Polizeiruf aus Brandenburg:"Halt's Maul, Mutti!"

Polizeiruf 110: Muttertag; rbb Polizeiruf 110 Muttertag

Die schlauen Sprüche kommen von Netto, die Liebe aber aus tiefstem Herzen: Heidi und Enrico Schoppe (Ulrike Krumbiegel und Anton Spieker) auf der Flucht.

(Foto: rbb/Oliver Feist)

Aber was tun, wenn sie deine einzige Verbündete ist? Der Polizeiruf "Muttertag" zeichnet ein ziemlich düsteres Bild, nicht nur von der Uckermark. Die Nachlese.

Kolumne von Carolin Gasteiger

Die Erkenntnis:

Mutterliebe geht über alles. Auch über Diebstahl, Lügen und Leichen. Oder wie Heidi Schoppe es ihrem Sohn sagt: "Ich hasse das, was du gemacht hast. Aber du kannst nicht erwarten, dass ich aufhöre, dich zu lieben." Wenn das nicht die passende Botschaft zum Muttertag ist.

Darum geht's:

Tristesse und Mord an der deutsch-polnischen Grenze. In einem Wald mit seltsam verbogenen Bäumen wird ein Kleinunternehmer tot aufgefunden. Eine junge Frau aus dem Grenzstädtchen Wüsterow ist verschwunden. Die Kommissare Olga Lenski und Adam Raczek führen die Ermittlungen in eine zutiefst hoffnungslose Dorfgemeinschaft, in der zwar alle irgendwie zusammenhalten, aber schnell auch einen Verdächtigen finden: den jungen Enrico Schoppe. Außerdem sorgt die Grenznähe für Misstrauen: "Der Pole klaut hier alles", heißt es. Diese Umstände und das Misstrauen ihres Kollegen Raczek machen es Lenski nicht gerade einfach, ihren Dienst im deutsch-polnischen Kommissariat in Swiecko zu verlängern.

Bezeichnender Dialog:

Olga Lenski passt Heidi Schoppe zu Hause ab. Während die Kollegen das Haus nach deren Sohn Enrico durchsuchen und Mama Schoppe Stullen schmiert, entdeckt die Kommissarin einen Sinnspruch an der Küchenpinnwand.

Lenski: "Wer sich selbst besiegt, ist stark." Ist ein guter Spruch. Von Laotse.

Schoppe: Die sind von Netto.

Lenski: Ich kenne da noch einen guten von ihm: "Die Wahrheit kommt mit wenigen Worten aus."

Schoppe: Dann müssen wir nicht mehr reden.

Top:

Wenn etwas gelungen ist in diesem Fall, dann die triste Darstellung der Uckermark und der deutsch-polnischen Grenzregion. Man hofft für die Uckermark, dass es in Wahrheit dort hübscher ist. In "Muttertag" versuchen jedenfalls alle, mit wenig möglichst gut zu leben und trotzdem etwas aus sich zu machen. Die Haare sind billig gefärbt, das fade Shirt soll wenigstens ein kleiner Spitzenrand aufhübschen und der Bus fährt nur zwei Mal am Tag. Nachmittags guckt man Sturm der Liebe. Allein die geschwungenen Bäume lockern die düstere Szenerie auf. Aber die stehen in Polen.

Flop:

Anfangs konnten Olga Lenski und Adam Raczek überhaupt nicht miteinander. Im zweiten Fall besserte es sich marginal, inzwischen sind erste Anzeichen der Versöhnung zu erkennen. Aber der ewige Hickhack zwischen den beiden wirkt seltsam aufgesetzt. Wenn Lenski ihn vorm Losfahren erstmal vertröstet und dann ans Telefon geht, sagt er halbherzig genervt: "Ja Mutti". Raczek beschwert sich bei seinen Vorgesetzten über Lenski, die ständig ihre Tochter mit zur Arbeit nehmen muss. Aber als sie sich in der Dorfpension ein Doppelbett teilen müssen, liegt morgens seine Hand auf ihrem Schenkel - oder wo auch immer unter der Decke. Wirklich überzeugend wirken die beiden erst zum Schluss. Wahrscheinlich lassen sich 90 Minuten mit Reibereien einfacher füllen als mit kollegialer Vertrautheit.

Beste Szene:

Heidi Schoppe hilft ihrem Sohn, sich vor der Polizei in einem alten Warenlager zu verstecken. Aber als "Mutti" ihn zur Rede stellt und laut wird, rastet er aus, schreit nur noch "Hör auf" und packt seine Mutter an den Armen. Er drängt sie an die Wand und würgt und würgt sie. "Halt's Maul", ruft er und wirkt, als würde er alles um sich herum vergessen. Ihre Wangen verfärben sich schon rot, als sie sich losreißen kann und verängstigt hinausläuft. Mindestens so erschrocken ist Enrico selbst."Tut mir leid. Mutti!", ruft er ihr keuchend hinterher.

Beste Auftritte:

Anton Spieker schafft es, Enrico Schoppe tollpatschig-naiv und zugleich aggressiv und bedrohlich wirken zu lassen. Ulrike Krumbiegel zeigt überzeugend, wie hin und her gerissen Schoppes Mutter ist zwischen bedingungsloser Liebe, Misstrauen - und schließlich sogar Angst vor dem eigenen Kind. Und im Gegensatz zu den Kommissaren wirken die beiden authentisch. Es ist verstörend, ihnen zuzusehen.

Schlusspointe:

Ach, verstehen sie sich jetzt also doch? Adam Raczek hat die Papierfetzen des Antrags auf Dienstverlängerung zusammengeklebt, den Lenski zuvor in Rage zerrissen hatte, und legt ihn ihr im Auto auf den Schoß. Er will also offenbar doch, dass sie bleibt. "Das glaube ich jetzt nicht", erwidert sie - völlig zu Recht.

Die besten Zuschauerkommentare:

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