Porträt:Voller Einsatz

Claudia Kleinert und Michael Souvignier bei der Aufzeichnung der NDR Talkshow Bettina und Bommes im

Michael Souvignier, 57, ist Produzent und Fotograf. Nach einem langen Rechtsstreit um seinen Film "Contergan" bekamen die Opfer des Medikaments bessere Entschädigungen.

(Foto: imago/Future Image)

Mit "Contergan" schrieb der Produzent Michael Souvignier Fernsehgeschichte. Wenige Jahre später stand er vor der Pleite. Besuch bei einem, der sich nicht niederringen lässt.

Von Hans Hoff

Man müsste mal einen Film machen über einen Typen, der so richtig viel durchzumachen hat. Er verfügt über einen festen Glauben an das Wahre, an das Gute, aber er muss damit durch mehrere Revolutionen. Er ringt jahrelang mit einem mächtigen Gegner vor Gericht. Den Prozess gewinnt er, aber ein paar Jahre später steht er trotzdem vor der Pleite. Kaum hat er die Krise überwunden, stirbt seine Frau. Aber der Typ lässt sich nicht beirren. Er tut, was er tun muss, er macht einfach weiter.

Man müsste also mal einen Film machen über Michael Souvignier, den Kölner Produzenten, der mit Contergan Fernsehgeschichte geschrieben hat, der mit seiner Firma Zeitsprung 2011 Insolvenz anmelden musste, der im Jahr darauf Witwer wurde, der sich aber nie hat niederringen lassen und aktuell gleich mehrere erfolgversprechende Produktionen am Start hat.

Das mit dem Niederringen erscheint ohnehin aussichtslos, wenn man in seinem Kölner Büro vor diesem Mann steht. Souvignier ist 1,99 Meter groß, eine beeindruckende Erscheinung, einer, den man nur schwer übersehen kann. Vielleicht auch, weil es nicht mehr viele seiner Art gibt, die sich als unabhängige Produzenten durchschlagen und mit ihren Filmen immer wieder für Schlagzeilen sorgen.

Wenn Souvignier für ein Projekt brennt, dann schmeißt er sich voll rein. Im Moment trommelt er für den Film Das Tagebuch der Anne Frank, der gerade in den Kinos läuft. Den würde er gerne zum Erfolg machen. Dafür schmeißt er alles in die Waagschale. Dafür hat er sogar seine Lebenspartnerin, die ARD-Wetterfrau Claudia Kleinert, in eine Talkshow begleitet, die Beziehung noch einmal besonders medienöffentlich gemacht. So etwas tut er, wenn es darum geht, eine gute Sache voran zu bringen.

Am Fenster seines Büros steht eine Nachbildung des Anne-Frank-Hauses. "Wo ist das Bücherregal", fragt er und sucht das Modell des mehrstöckigen Hauses ab. Hinter dem Bücherregal, das sich verschieben lässt, liegt der Aufgang zum Versteck, in dem Anne Frank einst ihr Tagebuch schrieb. Wenn Souvignier das Modell dreht und wendet, dann wirkt es, als tauche dieser Hüne für einen Moment in diese Miniatur ein, als erwecke er die historische Pappe zum Leben. Er kann das gut, Begeisterung wecken für etwas, das mal war, Beziehungsfäden in die Gegenwart spannen, zeigen, warum das Damals für das Heute so wichtig ist, dass man einen Film braucht, um es zu verstehen.

Vielleicht ist das die große Qualität eines Michael Souvignier. Er entreißt die Dinge dem Vergessen. Er lässt sich vom Leben Fragen stellen, und wenn er keine schnellen Antworten parat hat, dann steigt er ein.

So wie im Fall von Contergan. Da beobachtete er Schüler einer nahegelegenen Lehranstalt, die zum Kiosk gegenüber kamen. Es war dies einst die erste Schule, in der von Contergan geschädigte Kinder in den normalen Lehrbetrieb integriert wurden. Das interessierte Souvignier. Er fing an zu recherchieren und legte seinen sicherlich größten Erfolg hin, denn nicht nur der Film wurde ausgezeichnet, auch die Opfer des Medikaments bekamen bessere Entschädigungen. "Der Film hat dafür gesorgt, dass es diesen Menschen jetzt besser geht", sagt er, "Mehr geht nicht. Mehr kann man nicht erreichen."

Jahrelang musste er den Klagen der Contergan-Hersteller standhalten. Er hat das überstanden, weil er überzeugt war, das Richtige zu tun, weil er sich halt auch auskennt im Fernsehgeschäft. Schließlich hatte der studierte Fotograf Souvignier schon vor der Gründung seiner Firma Zeitsprung im Jahre 1985 an über 600 Dokumentationen und Shows mitgearbeitet, bei Talk im Turm Regie geführt, war beim Kabel-1-Magazin Kult mit dabei und beim Vox-Computermagazin Klick. "Ich habe drei Interviews mit Bill Gates geführt", berichtet er so nebenbei und spricht dann von den Revolutionen, die er erlebt hat. Die Einführung des Privatfernsehens meint er vor allem. Und die Expansion des Internets natürlich.

Letzteres hat er 1998 prompt zum Thema seines ersten großen Films gemacht. Der Tod kommt online hieß der. Lief bei RTL, lief super. "Wir hatten noch keine Ahnung von Film und der Umsetzung, aber wir hatte eine Geschichte", erinnert er sich.

Fünf Jahre später kam dann Das Wunder von Lengede, die Geschichte des Grubenunglücks und der anschließenden Rettung der Bergleute. Über elf Millionen Zuschauer sahen das bei Sat.1. Ein Riesenerfolg für Souvignier. "Man ist als Produzent eine Art Goldschürfer", skizziert er das Wesen seiner Profession und verweist gleich auf den eher wechselhaften Erfolg. "Mal findet man Nuggets, mal nicht."

Von den erfolgreichen Funden zeugen die Trophäen, die er im Büroregal stehen hat: zwei Bambis, zwei Goldene Kameras, ein Grimme-Preis, ein Fernsehpreis.

Er weiß um die Verschlossenheit der Familie Albrecht. Ein Film über Aldi reizt ihn trotzdem

Zu den Misserfolgen kann man sicherlich die Geschichte um Frank Schätzings Erfolgsroman Der Schwarm zählen. Vor zehn Jahren kaufte Souvignier die Filmrechte, die er inzwischen wieder zurückgeben musste. Zweimal war der Film als internationale Blockbusterproduktion durchfinanziert. "Ich hatte das perfekte Paket", sagt er. Aber jedes Mal kam etwas dazwischen. "Es hat nicht sollen sein", sagt er.

So etwas gehört zur Geschichte der Firma Zeitsprung, die nach überstandener Insolvenz immer noch 20 Menschen fest Arbeit gibt. Souvignier weiß halt zu leben mit dieser Aneinanderreihung von Erfolgen und Misserfolgen. "Das, was ich erlebt habe, würde andere aus der Bahn werfen", sagt der 57-Jährige und sinniert über seine persönliche Restlaufzeit. "Die Wegstrecke zum Sarg wird immer kürzer", sagt er. Aber da klingt keine Traurigkeit in seinen Worten, eher die kräftige Entschlossenheit, diese Zeit zu nutzen.

In dieser Woche laufen gleich zwei von Souvignier produzierte Filme. In Nur eine Handvoll Leben (23. März, 20.15 Uhr ARD) spielt Annette Frier eine Schwangere, die damit konfrontiert wird, dass ihr Kind ohne Chance auf mehr als ein paar Tage Leben zur Welt kommen wird. Es ist ein sehr ernster Film. Im Gegensatz dazu wirkt Duell der Brüder (25. März, 20.15 Uhr RTL) beinahe leicht. Es geht um die Geschichte der Geschwister Dassler, die in Herzogenaurach Sportschuhe herstellen, erfolgreich sind und sich dann verkrachen.

Spricht man mit Souvignier über Duell der Brüder, drängt sich natürlich rasch ein Folgethema auf. Schließlich gab es da noch ein anderes Geschwisterpaar in Deutschland, das ähnliche Bedeutung hat: die Aldi-Brüder.

Natürlich ist Souvignier längst eng dran an dem Thema. Seine Großmutter hatte Delikatessenläden in seiner Heimatstadt Essen. Da kannte man die Albrecht-Brüder. Noch ist Souvignier in der Recherchephase. Er weiß um die traditionelle Verschlossenheit des Aldi-Clans. Er weiß auch um dessen juristische Macht. "Ich glaube, da muss man sich warm anziehen. Das macht mir ein bisschen Angst", sagt er. Aber das mit der Angst glaubt niemand, der ihn kennt. Wenn es wild wird, wird einer wie Souvignier erst richtig wach.

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