Podcast:Spürst du was?

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Gastgeberin ist Schauspielerin Abbi Jacobson aus Broad City. Sie besuchte eine Kunstschule und kennt die Frage: „Was zur Hölle ist das?“ (Foto: Ryan Muir)

"A Piece of Work" möchte Berührungsängte mit moderner Kunst abbauen. Gastgeberin Abbi Jacobson macht darin auch ehrfürchtiges Schweigen hörbar.

Von Julian Dörr

Ein Museumsbesuch kann eine schreckliche Qual sein. Langsam schlendert man durch hohe Gänge, der Blick schweift müde an den Wänden entlang, über die Vitrinen, über die Kunstwerke, die Ausstellungsstücke. Ab und zu verharrt er. Und dann schaut man kritisch, streicht sich über das Gesicht oder durch die Haare, runzelt die Stirn. Wenig später dann ein gehauchtes "Ah", die Augen weiten sich zur Erleuchtungsgrimasse. So macht man das doch im Museum, oder? Während man im Kopf die Sekunden zählt: 21, 22, 23. Wie lange muss ich noch hier stehen bleiben, um den Eindruck zu erwecken, ich wüsste, was ich da tue, und verstünde, was ich sehe?

Was den Ausstellungsbesuch besonders quälend macht, ist ja gar nicht mal nur die Tatsache, dass man vieles, was präsentiert wird, nicht versteht. Viel schlimmer ist das Scheitern am eigenen Anspruch. Man will schließlich nicht dieser Depp sein, der sich breitbeinig vor einem modernen Werk aufbaut und rausblökt: "Das soll Kunst sein? Das kann ich auch." Obwohl man genau das hin und wieder denkt.

Mode-Bloggerin Tavi Gevinson rätselt über Cy Twomblys Werk

Für all die Menschen, die unter diesem Problem leiden, gibt es jetzt eine Lösung: A Piece of Work. Ein Podcast für alle, die sich zu dumm für moderne Kunst fühlen. Das Konzept ist so simpel wie genial. Die Komikerin und Schauspielerin Abbi Jacobson, bekannt aus der Sitcom Broad City, geht ins New Yorker Museum of Modern Art (MoMA) und stellt sich vor ein Kunstwerk. Und dann redet sie darüber. Darüber, was sie sieht. Darüber, was sie fühlt. Oder eben nicht sieht und fühlt. Zuerst mit einem hippen Gast aus ihrem großen New Yorker Popkultur-Freundeskreis. Dann mit einem Experten, etwa mit einem anderen Künstler oder einer Kuratorin des MoMA.

Das Großartige an diesen Gesprächen: Sie holen einen als Zuhörer genau da ab, wo man, nun ja, steht: mit großem Fragezeichen vor einem großen Kunstwerk. "It's everything you want to know about modern art but were afraid to ask", lautet das Motto. Alles, was Sie über Kunst wissen wollen, sich aber nie zu fragen getraut haben. Dieses Versprechen löst A Piece of Work von der ersten Minute an ein. Ein Beispiel aus der ersten Folge: Abbi und ihr Comedian-Kollege Hannibal Buress betrachten ein Fahrrad-Rad, das auf einen Holzhocker montiert ist. Natürlich ist das nicht irgendein Fahrrad-Rad, sondern das Fahrrad-Rad, das erste Readymade des französischen Künstlers Marcel Duchamp. Und ein klassischer Vertreter der Kategorie "Hä? Kann ich auch". Weshalb Gast Buress auch erst mal belustigt am Fahrrad-Rad drehen möchte. Aber dabei bleibt es nicht. Auftritt Anne Umland, MoMA-Kuratorin. Von ihr lernt man dann, dass es Marcel Duchamp bei seinen Readymades eben genau um dieses "Hä? Kann ich auch" ging. Mit seinen Werken wollte er das elitäre Kunstverständnis seiner Zeit aufbrechen. Kunst, das ist für alle. Das kommt von allen.

A Piece of Work handelt von abstrakter Kunst, von Minimalismus oder Lichtinstallationen. Eine luftig leichte Kunstgeschichtsstunde, die Unwissenheit ernst nimmt und die Hemmschwelle senkt, sich mit moderner Kunst zu beschäftigen. In A Piece of Work begleitet man Mode-Bloggerin Tavi Gevinson dabei, wie sie über Jackson Pollocks Farbspritzer und Cy Twomblys Krakeleien rätselt. Oder man hört den Kapellmeister der Roots, Questlove, vor Yves Kleins monochromer Malerei ehrfürchtig schweigen.

Was alle Folgen eint: Hier nehmen sich Menschen Zeit. Sie schauen, sie spüren und sie teilen ihre Gefühle. "Je länger ich vor diesem Gemälde stand", sagt Abbi Jacobson am Ende über Cy Twomblys Werk, "desto mehr habe ich gesehen. Ich kann nicht behaupten, dass ich jetzt beschreiben kann, worum es geht - oder dass ich es verstehe. Aber ich beginne langsam, mich wohler dabei zu fühlen, Kunst anschauen, die ich nicht richtig verstehe. Vielleicht geht es genau darum."

© SZ vom 17.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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