Presserat: Müntefering versus "Bunte":Öffentliches Interesse oder Intimsphäre?

Verfahren eingestellt: Im Streit zwischen Müntefering und der "Bunten" steht es Aussage gegen Aussage.

Hans Leyendecker

Der Beschwerdeausschuss des Deutschen Presserats, der so etwas wie das Selbstreinigungsbecken der Branche ist, hat in der Causa Müntefering gegen das People-Blatt Bunte zwei Verfahren eingestellt. Der frühere SPD-Bundesvorsitzende Franz Müntefering sowie ein weiterer Kläger hatten sich bei ihren Beschwerden auf Geschichten im Stern gestützt. Das Magazin hatte berichtet, die Bunte habe mit Hilfe der Berliner Fotoagentur CMK das Privatleben von Politikern ausspionieren lassen, um möglichen Liebschaften auf die Spur zu kommen. Auch Müntefering sei ausgekundschaftet worden.

Der Presserat teilte am Donnerstag mit, der Sachverhalt habe sich "trotz umfänglicher Prüfung nicht aufklären lassen". Es steht "Aussage gegen Aussage", erklärte dessen Geschäftsführer Lutz Tillmanns.

Die Bunte hatte zwar eingeräumt, Bilder bei der Agentur in Auftrag gegeben zu haben. Aber von angeblich fragwürdigen Arbeitsmethoden habe das Blatt nichts gewusst. Ausschließlich die Erstellung zulässiger Fotos sei in Auftrag gegeben worden. Die Bunte arbeitet seit etlichen Jahren mit der Agentur zusammen. Auch der Lenker von CMK, Max Christian Kießling, nahm gegenüber dem Beschwerdeausschuss Stellung und beteuerte, korrekt gehandelt zu haben. Als sich Unregelmäßigkeiten gezeigt hätten, habe sich die Agentur sofort von zwei freien Mitarbeitern getrennt.

Der Stern blieb gegenüber dem Presserat bei seinen Behauptungen. Zwei ehemalige Mitarbeiter der Firma hatten im Stern erklärt, dass CMK die Politiker Oskar Lafontaine, Franz Müntefering und Horst Seehofer regelrecht beschattet hätte. So sei sogar geplant gewesen, Bewegungsmelder unter Münteferings Fußmatte zu installieren und in der Nähe von Lafontaines Berliner Wohnung eine Überwachungskamera auf einem Hausboot anzubringen, um von dort die Räume filmen zu können.

"gesellschaftlicher Diskussionsstoff"

Der Stern berief sich bei seiner Stellungnahme auch auf den Quellenschutz, der es nicht erlaube, die Vorwürfe en détail zu erläutern. Folglich "konnte der Ausschuss der Bunten keinen konkreten Verstoß gegen den Pressekodex vorwerfen", erklärte der Presserat.

Gleichwohl nahm der Beschwerdeausschuss die Gelegenheit wahr, "unabhängig von den konkreten Vorgängen auf den Grundsatz fairer Recherche hinzuweisen". So dürften nach Ziffer 4 des Pressekodex bei der Beschaffung von personenbezogenen Daten und Bildern "keine unlauteren Methoden" angewendet werden. Der Presserat halte "ein dauerhaftes Verfolgen von Menschen, verdeckte Ermittlungen sowie den Einsatz nachrichtendienstlicher Praktiken" für unlauter. Verdeckte Recherche sei nur dann "im Einzelfall gerechtfertigt", "wenn damit Informationen von besonderem öffentlichen Interesse beschafft" würden, die anders nicht zugänglich seien.

Ob es sich im Fall des Witwers Müntefering um ein solches besonderes öffentliches Interesse handelt, ist umstritten. Die Agentur CMK hatte sich bemüht, herauszufinden, ob er ein Verhältnis mit einer deutlich jüngeren Frau hatte. Er hatte, und er hat die Frau auch geheiratet.

Bunte-Chefredakteurin Patricia Riekel hatte in einem Brief an die Grünen-Chefin Renate Künast erklärt, es gehöre zu den Aufgaben der Presse festzustellen, ob Politiker, "das Vertrauen verdienen, um das sie uns alle bitten". Wenn ein Spitzenpolitiker, wie Müntefering, mit einer 40 Jahre jüngeren Frau zusammenlebe, dann liefere er auch "gesellschaftlichen Diskussionsstoff". Die Intimsphäre bleibe dabei "absolut geschützt".

Der Presserat nahm auch zum Outsourcen von Recherche Stellung und betonte, dass "Redaktionen, die Dritte mit Recherche-Aufgaben beauftragen, dabei grundsätzlich die Verantwortung für die Einhaltung des Pressekodex übernehmen".

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