Pay-TV-Sender Sky:Ein klitzekleines Kommunikationsproblem

Gute Nachrichten in unguter Finanzlage: Die Aktie auf Rekordtief, der Chef in einem Motivationshoch. Sky sucht eine neue Kommunikationspolitik.

Stephan Seiler

Als Sky-Mitarbeiter schaut man in diesen Tagen wieder häufiger auf das Zahlenwerk des Unternehmens. Der Abonnentenstamm will sich nicht ausweiten, die Aktie ist auf ein Rekordtief gefallen. Schlechte Stimmung also?

Fernsehsender 'Sky'

Neue Kommunikationsoffensive beim angeschlagenen Privatsender Sky.

(Foto: ag.ddp)

Vermutlich. Dagegen steht allerdings die chronische Zuversicht des Vorstandsvorsitzenden Brian Sullivan, der den mit 2,5 Millionen Kunden größten deutschen Pay-TV-Anbieter profitabel machen will - nach 20 Jahren dauernder Verluste. Dem Amerikaner fallen immer wieder Ideen ein, wie das gelingen könnte. Selbst internen Zweiflern fällt es schwer, sich dem Optimismus des Chefs zu entziehen.

So sind viele der 1300 Sky-Mitarbeiter hin- und hergerissen zwischen Verzagtheit und Aufbruch. Zum Beispiel die Pressestelle. Selbst, wenn einmal etwas passiert, das eine Story ist, kommt offenbar kaum Begeisterung auf. So in der vergangenen Woche: Da hatte der Geschäftsführer der deutschen MTV-Gruppe verkündet, dass der bislang frei empfangbare Kanal MTV in eine Pay-TV-Station umgewandelt wird.

Für viele Zuschauer wird der ehemalige Musiksender von Januar an nur noch mit einer Smartkarte von Sky zu sehen sein. Für die Branche hat so ein Schritt immer Signalwirkung. Ein neues Angebot ergänzt die mehr als 60 Sender zählende Programmliste Skys. Die Pressestelle teilt leidenschaftslos mit: "Die neue Strategie ist eine Entscheidung von MTV. Unsererseits" sei nur geplant, dass der neue Sender MTV den bisherigen Sender MTV Entertainment ersetze, der im Dezember eingestellt wird. Die Anzahl der angebotenen Programme werde dadurch auf keinen Fall erhöht, nur damit das klar sei.

Eigenwerbung klingt anders. Selbstbewusstsein vermutlich auch.

Tatsächlich setzen gerade viele Fernsehkonzerne auf Pay TV. Die RTL-Gruppe und der Konzern Pro Sieben Sat1 kündigten an, neue Bezahlsender zu starten, um sich von den Schwankungen im Werbemarkt unabhängiger zu machen. Möglicherweise folgen bald schon weitere Free-TV-Sender. Das alles könnte Sky stärken. Aber so recht weiß man in der Sky-Zentrale in Unterföhring bei München mit dieser Entwicklung noch nichts anzufangen. Was aber auch daran liegen könnte, dass gerade erst ein neuer Leiter der Unternehmenskommunikation installiert worden ist.

Siebte Kapitalerhöhung ein Flop

Leicht wird es der neue Chef-Sprecher, Wolfram Winter, nicht haben, obwohl Winter das Pay TV kennt. Acht Jahre leitete er die Bezahlsender von NBC Universal, seit drei Jahren ist er bei Sky. Zuletzt verantwortete er die Distributionsabteilung, verhandelte alle Deals mit den Kabelnetzbetreibern.

Hohes Tempo

Die insgesamt siebte Kapitalerhöhung ist ein Flop. Nur 169 von 270 Millionen Aktien wurden verkauft. Eigentlich wollte Sky durch die Ausgabe neuer Aktien 340 Millionen Euro einnehmen. Es wurden 177,4 Millionen Euro. Die fehlende Summe will News Corp seiner Tochter leihen. Der Anteil des Mutterkonzerns an Sky erhöhte sich nach der Kapitalerhöhung auf 49,9 Prozent.

Musste einen die Zurückhaltung der Aktienanalysten überraschen? Nein. Warum soll man eine Aktie für 1,05 Euro zeichnen, wenn sich der Börsenkurs unterhalb der Ein-Euro-Marke eingependelt hat. Erst kürzlich sagte ein Sky-Manager im kleinen Kreis, dass es das Beste wäre, Sky ganz von der Börse zu nehmen. Gemäß Aktienrecht alle drei Monate Zahlen veröffentlichen zu müssen, sei eine Qual, vor allem, wenn das Geschäft nur langsam wachse. "Was wir gerade tun, ist, als würden wir einen Düsenjet während des Flugs reparieren", so der Manager leise.

Brian Sullivan, der Pilot des Jets, hat eine Antwort im Kampf gegen die schlechten Nachrichten gefunden: gute Nachrichten. 20 Projekte schob Sullivan in den vergangenen Wochen an. Sie alle sollen in den kommenden Monaten Marktreife erzielen, um möglichst schnell 400.000 neuen Abonnenten zu locken, die das Unternehmen braucht, um angeblich die Gewinnschwelle zu erreichen. Dem Vernehmen nach sollen Abonnenten künftig kostenlos Zugriff auf eine Online-Mediathek mit Filmen und Serien erhalten. Auch Kooperationen mit Kabelnetzbetreibern gehören dazu. Und wie die Sportprogramme, sollen künftig alle zehn Filmsender auf dem iPad zu empfangen sein.

Sullivan erhöht die Geschwindigkeit. Nach nur wenigen Wochen Vorbereitungszeit startete er gerade den ersten deutschen 3D-Sender. Gezeigt werden sollen dort das DFB-Pokal-Spiel FC Bayern gegen Werder Bremen, ein Konzert der deutschen Band Die Fantastischen Vier und der Blockbuster Final Destination 4. Beinahe monatlich gehen neue hochauflösende TV-Kanäle auf Sendung, zuletzt Sky Cinema Hits HD. Von Ende Oktober an zeigt der Sportkanal ESPN America HD Football-Spiele gestochen scharf - und exklusiv. Vorausgegangen waren intensive Verhandlungen mit dem amerikanischen Sender. Bis Weihnachten sollen eine HD-Version des Pay-per-View-Dienstes Sky Select und ein weiterer HD-Dokusender starten.

Wie hoch Sullivans Tempo ist, erfuhr die Sportredaktion Anfang September. Das ZDF hatte erklärt, das Sportstudio an Samstagen künftig erst um 23 Uhr auszustrahlen. Prompt stellte Sky binnen 14Tagen ein eigenes Pendant auf die Beine. Seit zwei Wochen bietet Samstag Live! nach dem Bundesliga-Topspiel zwei Stunden sportliche Samstagabendunterhaltung. Bundesliga-Analysen wechseln sich mit Quiz-Runden ab, in denen beispielsweise Studiogast Oliver Bierhoff die Frisur von Paul Breitner erraten muss.

Hoffnungen in neuen Sprecher

Eine Entdeckung ist Moderator Simon Südel, der kompetent durchs Programm führt und meist die richtigen Fragen stellt, im Gegensatz zur Co-Moderatorin Jessica Kastrop. Die Sendung hat Zukunft. Sie soll nebenbei zeigen, dass es Sky unter Programmmacher Sullivan inhaltlich ernst meint. In der vergangenen Woche waren Sky-Leute auf Europas größter Fernsehmesse in Cannes, der Mipcom. Das waren sie zwar auch in den vergangenen Jahren, aber nun durften sie endlich wieder das tun, wozu die Programmhandelsmesse eigentlich da ist: nach neuen Unterhaltungsformaten und Programmen Ausschau halten.

Die Sky-Manager suchen sehr nach einem Alleinstellungsmerkmal. Kinofilme, Bundesliga und Champions League gibt es anderswo ebenfalls zu sehen, im Free-TV oder bei konkurrierenden Pay-TV-Anbietern wie der Telekom. Auch deshalb prüft Sportvorstand Carsten Schmidt, ob er den auslaufenden Vertrag mit der Formel 1 verlängert. Geschätzte 27 Millionen Euro zahlt Sky jährlich an die FIA, obwohl RTL alle Rennen parallel und unverschlüsselt ausstrahlt. Für diese Summe ließe sich eine Menge exklusiver Inhalte herstellen oder einkaufen, sagt einer von Sky.

Dass gute Unterhaltung nicht teuer sein muss, bewies Sky-Vorgänger Premiere in den 90er Jahren mit Formaten wie Kalkofes Mattscheibe. Zwar möchte Sullivan noch keinen Flaggschiffsender unter dem Namen "Sky Eins" starten, wie er noch im Frühjahr plante. Unterhaltungsshows könnten aber auch auf Sky Cinema laufen, ist zu hören. Und Sullivan soll auf Nachrichten setzen, um das Geschäft voranzubringen. Das wäre dann erstaunlich.

Viel, so ist zu hören, hänge jetzt vom neuen Konzernsprecher ab, der die gute Vorstandsarbeit offensiver verkaufen müsse. Vor zwei Jahren meinte Winter in einem Interview mit dem Branchendienst DWDL, dass der mäßige Erfolg des Pay TV in Deutschland nicht etwa an mäßigen Pay-TV-Angeboten liege: "Das Problem", führte Winter knapp aus, "liegt in der Kommunikation."

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