Presseschau zum TV-Duell:"Hageres Sprachpüree"

Merkel And Schulz Face Off In TV Debate

Können sie sich voneinander abgrenzen? Merkel und Schulz im TV-Duell.

(Foto: Getty Images)

Schulz' verspielte Chancen, emotionslose Debatten, kläglich vorbereitete Moderatoren: Die Medien kritisieren das TV-Duell deutlich.

Das TV-Duell zwischen Angela Merkel und Martin Schulz hätte den bisher recht unaufgeregten Wahlkampf neu beleben können - verpasst diese Chance aber. Die Presse findet recht einstimmig: Beide Kandidaten waren gut vorbereitet, es gab jedoch weder ein Feuerwerk, noch wurde mit großen Emotionen gekämpft. Vielfach wird dafür das Format des Duells kritisiert, ebenso wie die Moderatoren - allen voran ein schlecht vorbereiteter Claus Strunz. Ein Thema dominierte das Gespräch zudem unverhältnismäßig.

So erklärt Stefan Kuzmany von Spiegel Online: "Aber immerhin: Keiner kann nach diesem TV-Duell noch behaupten, in Deutschland werde zu wenig über die Flüchtlingspolitik und Fragen der Integration von Muslimen geredet. Fast die gesamte erste Stunde dieser gut anderthalbstündigen Sendung ging es um kaum etwas anderes als diese Themen." Der Sat.1-Moderator Claus Strunz habe mit Ausrufen wie "Wann sind diese Leute endlich weg?" den Themenbereich "Flüchtlingspolitik" konstant als besonders klärungsbedürftig dargestellt. Das "sogenannte" Duell sei damit über weite Strecken zu einer Erklärungs- und Rechtfertigungspressekonferenz der Großen Koalition geworden. Alles andere habe dann aufgrund des Zeitmangels "nur noch wie nachgeschoben" gewirkt. So seien Stichworte wie "soziale Gerechtigkeit" erstmals um 21.13 Uhr gefallen - "und waren schnell abgehandelt."

Dabei, so Kuzmany, hätte es wichtige Fragen gegeben: "Welche Vorstellungen haben Merkel und Schulz von einer künftigen Bildungspolitik? Wie wollen sie die digitale Arbeitswelt gestalten? Wie sollen die steigenden Mieten in den Großstädten bezahlt, wie der Altersarmut vorgebeugt werden? Und hat Deutschland eigentlich ein Problem mit Rechtsradikalismus? Oder die Welt mit dem Klimawandel?" An diesem Sonntag habe man darüber nichts von den Kandidaten erfahren, denn: "Sie wurden schlicht nicht danach gefragt."

Kein Feuerwerk, keine Schlammschlacht

Die mediale Aufbereitung der Debatte kritisieren auch Hans Hütt, Frank Lübberding und Michael Hanfeld von faz.net. Man könne, so die Autoren, "die Abstinenz von vierzig Millionen Bürgerinnen und Bürgern als Misstrauensvotum gegen die politischen Debatten-Formate des Fernsehens interpretieren". Abgesehen davon sei das Duell eine "nahezu harmonische Angelegenheit" gewesen. Es habe weder ein Feuerwerk noch eine Schlammschlacht gegeben.

Ulf Poschardt von welt.de betitelt den Abend mit einem empörten Ausruf: "Was für ein rückwärtsgewandtes Therapiegespräch!" Er hält den Abend für eine vertane Chance, ein hageres Sprachpüree, pointenfrei und emotionslos. Zwar seien Schulz einige Treffer gelungen, doch die reichten nicht, "um die Kanzlerin ins Wanken zu bringen und schon gar nicht reichte es, um sich selbst als einen Politiker zu präsentieren, dem die noch unschlüssigen Wählen zutrauen, Deutschland als europäische Führungsmacht in schwierigen Zeiten zu führen."

Poschardt sieht Merkel und die CDU als Gewinner des Abends, ebenso wie die kleinen Parteien. Doch: "So richtig begeistern konnte keiner. Es war eine unsinnliche, uncharmante, unelegante Form der Vermittlung." Merkel könne jedoch für sich in Anspruch nehmen, dass sie lieber regiere als wahlkämpfe. "Schulz ist nur Wahlkämpfer. Deswegen ist es zu wenig, was er geboten hat."

"Die SPD weiß ja auch keine bessere Lösung"

Ulrich Schulte von taz.de erklärt, Schulz habe es nicht geschafft, die schimmernde Rüstung Merkels zu durchbrechen. "In den entscheidenden Momenten wirkte Merkel faktensicherer und routinierter, während man Schulz den Druck und die Anspannung manchmal deutlich anmerkte." Beim Thema Flüchtlingspolitik stecke Schulz zudem in einem Dilemma, das seine gesamte Herausfordererstrategie belaste: Er finde Merkels Entschluss, die Grenzen im Herbst 2015 geöffnet zu haben, im Kern richtig.

Schulte kritisiert die unausgewogenen Fragen der Moderatoren: "Das TV-Duell wirkt nun lange Minuten so, als hätten AfD-Politiker den Journalisten ein paar Fragen auf einem Zettel reingereicht." Ansonsten habe sich in dem Duell vor allem eines bemerkbar gemacht: "Die SPD weiß ja auch keine bessere Lösung. Beim Duell wird immer wieder deutlich, dass manchmal schlicht keine Differenz zwischen beiden existiert."

In der Neuen Zürcher Zeitung heißt es am Montag: "Merkel wirkte so sicher, so konzentriert und gleichzeitig über weite Strecken so gelöst, dass sie klare Aussagen zur Türkei, zur Rente und zur Automobilwirtschaft nicht scheute. Schulz war angriffig, aber er verlor sich schnell in Details und prallte immer wieder an Merkel ab. Die beiden wirkten über weite Strecken eher wie die Koalitionäre, die sie sind, denn wie erbitterte politische Gegner." Nur scheinbar kontroverser sei es geworden, als der Umgang mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan zum Thema wurde, obwohl Schulz versucht habe, Differenzen auf "oberlehrerhafte Weise" herauszuarbeiten: "Wenn er Kanzler würde, würde er den Beitrittsprozess mit der Europäischen Union abbrechen; die roten Linien seien überschritten. Merkel meinte dazu kühl, sie sei ohnehin noch nie für einen EU-Beitritt der Türkei gewesen, im Unterschied zur Sozialdemokratie."

Das Fernsehduell war langweilig? Gott sei Dank.

Burkhard Ewert von der Neuen Osnabrücker Zeitung findet, Merkel habe "unwirsch und ungewohnt dünnhäutig gewirkt". Locker sei sie erst im letzten Drittel gewesen. Die Unaufgeregtheit des Duells sei aber nicht zu beanstanden, so Ewert: "Jedem, der das Fernsehduell langweilig fand, dem sei (...) gesagt: Gott sei Dank. Zwei seriöse Kandidaten standen sich gegenüber. Ein sich aufblasender Milliardär oder ein hysterischer Rechtspopulist waren nicht vor den Kameras. Sie wurden nicht vermisst."

Dass das TV-Duell den Wahlkampf nicht entscheidend verändern konnte, findet Torsten Kleditzsch von der Freien Presse. "Vor allem in dem die Menschen derzeit besonders beunruhigendem Thema der Zuwanderung glich das Duell eher einem Kreuzverhör der Großen Koalition als einer Auseinandersetzung zweier Kanzlerkandidaten. Zu groß waren die Übereinstimmungen, als dass hier Profilierung möglich gewesen wäre." Das Duell habe das Grundproblem des Herausforderers widergespiegelt: "Es ist im Großen und Ganzen eher einer, der die heutige Bundeskanzlerin unterstützen möchte, als einer, der sie attackiert."

Martin Schulz verspielt seinen Hoffnungsschimmer

Die italienische Zeitung Corriere della Sera schreibt am Montag zum Duell: "Martin Schulz hat das verloren, was vermutliche seine letzte Chance war: Angela Merkel bei den Bundestagswahlen zu schlagen. Er hat den K.O.-Schlag nicht gefunden. Im TV-Duell hat der Sozialdemokrat versucht, die Kanzlerin anzugreifen: Vor allem beim Thema Einwanderung, dann bei den Themen soziale Ungleichheit, Autoskandale und Außenpolitik, in der Merkel zu weich gegenüber Trump und Erdogan sei." Aber die Kanzlerin sei nie in Schwierigkeiten gekommen, und: "Die Diskussion hat keine wirklichen Zusammenstöße gezeigt, die die Richtung des - langweiligen - Wahlkampfs ändern könnten."

Von einem letzten Hoffnungsschimmer für Schulz schreibt die belgische Zeitung De Standaard am Montag: "Die Chance auf einen Meinungsumschwung war nicht völlig von der Hand zu weisen, denn Schulz wurde allgemein als ein besserer Debattierer angesehen als die unerschütterliche, vorhersagbare und gemäßigte Merkel. (...) Erwartungsgemäß wirkte Schulz denn auch aggressiver." Doch zugleich habe Schulz in der Klemme gesessen: "Immerhin war die SPD in acht der zwölf Kanzlerjahre von Merkel an der Regierung beteiligt, von 2005 bis 2009 und von 2013 bis heute. Das machte es natürlich recht schwierig, ihre Politik anzugreifen. Schließlich hat die SPD sie ja mitgetragen. Und Merkel unterließ es nicht, immer wieder darauf hinzuweisen."

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