Postkoitale Gespräche im britischen Channel 4:Leider Kopfweh

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Die Zuschauer schliefen besser als die Teilnehmer: Im Vordergrund vier "Experten", im Hintergrund das, was Channel 4 die "Sexbox" nennt. (Foto: Channel4)

Der britische Channel 4 versucht, mit Sex im TV zu provozieren. Doch die billige "Aufklärungs"-Nummer blieb vor allem eine belanglose Pilot-Sendung, in der ein mitteleuropäisch halbverklemmter Zuschauer auch mit etwas weniger Information zufrieden gewesen wäre.

Von Christian Zaschke, London

Mit einem einzigen Satz hoben Lynette und Des das ganze, vermeintlich skandalöse Konzept aus den Angeln. Gerade waren sie einer Box entstiegen, in der sie Sex gehabt hatten. Nun saßen sie vor einigen sogenannten Experten, die sie dazu befragten.

Der britische Sender Channel 4 hatte sich überlegt, dass genau das doch eine prima Idee für eine Sendung sein müsste: Paare haben Sex in einer blick-und schalldichten Box und sprechen anschließend mit Experten drüber. "Habt ihr Sex gehabt?" fragte einer der Experten. Lynette und Des bejahten. Als nun aber der Experte zu wissen begehrte, wie genau die beiden Sex gehabt hatten, beschied Des freundlich: "Das behalten wir für uns." Es war der beste Moment einer sonst gleichermaßen peinlichen wie langweiligen Sendung.

Channel 4 ist bekannt für Sendungen, die auf mehr oder weniger provokative Weise mit dem Thema Sex zu tun haben. Auch mit dem Programm Sex Box war es dem Sender wieder einmal gelungen, in die Schlagzeilen zu kommen.

Mit billiger Masche zu hohen Einschaltquoten

Man wolle den Sex nicht der Pornografie überlassen, erläuterten die PR-Strategen des Senders, es gehe darum, ernsthaft und ehrlich über Sex zu sprechen. Und mit Paaren, die den Akt gerade vollzogen haben, gehe das nun einmal besonders gut. Kritiker befanden, dass es sich um eine billige Masche handele: Unter dem Deckmantel der Aufklärung beziehungsweise der Volksbildung gehe es dem Sender allein darum, mit einem besonders schmierigen Konzept hohe Einschaltquoten zu erzielen.

Tatsächlich hat es Channel 4 geschafft, drei Paare zu finden, die das Spielchen mitmachten: das junge Paar Rachel und Dean, das schwule Paar John und Matt, das mittelalte Paar Lynette und Des.

Nacheinander hatten sie 35 Minuten lang Sex in der Box, während das Studiopublikum und die Experten draußen warteten. Anschließend wurde übers Erlebte gesprochen. Für die Fernsehzuschauer wurde das alles dankenswerterweise auf insgesamt eine Stunde zusammengeschnitten.

Ein kleines Problem des Konzepts bestand darin, dass die Paare in der Box auch eine gepflegte Partie Kniffel hätten spielen können - dass Channel 4 so diskret war, den Liebesakt nicht zu zeigen, bedeutete auch, dass der Sex Behauptung blieb.

Die postkoitalen Gespräche waren dann vor allem belanglos. Man erfuhr, dass in der Beziehung von Rachel und Dean der Sex am Anfang stand und die Liebe sich später dazugesellt hatte. Man erfuhr, dass John in der Box keinen Orgasmus hatte, obwohl Matt beim Fellatio alles gegeben und sie es anschließend noch mit einem 69er probiert hatten und mit . . . - jedenfalls wäre man in diesem Moment als mitteleuropäisch halbverklemmter Zuschauer auch mit etwas weniger Information zufrieden gewesen.

Charmantes Schweigen

Und von Lynette und Des erfuhr man, dass die beiden in der Regel großartigen Sex haben, aber man erfuhr wie gesagt nicht, wie genau die beiden das anstellen. Das Schweigen von Lynette und Des erinnerte die Zuschauer auf charmante Weise daran, dass Sex für viele Menschen mehr ist als die sachgerechte Anwendung verschiedener Techniken.

Was den erhofften Quotenerfolg angeht: 900.000 Menschen sahen sich die Show am späten Montagabend an, eher mittelmäßig. Eine Wiederholung ist einstweilen nicht geplant.

© SZ vom 09.10.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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