"Polizeiruf 110":Landschaft, Büromöbel, Bukows Laune - alles freudlos bis deprimierend

Lesezeit: 3 min

Teamplayer? Allzu oft sind Bukow (Charly Hübner) und König (Anneke Kim Sarnau) in der Episode "Im Schatten" nicht zusammen unterwegs. (Foto: NDR/Christine Schroeder)

Ob Bösewicht oder Ermittler, in Rostock spielt jeder falsch. Nur wenn König und Bukow gemeinsam ermitteln, sind sie eine Wucht. Die Nachlese zum "Polizeiruf 110".

Kolumne von Johanna Bruckner

Die Erkenntnis:

Das Leben ist nicht schwarz-weiß, sondern grau. Und in diesem Grau zu leben, tut verdammt weh. Landschaft, Büromöbel, Bukows Laune - alles in diesem Rostocker Polizeiruf 110 ist freudlos bis deprimierend. Am Ende hat der Ermittler nicht mal mehr Lust auf Sex. Bukow mag einfach nimmer, würde man in Süddeutschland sagen. Im Norden reicht für die abschließende Situations- und Gemütsbeschreibung ein einziger Blick.

An sich geht es um:

Betrug in all seinen hinterlistigen Facetten. Nicht umsonst heißt die Episode "Im Schatten": Hier spielt jeder falsch, hier hat jeder etwas zu verbergen - hello darkness, my old friend. Der Zollfahnder Martin Angerer wird nach einer missglückten Aktion gegen die Drogenmafia erschossen unter einer Brücke gefunden. Hat ihn die 'Ndrangheta hinrichten lassen? Ist sein Junkie-Sohn in den Mord verwickelt? Warum brach Angerer seine eigene Schreibtischschublade auf und übergab einem Kollegen einen Stapel Geldscheine? Ein anspruchsvoller Fall, der ein geschlossenes Team bräuchte, doch strukturiertes Vorgehen wird in Rostock nur auf dem Whiteboard simuliert. Außerhalb des Besprechungsraums macht jeder sein eigenes Ding: König verfolgt ihren Karriereplan, Pöschel spitzelt die Kollegen von der Zollfahndung aus und Bukow bindet ungefragt die Zollfahnderin Jana Zander in die Ermittlungen ein, die gleichzeitig die Ziehtochter des Mordopfers ist. Und das Schweigen wächst wie ein Krebsgeschwür.

Flop:

Im Krimi-Normalfall hat der Zuschauer einen Wissensvorsprung vor den Ermittlern. In dieser Episode ist er mindestens so ratlos wie die Kommissare. Zu viele Ermittler, zu viele Bösewichte, zu viele Handlungsstränge.

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Bester Dialog:

Wenn König und Bukow gemeinsam ermitteln, sind sie eine Wucht. Mit Mirko Lewandowski, der Kommissarin König einst anschoss, haben die beiden eine Rechnung offen. Die begleichen sie im Verhörraum - mit rhetorischer Eleganz.

Bukow: Weiß er eigentlich, in was für einer Scheiße er steckt?

König: Erstmal ist er verdächtig, den Zollbeamten Martin Angerer ermordet zu haben. Zweitens sagen zwölf seiner Koks-Schwalben gegen ihn aus. Verurteilungsgarantie wegen Rauschgifthandels, Paragraf 29, Absatz 3, BtMG.

Mirko Lewandowski: Anwalt.

Bukow: Und die 30 Kilo von heute? Was macht das?

König: 15 Jahre - ohne den Hauch einer Chance auf Bewährung.

Bukow: Dann würde er nicht mal die Hauptverhandlung überleben. Basile wird ihm wahrscheinlich den besten Anwalt der Stadt zahlen, aber ... dann werden sie im Knast eine Zahnbürste anspitzen und ihm die Kehle lüften. Wahrscheinlich unter der Dusche.

König: Zeitbomben wie den entschärfen die lieber. Zumal er auch nicht zur Familie gehört.

(...)

Mirko Lewandowski: Ich hab' 'ne Frage. (Krümmt sich scheinbar vor Schmerzen, richtet sich dann plötzlich auf.) Tut's noch weh, Frau König?

König (guckt betroffen, lächelt dann und beugt sich zu Lewandowski vor): Kein. Bisschen.

König verlässt den Raum.

Bukow (schleudert Lewandowski samt Stuhl auf den Boden): Du wirst sterben - kapier' das.

Beste Szene:

Der Locker-Room-Talk, also das Gespräch unter Männern in der Umkleidekabine, ist dank Donald Trump auch hierzulande ein Begriff. Im Polizeiruf unterhalten sich die Zollfahnder Lorch und Torbeck. Nach dem Tod ihres Chefs Angerer verdächtigten sich die Kollegen zwischenzeitlich gegenseitig - jetzt kommt es zur Aussöhnung vor hellgrauen Spinden.

Lorch (reicht Torbeck die Hand): Sorry, wenn ich scheiße war.

Die beiden schütteln sich die Hände.

Torbeck: Kein Ding, war auch nicht besser.

Dann verlassen die beiden die Umkleidekabine. Im Hinausgehen zieht Torbeck zerknüllte Überziehschuhe aus seiner Hosentasche und wirft sie in den Mülleimer. Diese blauen Überzieher waren das Letzte, was wenige Szenen zuvor der Kriminelle Lewandowski sah, bevor ihm sein vermummter Mörder eine Plastiktüte über den Kopf zog.

Die besten Zuschauerkommentare:

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Lieblingsbegriff:

Koks-Schwalbe. Der vielleicht schönste Euphemismus, den ein Krimi je hervorgebracht hat: So heißen in Rostock Drogendealer, die ihre Ware per Motorroller ausliefern. Koks-Schwalbe - das klingt genau so lange nach großer, wenn auch verbotener Freiheit, bis man weiß, dass über der Schwalbe ein brutaler Drogen-Zwischenhändler namens "Adler" seine Kreise zieht.

Top:

Ihm steht das ganze Rostocker Grau ganz ausgezeichnet: Veit Bukow (Klaus Manchen), Vater des Kommissars und umtriebiger Barbesitzer. Der Sohn versinkt im beruflich-privaten Chaos - der Fall, die pubertierenden Söhne, ein wodkareicher Abend inklusive Beinahe-Kuss mit Kollegin König -, der Vater bringt Ordnung rein. Bestellt Möbel für die Enkel und erinnert den Sohn an Boxer-Weisheiten ("Es kommt nicht drauf an, wie hart die Faust ist, sondern wie auch immer du eine in die Fresse kriegst - du musst wieder aufstehen"). Doch dann passiert das, was der Vater als Letztes wollte: Auch er wird Teil der Sorgenlast auf Bukows mächtigen Schultern.

Die Schlusspointe:

Ist bei dem langen Spannungsaufbau wenig überraschend. Nicht nur Bukow hat die Schnauze voll, auch ein anderer Ermittler hat aus Frust und Geltungssucht die Seiten gewechselt. Es folgt ein Klischee-Monolog aus der Kategorie "Wie sich bestechliche Polizisten rausreden". Finale: "Die sind stärker als wir! Die Mafia ist stärker als wir!"

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