Pressefreiheit in Rumänien:Warum eine Fußballzeitung politische Skandale aufdeckt

Proteste in Rumänien

Proteste in Rumänien Demonstranten stehen am 04.02.2017 in Bukarest (Rumänien) vor dem Parlamentspalast. In Rumänien demonstrieren Zehntausende Menschen landesweit den fünften Tag in Folge gegen die sozialliberale Regierung. Auslöser der Proteste ist eine Eilverordnung, die die Justiz bei der Verfolgung von Korruption einschränkt. Foto: Darko Bandic/AP/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++

(Foto: dpa)

Unter Rumäniens offenbar korrupter Regierung ist die Pressefreiheit eingeschränkt. Die "Gazeta Sporturilor" allerdings kann sich wegen ihrer vielen Fans investigative Recherchen leisten.

Von Florian Hassel

Der Mitarbeiter des Krankenhauses Malaxa in der rumänischen Hauptstadt Bukarest überlegte nicht lange, als er Informationen über unsaubere Geschäfte in der Klinik an einen Journalisten weitergeben wollte. Der Informant schrieb Catalin Tolontan, dem Chefredakteur der Fußballzeitung Gazeta Sporturilor. Das Ergebnis der folgenden Recherche: Florin Secureanu, Geschäftsführer des staatlichen Krankenhauses, hatte sich nach Kräften aus der Kasse bedient - so unverfroren, dass selbst Tolontan und seine beim Thema Korruption bereits abgehärteten Kollegen beeindruckt waren. Zum Beispiel schenkte der Geschäftsführer seiner Freundin Juwelen - und ließ die Rechnung vom Juweliergeschäft über "Desinfektion von medizinischen Instrumenten" ausstellen und vom Krankenhaus bezahlen.

Von Ende November 2016 an veröffentlichte die Gazeta Sporturilor ihre Rechercheergebnisse. "Wir hatten reichlich Material", sagt Tolontan, "in vier Tagen brachten wir 15 Artikel zu diesem Thema". Kurz darauf wurde Secureanu von der rumänischen Anti-Korruptionsbehörde DNA verhaftet - jetzt wartet der geständige Ex-Geschäftsführer auf seinen Prozess.

Dass sich ein Krankenhausmitarbeiter in Rumänien mit brisanten Informationen ausgerechnet an einen Fußballjournalisten wendet, liegt sowohl am Profil von Catalin Tolontan wie an Mängeln anderer Medien. Seine erste investigative Recherche veröffentlichte Tolontan, der seit 22 Jahren für die Fußballzeitung arbeitet, vor zwei Jahrzehnten: über Doping und Betrug bei Sportwetten. 2008 deckte Tolontan einen noch größeren Skandal über millionenschweren Betrug auf dem internationalen Fußballtransfermarkt auf. 2014 wurden acht Größen des rumänischen Fußballs zu Gefängnisstrafen verurteilt, auch Gica Popescu, Ex-Kapitän des FC Barcelona.

Die Konkurrenz ist zum großen Teil sehr eng mit Politikern und Parteien verbunden

Zur Recherchefähigkeit Tolontans und seiner Kollegen kommt, dass viele andere Medien in Rumänien kein Geld für oder kein Interesse an investigativen Themen haben. Rumäniens öffentlich-rechtliches Fernsehen ist seit Jahren unterfinanziert. "Zudem wird bei jedem Regierungswechsel die Führung ausgetauscht", sagt Razvan Martin, Medienspezialist bei der Bürgergruppe Active Watch. Beim Publikum beliebte Privatsender legen den Schwerpunkt auf Spielfilme oder Talkshows, kritische Berichte und investigative Recherchen fehlen. Das liegt nicht unbedingt an kommerziellen Zwängen. "Fast alle Eigentümer privater Fernsehsender sind mit Parteien oder Politikern verbunden", sagt Martin. Eine Erkenntnis, die ähnlich auch in anderen Balkanländern wie Bulgarien, Serbien oder Mazedonien gilt. Tolotans Fußballzeitung ist eines der wenigen Medien, das investigativen Journalismus tatsächlich an den Leser bringt.

Die Fernsehsender Antena 1 und Antena 3 etwa, bis heute Sprachrohr der regierenden postkommunistischen Partei PSD, gehörten lange zum Medienimperium des ehemaligen Ex-Securitate-Spitzels Dan Voicolescu- 2014 und 2016 wegen Betrugs und Erpressung zu insgesamt zwölf Jahren Gefängnis verurteilt. Der Fernsehsender Romania TV wurde von Sebastian Ghita aufgebaut, lange PSD-Führungsmitglied und angeblich Rumäniens reichster Parlamentarier, bis Ermittler ihn 2016 wegen des Verdachts auf Bestechung, Erpressung oder Geldwäsche anklagten. Vergleichsweise objektiv und kritisch berichtet der erst wenige Jahre alte Fernsehsender Digi 24, der bisher allerdings nur wenige Rumänen erreicht.

Die Fußballzeitung zeigt, dass Erfolg unabhängig macht

Auch rumänische Zeitungen sind oft politisch verbunden - oder stark geschrumpft. Seriöse Zeitungen mit ehemals sechsstelligen Auflagen verkaufen heute gerade noch 10- oder 15 000 Exemplare, sagt Experte Martin. In Rumäniens Regionen hängen Zeitungen zudem oft vom Wohlwollen der lokalen Regierenden ab. In der 300 000-Einwohner-Stadt Craiova berichtete die Lokalzeitung Gazeta de Sud unverdrossen über zweifelhafte millionenschwere Geschäfte unter Beteiligung der Stadtspitze. "Als Reaktion strich die Stadt nicht nur alle Anzeigen, sondern drohte auch vielen Geschäftsleuten mit Folgen, wenn sie weiter bei uns inserierten", sagt Redakteur Tudor Valentin.

Fußballjournalist Tolontan dagegen ist als Chefredakteur der landesweit erscheinenden Gazeta Sporturilor in vergleichsweise komfortabler Lage. Die täglich erscheinende Fußballzeitung verkauft durchschnittlich 30 000 Exemplare - Platz Drei hinter zwei Boulevardblättern. "Die Rumänen sind sportverrückt", sagt Tolontan. "Das gibt uns die Freiheit, neben Fußball auch investigative Themen zu verfolgen. Wir haben den Ruf, auch unter Druck nicht zurückzuschrecken." Die Website werde täglich rund 250 000 Mal angeklickt, ein eigener Blog Tolontans wird täglich ebenfalls von Zehntausenden Rumänen gelesen. Erfolg macht unabhängig: Die Geschichte der Gazeta Sporturilor zeigt sehr anschaulich, wie man in einem Land mit eingeschränkter Pressefreiheit freien Journalismus machen kann.

Die Fußballjournalisten beschränken sich auf Recherchen zu Sport und Gesundheit

Nach einer Brandkatastrophe in einem Bukarester Musikclub Ende 2015 starben Dutzende Menschen. Tolontan und seine Kollegen fanden nach einem Hinweis eines Arztes nicht nur heraus, dass etliche Opfer nicht durch Feuer und Rauch gestorben waren, sondern durch Infektionen in den Krankenhäusern. Schlimmer noch: Die Pharmafirma Hexi, die Desinfektionsmittel in die Krankenhäuser geliefert hatte, hatte die Lösung bis zur Unwirksamkeit verdünnt - und ihre Lieferverträge durch hohe Bestechungsgelder bekommen. Die Recherchen der Sportjournalisten zeigen grundsätzliche strukturelle Schwächen auf, wie auch zuletzt im Fall des Bukarester Krankenhausgeschäftsführers. Tolotan sagt: "Würden wir andere Bereiche in Rumänien untersuchen, kämen wir bestimmt zu ähnlichen Ergebnissen."

Doch die Fußballjournalisten beschränken sich auf Recherchen zu Sport und Gesundheit. "Die Kompetenz zum Thema Gesundheit ist uns unfreiwillig zugefallen - in anderen Bereichen haben wir diese Kompetenz nicht." Hinweise über mögliche Skandale bei anderen geben die Sportjournalisten "entweder an Kollegen weiter - oder wir sagen direkt, dass wir ein Thema nicht untersuchen können. Wir müssen ja schließlich jeden Tag noch eine Fußballzeitung herausbringen, die die Rumänen weiter kaufen wollen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: