Polizeiruf 110 aus Rostock: "Liebeswahn":Zuneigung der härteren Art

Polizeiruf 110: Liebeswahn; Polizeiruf 110

Filmszene aus Polizeiruf 110: Liebeswahn

(Foto: NDR/Christine Schröder)

Rote Rosen in Vorgärten und lilafarbene Liebesbekenntnisse unter Scheibenwischern: Der "Polizeiruf 110" aus Rostock erzählt von unerwiderten Gefühlen und überlässt dabei einiges dem Zufall.

Von Katharina Riehl

Gaëtan Gatian de Clérambault hat die Entdeckung seines Lebens mithilfe der Geschichte des englischen König George V. beschrieben. In jenen König George war eine Französin verliebt, und sie war sicher, dass der König auch sie liebte. So sehr sogar, dass er englische Seefahrer und Touristen nach Frankreich schickte, um ihr Botschaften zu überbringen. Sie selbst fuhr auch zum Buckingham Palast, und wenn der König (oder sonstwer) mit dem Vorhang raschelte, dann wusste sie auch das als deutlichen Beweis seiner Zuneigung zu deuten.

Die Entdeckung des französischen Psychiaters Gaëtan Gatian de Clérambault heißt Erotomanie oder Liebeswahn, und eine eingebildete Liebe klinischen Ausmaßes ist natürlich ein dankbares Thema für Literatur und Film. Ian McEwan zum Beispiel hat in seinem Roman Liebeswahn die Geschichte von Jed und seiner Liebe zum heterosexuellen Joe erzählt, Audrey Tautou war 2002 Wahnsinnig verliebt. Und jetzt hat die ARD einen Polizeiruf um das De-Clérambault-Syndrom gestrickt.

Der Fall in Rostock beginnt in einem Keller, ein Mann wird dort festgehalten, gefoltert offenbar. Als ihm die Flucht gelingt, stirbt er nur ein paar Minuten später auf dem Rücksitz eines Taxis. Er verblutet; der Besitzer des Kellers hatte ihm die Zunge herausgeschnitten. So ist die Welt am Sonntagabend in Deutschland.

Liebe und Gegenliebe

Der Ermordete, das stellt sich bald heraus, mochte Zuneigung der etwas härteren Art, doch das Prinzip von Liebe und Gegenliebe ist in diesem Polizeiruf aus Rostock nicht nur Ermittlungsgegenstand sondern quasi das Grundthema.

Kommissar Bukows Ehefrau, die schon seit ein paar Episoden mit dessen Kollegen anbandelt, hängt inzwischen mittendrin in einer handfesten Affäre, und ein bisschen fragt man sich ja ohnehin, ob Bukow (Charly Hübner) seine Kollegin König (Anneke Kim Sarnau) nicht ohnehin ein bisschen lieber mag als eben jene untreue Ehepartnerin. Dann tauchen plötzlich Unmengen von roten Rosen in Vorgärten auf und lilafarbene Liebesbekenntnisse unter Scheibenwischern.

Die Polizeirufe mit Bukow und König gehören zu den guten der Reihe, was an den beiden Schauspielern liegt und an den Büchern, die man ihnen meistens schreibt. Der deutlich zu fette Hauptkommissar und seine Gemüsesaft trinkende Kollegin müssen ihre Dialoge nicht aufs Lebensphilosophieren verschwenden und nicht aufs Lebensstilgekeife. Die Verbindung der Fälle mit dem Leben der Ermittler aber kommt sonst weniger unvermittelt des Weges als in dieser Episode. Hier ist alles ein großer Zufall. Wie die Liebe.

Polizeiruf 110, ARD, Sonntag, 20.15 Uhr.

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