Presse im Südsudan:Diesel für die News-Hütte

Kaum Strom, schlechtes Internet, ein löchriges Mobilfunknetz: Im Südsudan versuchen Zeitungsmacher trotz aller Widerstände eine freie Presse aufzubauen. Doch den Journalisten stehen im jüngsten Land der Welt nicht nur technische Probleme im Weg.

Benno Müchler

In einer strohgedeckten Hütte in Juba, der Hauptstadt Südsudans, sitzen zehn junge Männer und Frauen auf Gartenstühlen aus braunem Plastik, vor ihnen stehen Computer. Von draußen hört man ein lautes Surren - als es plötzlich verstummt, werden Minuten später die Bildschirme schwarz. Jetzt heißt es warten, bis der Diesel im Generator nachgefüllt ist. Doch ein paar Stunden bis zum Redaktionsschluss sind es ja noch.

Jahreswechsel - Unabhängigkeit Südsudan

Nach jahrzehntelangem Konflikt erklärte der Südsudan am 9. Juli diesen Jahres seine Unabhängigkeit vom Norden des Landes. Der 54. afrikanische Staat ist gleichzeitig der jüngste der Welt.

(Foto: dpa)

Zeitungmachen in Südsudan ist nicht einfach; schon gar nicht, wenn man wie der Citizen jeden Tag erscheint. Stromausfall, ungeteerte Straßen, kaum Internet, schlechtes Mobilfunknetz. Das Land, das im Juli dieses Jahres seine Unabhängigkeit erlangte, ist fast doppelt so groß wie Deutschland. 80 Prozent der zehn Millionen Einwohner sind Analphabeten. 2005 wurde die einzige Tageszeitung im derzeit jüngsten Staat der Welt gegründet, die Region hatte damals zumindest ihren autonomen Status erkämpft. Der Citizen ist beispielhaft dafür, wie eine junge Demokratie sich am Aufbau einer freien Presse versucht.

Seit der Unabhängigkeit am 9. Juli gab es in Südsudan zahlreiche Zeitungsneugründungen. Um die Pressefreiheit, die die neue Verfassung garantiert, steht es derweil schlecht. Anfang November hatte die südsudanesische Zeitung The Destiny eine Kolumne gebracht, die die Hochzeit der Tochter von Präsident Salva Kiir mit einem Äthiopier als unpatriotischen Akt bezeichnete. Auch eine intolerante Meinung gehört eben zur Pressefreiheit. Der Kolumnist und der Chefredakteur wurden daraufhin vom Geheimdienst verhaftet und für zwei Wochen eingesperrt. Die Zeitung wurde eingestellt. Offiziell wird den Journalisten Verletzung der Privatsphäre vorgeworfen und es wird bestritten, dass die Verhaftungen vom Präsidenten angeordnet worden seien.

Es ist 8.30 Uhr. Reporter Ater Garang Ariath betritt die News-Hütte, wo gerade zwei Kollegen den Tag durchsprechen. Chefredakteur Nhial Bol ist nicht da, er hat anderes zu tun: Das Druckpapier droht auszugehen. Es kommt normalerweise aus Uganda, in Südsudan gibt es kein Zeitungspapier. Doch der Lieferant liefert nicht, mit der Folge, dass zwei Tage zuvor die Druckauflage von 6000 auf 2000 Stück verringert werden musste.

Solange der Chefredakteur Bol damit beschäftigt ist, dem Lieferanten Druck zu machen, muss die Redaktion ohne ihn auskommen. Reporter Ariath verdient im Monat etwa 1000 südsudanesische Pfund, etwa 250 Euro. Dafür muss er an die 40 Artikel schreiben. Von dem Gehalt unterhält er seine Mutter und Geschwister. Im 15-köpfigen Redaktionsteam ist kein Einziger, dessen Geschichte nicht vom Krieg geprägt wurde. Reporter Joseph Lagu lernte als Kindersoldat im Alter von acht Jahren auf einer Kalaschnikow zu schießen. Dem Nachrichtenchef trachteten die arabischen Machthaber mehrere Male nach dem Leben, als er noch Radio machte.

Sie alle sind sehr stolz, bei Südsudans Leitmedium zu arbeiten. Dessen Name war eine Idee des 2005 noch lebenden Rebellenführers John Garang, der den Widerstand gegen den Norden anführte. Täglich will der Citizen (der Bürger) Korruption und Diktatur bekämpfen, so steht es auf dem Titelblatt. Doch die 16-seitige, englischsprachige Zeitung im Tabloid-Format brauche dringend mehr Redakteure, sagt Ariath. Das Blatt ist gespickt mit Rechtschreibfehlern, nicht selten in den Überschriften. "Und wir brauchen unbedingt Farbe", sagt Ariath. "Auf unseren Fotos ist Obama ganz blass. Wenn wir im Wettbewerb mit den anderen überleben wollen, müssen wir das ändern."

Kritische Presse ist unerwünscht

Dass die fehlende Farbe für die Presse in Südsudan das kleinste Problem ist, zeigte sich kürzlich bei einem Dialogforum für Medienvertreter und nationale Sicherheitsbeamte. Beide Seiten sollten Verständnis für die Arbeit des jeweils anderen entwickeln - das war der Anlass. Es sah dann so aus: Der Sprecher der südsudanesischen Armee erklärte in einer strahlend-grünen Brigade-Uniform mit Hilfe einer Power-Point-Präsentation, worüber Reporter berichten dürfen - und worüber nicht: Staatsgeheimnisse? Nein. Pressekonferenzen? Ja. Da dürfe man hinterher sogar Fragen stellen. Die Botschaft ist klar: Zu kritisch soll diese Presse nicht sein.

Jahr des Umbruchs in Afrika

Jahrelang hatte nur ein Thema die Berichterstattung aus dem Sudan beherrscht: der Darfur-Konflikt.

(Foto: dpa)

Der Sprecher für Militärlogistik, Philip Chol, ein geschniegelter Mann in beigem Maßanzug mit Goldringen an den Fingern, dozierte, wie man sich patriotisch zu verhalten habe: "Wenn ihr verantwortungsbewusste Journalisten seid, dann berichtet ihr über Dinge, die eurem Land nutzen." Die Reporter der versammelten südsudanesischen Medienlandschaft, junge Männer in Hemden und Sportschuhen, saßen reglos in der Runde und hören zu.

Viele der Reporter hier haben schon ihre Erfahrungen mit dem Militär gemacht, das jetzt nach den Jahren der Unterdrückung durch den Norden in Südsudan an der Macht ist. Ariath bekam einmal einen Anruf, als er über einen korrupten Gouverneur schrieb. Wenn er die Geschichte veröffentlichte, hieß es, würde das schlimme Folgen für ihn haben. Der Text erschien trotzdem. Nicht Ariath, aber Chefredakteur Bol wurde verhaftet. Seit 2007 saß Bol schon insgesamt dreimal in Haft für Geschichten über Korruption.

Zurück beim Citizen: Um ein Uhr nachts sitzen zwei junge Männer am Ende des Fließbands in der Druckerei neben dem Newsroom und stapeln die frisch gedruckten Exemplare, die aus der alten belgischen Druckerpresse kommen. Doch die klapprige Maschine kann nicht falten. Eineinhalb Stunden lang legen zwei Arbeiter deshalb von Hand die Zeitung zusammen, während von einem Smartphone arabische Folklore läuft.

Im Morgengrauen stehen die ersten Zeitungsverkäufer vor den Toren des Citizen. Gideon, der sich mit dem Job seinen Schulabschluss verdienen will, erreicht nach drei Stunden das Sahara-Hotel - ein Treffpunkt für die Reichen der Stadt. "Stellvertretender Minister ruft zur Kooperation zwischen Sicherheitssektor und Medien auf", lautet die Überschrift an diesem Tag. Die Kellnerin sagt, Gideon solle die Gäste nicht belästigen. Ein Mann kauft trotzdem eine Zeitung.

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