Politik und Medien:Wenn der Minister zweimal klingelt

Der Anruf beim ZDF durch CSU-Pressesprecher Hans Michael Strepp war nicht der erste Versuch, Einfluss auf deutsche Journalisten zu nehmen. Wie sich die Politik schon früher bei Medien eingemischt hat - in größeren und kleineren Affären, die ans Licht gelangten.

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Politik und Medien:Michael Strepp und das ZDF

CSU-Sprecher Strepp tritt zurueck

Quelle: dapd

Der Anruf beim ZDF durch CSU-Pressesprecher Hans Michael Strepp war nicht der erste Versuch, Einfluss auf deutsche Journalisten zu nehmen. Wie sich die Politik schon früher bei Medien eingemischt hat - in größeren und kleineren Affären, die ans Licht gelangten.

Ein verhängnisvoller Anruf: Der CSU-Sprecher Hans Michael Strepp tritt zurück, weil er telefonisch versucht haben soll, einen Fernsehbericht der ZDF-"heute"-Redaktion über den bayerischen SPD-Parteitag mit der Kür des Spitzenkandidaten Christian Ude zu verhindern.

Das weckt Erinnerungen an frühere Episoden von Einflussnahmen auf Journalisten - in größeren und kleineren Affären.

Im Bild: CSU-Sprecher Michael Strepp mit dem bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer im September 2012

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Politik und Medien:Christian Wulff und die Bild-Zeitung

Rücktritt Christian Wulff

Quelle: dpa

Auch der frühere Bundespräsident stolperte über einen Anruf bei Journalisten. Lange galt der CDU-Politiker als geschickt im Umgang mit Medien, besonders mit der Bild-Zeitung, aber auch mit Promimagazinen wie der Bunten. Doch in Schloss Bellevue angekommen, verhedderte er sich in seinen Kontakten. Im Winter 2011/12 sah sich Wulff Vorwürfen ausgesetzt, zu enge Beziehungen zum Unternehmer Egon Geerkens zu unterhalten. Als in der Bild-Zeitung ein kritischer Bericht über einen privaten Immobilienkredit bei dessen Frau erscheinen sollte, hinterließ Wulff eine fatale Mailbox-Nachricht bei Chefredakteur Kai Diekmann. 

Zitate wie "Rubikon überschritten", "Krieg führen" und "endgültiger Bruch mit Springer" gelangten an die Öffentlichkeit, jedoch nicht der vollständige Wortlaut, dagegen wehrte sich Wulff vehement. In einem Fernsehinterview am 4. Januar 2012 gestand der Bundespräsident zwar Fehler ein, sagte aber auch, er habe den Erscheinungstermin des Kreditberichts nur verschieben, nicht verhindern lassen wollen. Die Bild-Zeitung widersprach dieser Darstellung.

Der Deutsche Journalisten-Verband DJV wertete gegenüber der SZ den Anruf als "klaren Versuch, Einflussnahme auf die Berichterstattung auszuüben" und kritisierte dies scharf. Der frühere SZ-Chefredakteur Hans Werner Kilz sagte, "ein so törichtes Vorgehen wie bei Wulff habe ich noch bei keinem Spitzenpolitiker erlebt".

Im Bild: Bundespräsident Christian Wulff und seine Ehefrau Bettina am 17. Februar 2012 im Schloss Bellevue auf dem Weg zu seiner Rücktrittserklärung

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Politik und Medien:Nikolaus Brender und das ZDF

Roland Koch und Nikolaus Brender

Quelle: dpa

Anlässlich der Strepp-Episode verweist das ZDF auf seine Unabhängigkeit.  Doch erst 2010 zeichnete der scheidende Chefredakteur Nikolaus Brender im Spiegel ein anderes Bild. Die politische Einflussnahme beim ZDF sei enorm, es gebe ein "feingesponnenes Netz von Abhängigkeiten". Brender sprach in dem Interview auch von einem "Spitzelsystem", in dem "Redakteure den Parteien Senderinterna zutragen". Speziell in der Union gäbe es ein "dunkles Schattenreich", das sich im ZDF-Verwaltungsrat breit gemacht habe.

Die schonungslose Kritik von Brender führte zu Widerspruch bei Politikern wie auch beim ZDF selbst, jedoch gab es auch Unterstützung, etwa von Seiten der Grünen.

Wenige Monate zuvor hatte der ZDF-Verwaltungsrat (mit Unions-Mehrheit) einer Verlängerung von Brenders Vertrag nicht zugestimmt. Besonders der hessische Ministerpräsident Koch als stellvertretender Verwaltungsratsvorsitzender hatte Brender seit langem in Frage gestellt. Roland Koch zog sich letztlich selbst aus dem ZDF-Verwaltungsrat zurück.

Im Bild: Der damalige hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) und der damalige ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender

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Politik und Medien:Schwarzer Bildschirm beim "Scheibenwischer"

NEUE STUDIODEKORATION FÜR "SCHEIBENWISCHER"

Quelle: DPA

Schon 1980, als Dieter Hildebrandt mit der Satiresendung "Scheibenwischer" beim Sender Freies Berlin begann, war klar: hier wird es Ärger geben. Der damalige bayerische Ministerpräsident und CSU-Kanzlerkandidat Franz Josef Strauß nannte den Kabarettisten einen "politischen Giftmischer", der wiederum revanchierte sich mit bitterbösen Kommentaren und Analysen zur jeweiligen politischen Aktualität - 23 Jahre lang. 

Immer wieder kam es in der bayerischen Staatsregierung zu großer Aufregung über die despektierlichen Inhalte. Als Höhepunkt der "Scheibenwischer"-Querelen erwies sich der 22. Mai 1986. Hildebrandts Team befasste sich mit der wenige Wochen zurückliegenden Reaktorkatastrophe von Tschernobyl. Mit dabei unter anderem Lisa Fitz, die am Beispiel eines verstrahlten Opas die deutschen Behördenempfehlungen der Lächerlichkeit preisgab ("Müssen wir unseren Großvater jetzt endlagern?"). 

Derlei war zu viel - zumindest für den Bayerischen Rundfunk, der unter der Leitung des damaligen Fernsehdirektors Helmut Oeller und unterstützt von Intendant Reinhold Vöth die Sendung im Freistaat kurzerhand nicht übertrug. Oeller hatte zuvor in einer Sonderschaltkonferenz der ARD-Direktoren erfolglos versucht, die Sendung in ganz Deutschland zu verhindern.

Die Episode gilt bis heute als Paradebeispiel für den damaligen starken Einfluss der regierenden CSU auf den BR. 

Im Bild: Die Kabarettisten Bruno Jonas und Dieter Hildebrandt (rechts) im März 2000 im SFB-Sendezentrum in Berlin am Set der Satiresendung "Scheibenwischer"

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Politik und Medien:Die Spiegel-Affäre

Proteste im Rahmen der Spiegel-Affäre

Quelle: Heinz-Jürgen Göttert/dpa

"Bedingt abwehrbereit" - diese Titelgeschichte des Nachrichtenmagazins Spiegel vom 8. Oktober 1962 zog die berüchtigte "Spiegel-Affäre" nach sich, den wohl größten Medienskandal der deutschen Nachkriegsgeschichte. Vor fast auf den Tag genau 50 Jahren, am 26. Oktober 1962, wurden die Räumlichkeiten des Magazins in Hamburg und Bonn nachts von der Polizei durchsucht. Mehrere leitende Redakteure wurden festgenommen, Herausgeber Rudolf Augstein stellte sich selbst, der stellvertretende Chefredakteur Conrad Ahlers wurde im Spanien-Urlaub verhaftet. Der Verdacht lautete auf Landesverrat - denn die Titelgeschichte hatte sich mit dem Stand der bundesdeutschen Verteidigungspolitik befasst, ein heikles Thema mitten im Kalten Krieg.

Die Anweisung zur Polizeidurchsuchung kam von der Bundesanwaltschaft. Doch letztlich erwies sich Verteidigungsminister Franz-Josef Strauß, der zunächst noch behauptet hatte, "nichts, im buchstäblichen Sinne nichts" mit den Vorgängen zu tun zu haben, als treibende Kraft hinter der Festnahme von Ahlers in Spanien. 

Es folgten hochemotionale öffentliche Debatte über Pressefreiheit und Massenkundgebungen, auf denen Strauß zum Rücktritt aufgefordert wurde. Dass sich Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) nicht von seinem Minister distanzierte (er hatte selbst von einem "Abgrund an Landesverrat" gesprochen), führte zu einer massiven Koalitionskrise mit der FDP. Fünf liberale Minister traten im November 1962 aus Protest zurück. Erst jetzt verzichtete Strauß auf sein Amt in der Bundesregierung. Das Ende seiner Karriere bedeutete dies bekanntlich nicht.

Im Bild: Erste Anzeichen dafür, dass die Sechziger turbulent werden würden: Im Zuge der Spiegel-Affäre 1962 zeigte sich eine neue Protestkultur von Studenten auf der Straße (in diesem Fall vor der Frankfurter Hauptwache)

© Süddeutsche.de/ihe/vks/woja
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