Preisverleihung:Was tun, wenn's brennt?

US-Kriegsberichterstatterin Heidi Levine ist erste Preisträgerin der nach ihrer 2014 ermordeten Kollegin Anja Niedringhaus benannten Auszeichnung für mutigen Fotojournalismus. Auf der Bühne in Berlin kamen Levine die Tränen.

Von Constanze von Bullion

Es ist schon ziemlich spät, als das böse Wort fällt: Junkies. "Wir werden oft als Junkies bezeichnet, als Süchtige", sagt Heidi Levine. "Aber unsere einzige Sucht ist der Wunsch, die Dinge zu verändern." Heidi Levine, US-Amerikanerin und Fotoreporterin, ist Mutter von drei Kindern, lebt in Jerusalem und riskiert ihre Gesundheit und manchmal wohl auch ihr Leben, um zu dokumentieren, was sich in den Kriegszonen der Welt abspielt. Eine Frau ist das, die so schnell nichts umhaut, davon erzählen auch ihre Fotos. Am Donnerstagabend aber steht sie im Berliner E-Werk und weint. Weil der Tod plötzlich so nah kommt und all das, was Kriegsreporterinnen sonst eher beiseiteschieben.

Heidi Levine bekommt in Berlin den nach ihrer 2014 in Afghanistan getöteten Kollegin benannten Anja-Niedringhaus-Preis für mutigen Fotojournalismus. Die von der International Women's Media Foundation ausgelobte Auszeichnung wird zum ersten Mal vergeben. Levine dokumentiere "tragische Ereignisse unter schrecklichen Umständen", lobt die Jury, und zeigt dabei tiefes Mitgefühl für die Menschen, denen sie begegnet." Die Freelancerin hat den Arabischen Frühling fotografiert und fährt aus Israel immer wieder nach Gaza, um das Kriegsleid aus schmerzhafter Nähe zu zeigen.

"Du kannst nicht einfach einpacken und abhauen", so beschreibt Christiane Amanpour ihren Beruf in Berlin. Amanpour, die im Golfkrieg und als Anchorwoman von CNN weltbekannt wurde, ist Pionierin einer Generation von Journalistinnen, die Abschied nimmt von der gerade in Deutschlands öffentlich-rechtlichen Sendern verbreiteten Vorstellung, Frauen seien verwundbarer als Männer, also ungeeignet für Kriegsberichterstattung.

"Journalisten sind Ziele", sagt Preisträgerin Levine, die weiß, dass ihre Kinder sich um sie sorgen

Verleihung des Anja Niedringhaus Award

Dokumentiert Krieg und Leid: Heidi Levine.

(Foto: Tim Brakemeier/dpa)

Anja Niedringhaus widerlegte dieses Klischee mit ihrer Arbeit: Die Pulitzerpreisträgerin aus dem westfälischen Höxter gehörte zu den wenigen weiblichen Fotoreportern im Jugoslawienkrieg, sie fotografierte in Afghanistan und begleitete US-Truppen im Irak. Ihre Bilder erzählten oft Geschichten hinter den Geschichten: von Leid und Unrecht, auch von Momenten der Hoffnung inmitten von Verwüstung. Niedringhaus, die trotz zahlreicher Verletzungen immer wieder in den Krieg zurückkehrte, wurde von einem afghanischen Polizisten erschossen, einfach so. Er wolle sich für einen Angriff rächen, bei dem er Verwandte verloren habe, erklärte er.

"Journalisten sind Ziele", sagt Heidi Levine bei der Preisverleihung. "Ich weiß, dass meine Kinder oft denken, dass ich mich Gefahren aussetze." Aber ohne Bilder gebe es keine Hoffnung auf Wandel für die junge Generation. Wenn da eine Sucht sei, zurückzukehren in blutige Konflikte, dann um zu helfen, sie zu beenden. "Frieden war einmal unvorstellbar in Europa", sagt Heidi Levin. Die Dinge könnten sich ändern.

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