Philipp Walulis über TV-Satire:"Trash-Fernsehen ist wie Fast Food"

Lesezeit: 4 min

Seine Tatort-Parodie wurde in kürzester Zeit zum Youtube-Hit: Philipp Walulis macht Fernsehsatire und will den Leuten ganz nebenbei ein bisschen Medienkritik unterjubeln. Ein Gespräch über Trash-Fernsehen, Quoten und darüber, wie Satire funktioniert.

Lena Jakat

Eine junge Frau joggt durch den Park. Ein Schrei, eine Leiche. Eine junge attraktive Kommissarin tritt auf. "Gut, dass wir die Leiche immer ganz am Anfang des Tatorts finden", sagt sie. Der Filmclip dauert 123 Sekunden, dann ist die Struktur eines typischen Tatorts erklärt, der "verkrampfte sozialkritische Einschlag" ebenso auf die Schippe genommen wie die gefühlsbetonte Charakterzeichnung. Auf Youtube wurde das Video schon hunderttausendfach geklickt, ausgedacht hat es sich Philipp Walulis. In seiner Sendung Walulis sieht fern nimmt der 31-Jährige auf dieselbe Weise auch andere TV-Formate auseinander, von der typischen Castingshow bis hin zu Bauer sucht Frau . Zum Interview gibt es Apfelkücherl und viel Ironie.

sueddeutsche.de: Herr Walulis, auf Youtube ist Ihre Sendung sehr erfolgreich. Im Fernsehen läuft sie dagegen Donnerstagnacht um 00:40 Uhr. Wer schaut da zu?

Philipp Walulis: Der riesige Erfolg auf Youtube hat uns überrascht und freut uns auch sehr. Die TV-Quote ist auch nicht schlecht, sie liegt sogar über dem, was da sonst läuft. Wobei ich denke, dass einer der Menschen, die so einen GFK-Messapparat zuhause haben, einfach vor dem Fernseher eingeschlafen ist. Aber es wäre schon schön, überhaupt interessierte Menschen als Zuschauer zu haben und nicht nur solche, die von den Sexy Clips rüberkommen und sich ärgern, dass der Moderator keine Brüste hat. Es ist unsere erste kommerzielle Sendung und sie wird durch Erotikwerbung unterbrochen. Das macht uns ungeheuer stolz - konterkariert aber ein bisschen die Medienkritik.

sueddeutsche.de: Wie muss Medienkritik denn aussehen, damit sie funktioniert?

Walulis: Ich will die Leute unterhalten und ihnen nebenbei ein bisschen Kritik unterjubeln. Nichts ist schrecklicher, als aktiv belehrt zu werden, mit erhobenem Zeigefinger. Eine Sendung muss Spaß machen, sonst bleibt keiner dran. Außer drei, vier Oberstudienräte vielleicht. Aber die erreicht man auch, indem man ihnen einen Brief schickt. Es wäre schön, wenn auch alle anderen mitnehmen würden: Man sollte nicht alles glauben, was im Fernsehen kommt.

sueddeutsche.de: Sie verpacken Ihre Kritik am Trash-TV dick in Parodien. Warum?

Walulis: Gut gemachte Satire hat für mich etwas sehr Therapeutisches. Bei all dem Mist, den wir überall erleben, könnte man sehr sauer werden auf die Welt, sich mit seinem Kissen ans Fenster setzen und Leute anzeigen, die im Parkverbot stehen. Oder man macht sich darüber lustig.

sueddeutsche.de: Ist Sarkasmus wie der in Ihrer Sendung universell verständlich?

Walulis: Es gab bei den Privaten einmal eine Sendung, die aussah wie eine typische Doku-Soap über Polizisten im Einsatz. Aber die Beamten sind total durchgedreht, haben Leute verprügelt, Drogen missbraucht und so weiter. Das war keine Doku-Soap, sondern Satire. Die Serie wurde bald abgesetzt - wohl auch, weil den Zuschauern das Hirn explodiert ist. Die wussten einfach nicht mehr genau, was echt ist und was Fake. Und zu manchen Leuten, die unter unseren Videos Kommentare posten, würde ich am liebsten nach Hause fahren, sie schütteln und anschreien: "Das ist Ironie - denkt doch mal darüber nach!"

sueddeutsche.de: Umgekehrt wirken viele Doku-Soaps wie Realsatire. Für Ihre Sendung mussten sie stundenlang Trash-TV gucken. War das nicht hart?

Walulis: Meine Fernbedienung ist kaputt, ich habe sie mehrmals auf den Boden geworfen. Es bereitet mir immer körperliche Schmerzen zu sehen, wie sich irgendwelche armen Leute in irgendwelchen Doku-Soaps um Kopf und Kragen reden. Ich will da aber niemanden belehren und verstehe Menschen, die das zur Zerstreuung anschauen. Trash-Fernsehen ist wie Fast Food: Hin und wieder kann man sich ja mit einem Burger vollstopfen, aber ich muss das nicht täglich haben.

sueddeutsche.de: Ihr persönlicher Tiefpunkt?

Walulis: Uri Gellers Alien-Show. Mit einer rumkrakeelenden Nina Hagen und einem Außenreporter, der in einer Funkwarte in der Ukraine stand, um von dort eine Nachricht ins All zu schicken. Dieser Sendung hat jede Leichtigkeit oder ironisches Augenzwinkern gefehlt. Die haben einfach todernst versucht, den Zuschauern klarzumachen, dass sie hier ein Alien-Kontakt-Experiment betreiben. Grausam.

sueddeutsche.de: Gibt es genug gute Satire im deutschen Fernsehen?

Walulis: Gibt es die überhaupt? Sogar der Satire Gipfel ist für mich eher Kabarett: Menschen sitzen rum und machen Witze. Intelligente Witze, sonst wäre es Comedy. Andererseits gibt es tolle Sendungen wie die heute show oder extra3. Meine Vorbilder finde ich allerdings eher in Amerika und Großbritannien. The Onion zum Beispiel ist großartig. Da werden völlig absurde Geschichten präsentiert als wären es normale Nachrichten. Maschek sind auch toll - eine österreichische Gruppe. Aber vielleicht funktioniert politische Satire in Österreich auch besser.

sueddeutsche.de: Warum denn?

Walulis: In Österreich ist die Diskrepanz zwischen Schein und Sein noch größer. Da versucht die Politik noch verkrampft, sich den Anschein von Seriosität und Würde zu geben. Die Schere zwischen dem und dem Mist, den sie tatsächlich bauen, ist größer als bei uns. Unsere Politiker nimmt man ohnehin gar nicht mehr ernst.

sueddeutsche.de: Satire braucht also eine seriöse Vorlage?

Walulis: Ja, sie funktioniert umso besser, je ernster die Vorlage genommen wird. Sonst macht es auch weniger Spaß. Wenn die Person von sich aus lustig und selbstironisch ist, funktioniert das nicht so gut. Am wichtigsten ist allerdings: Das Thema muss bekannt sein. Man kann die geistreichsten Witze über irgendwelche unbekannten Social-Media-Plattformen machen. Wenn sie keiner kennt, funktionieren sie nicht. Dann lieber eine Parodie auf Facebook.

sueddeutsche.de: Ihre aktuelle Sendung war von vornherein auf vier Folgen begrenzt. Sind nach dem Erfolg im Netz weitere Episoden in Planung?

Walulis: Es wäre dämlich gewesen, gleich zehn Folgen zu machen und dann wird einem nach der ersten das Haus niedergebrannt, weil die Leute es so grausam finden. Material für weitere Folgen gäbe es allerdings genug, mal schauen, was wir daraus machen. Ansonsten ... wäre da noch ... die Sache mit der Weltherrschaft. Aber das ist noch nicht spruchreif.

"Walulis sieht fern", noch bis 4.1.2012 Donnerstagabend, 00:40 Uhr auf Tele 5

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