MOHAMMED SAEED AL-SAHHF

Quelle: AP Photo/SKY

Das Schicksal von Pionieren ist es oft, nur noch als Fußnote aufzutauchen, während Nachahmer den Ruhm abräumen. So geht es auch dem fast vergessenen Said al-Sahhaf, der für heutige Sprecher in mehreren Bereichen stilbildend war: Als Informationsminister des Irak und Sprecher Saddam Husseins war er ein früher Vertreter des Postfaktischen, ein Virtuose der alternativen Fakten: Während des Irakkrieges 2003 sprach er live in die Kameras, dass die Invasoren vernichtend geschlagen wurden, als im Bildhintergrund schon US-Panzer durch Bagdad fuhren. Zu einer Zeit, als Sean Spicer das Wort Meme noch googeln musste, wurde al-Sahhaf im Netz als "Comical Ali" zum Star. Seine nun wieder populäre Idee, Pressearbeit als Unterhaltungsshow zu konzipieren, begeisterte selbst George W. Bush, der angeblich keine Rede al-Sahhafs verpasste.

Moritz Baumstieger

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Der Treue

MOSCOW RUSSIA – JUNE 15 2017 Russia s Presidential Spokesman Dmitry Peskov looks on as Russia s P

Quelle: imago/ITAR-TASS

Schon bei seiner zweiten Erwähnung in der SZ schimpfte er auf die USA. Das war 2006. Das Thema ist an Dmitrij Peskow hängen geblieben, so wie er an Wladimir Putin. Peskow ist kein Zehn-Tage-Scaramucci, seit 2000 gehört er zu Putins Pressestab. Er war sein Sprecher, als der Russlands Premier war, er blieb es, als Putin in den Kreml zurückkehrte. Peskow war anfangs ein neuer Typus: jung, zugänglich, oberer Hemdknopf offen, sehr fließendes Englisch. In der Sache: loyal, wenn gewünscht: knallhart. Nach Protesten sagte er einmal, für einen verletzten Beamten müsste man die Leber der Demonstranten auf den Asphalt schmieren. Auch in eigener Sache musste er schon mal sprechen, erklären, warum ein Pressesprecher eine Uhr im Wert von mehr als 500 000 Dollar trug. Geschadet hat ihm all dies nicht. Im März wird gewählt, Peskow kann wohl weitere sechs Jahre im Namen Putins sprechen.

Frank Nienhuysen

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Der Stimmträger

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Quelle: Andreas Solaro/AP

"Portavoce" heißt auf Italienisch der Sprecher einer Regierung oder eines Politikers - "Stimmträger". Prototyp dieser Profession war Paolo Bonaiuti, einst ein seriöser Journalist der Zeitung Messaggero. 1994, als Silvio Berlusconi in die Politik eintrat, schrieb er scharf gegen ihn. Doch zwei Jahre später schloss Bonaiuti einen Pakt mit dem Cavaliere. Von da an begleitete er ihn wie ein Schatten, als Sprecher in drei Regierungen. Wenn Berlusconi sich vergaloppierte, wenn er Journalisten des Staatsfernsehens feuerte, Martin Schulz (SPD) als "Kapo" schmähte oder die "Bräune" Barack Obamas lobte, war Bonaiuti zur Stelle, um die Stimme seines Herrn - das schiefe Bild sei erlaubt - geradezubiegen. Bis 2014. Da fühlte sich der Schattenmann so in den Schatten gestellt, dass er mit Berlusconi brach. Jetzt heißt es, er kehre zu seinem Meister zurück.

Stefan Ulrich

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Der Verurteilte

The Jury Consider Their Verdicts In The Phone Hacking Trial

Quelle: Rob Stothard/Getty Images

Als Reporter der Zeitung The Sun stellte Andy Coulson dem damaligen Premierminister Tony Blair die eher unpolitische Frage, ob dieser schon einmal Sex in einem Flugzeug hatte. Während Coulson von 2003 bis 2007 Chefredakteur der News of the World war, hörten seine Mitarbeiter systematisch Anrufbeantworter von Prominenten ab. Als das herauskam, trat Coulson zurück, gab aber an, davon nichts gewusst zu haben. Diese Qualifikationen beeindruckten den Oppositionschef David Cameron so sehr, dass er Coulson anheuerte, und als Cameron 2010 Premierminister wurde, war Coulson Regierungssprecher. Bis Januar 2011. Dann kam heraus, dass Coulson sehr wohl wusste, was seine Mitarbeiter getrieben hatten. Cameron entschuldigte sich, und Coulson musste nach einem langen Verfahren 2014 für fünf Monate ins Gefängnis.

Christian Zaschke

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Der Vorsichtige

150108 BRUSSELS Jan 8 2015 European Commission Chief Spokesperson Margaritis Schinas spea

Quelle: imago/Xinhua

Die EU ist kein Staat. Gott sei Dank, sagen manche. Aber sie hat eine Art Regierung, die Kommission, und daher eine Art Regierungssprecher. Margaritis Schinas heißt der Mann, Grieche, früher EU-Abgeordneter für die konservative Neo Dimokratia, nun Sprachrohr von Präsident Jean-Claude Juncker. Täglich um zwölf Uhr tritt der 55-Jährige vor die Brüsseler Presse, ein Ritual. Und eigentlich ein Beispiel für Transparenz: Alles kommt auf den Tisch, schrägste Themen aus 28 Staaten, brutale Kritik, live im Fernsehen. Aber eigentlich auch nicht. Denn der Mann ist ein Meister des Mauerns. Bloß kein Wort zu viel, kein Satz, mit dem die Behörde anecken könnte. Die wichtigste Regel deshalb: Auf die Fragen hören, die sind lustiger! Zumal wenn sie von den britischen Kollegen gefragt werden. Damit ist ja leider bald Schluss.

Thomas Kirchner

© SZ.de/doer
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