Olympia in ARD und ZDF:Eiskunstlauf schlägt FC Bayern

Olympische Winterspiele Sotschi 2014; Olympische Winterspiele 2014

ZDF-Moderator Rudi Cerne im Studio im Olympiapark von Sotschi.

(Foto: ZDF / Kai-Uwe Wärner)

Die Öffentlich-Rechtlichen betreiben für ihre Übertragungen aus Sotschi einen immensen Aufwand. Aber lohnt der sich überhaupt? Und was kostet das alles? Die wichtigsten Fragen und Antworten zur Olympia-Berichterstattung von ARD und ZDF.

Von Matthias Kohlmaier

2014 ist ein traumhaftes Jahr für ARD und ZDF. Erst die Olympischen Winterspiele in Sotschi, später die Fußballweltmeisterschaft in Brasilien - bezogen auf die für die öffentlich-rechtlichen Sender noch immer viel zu relevanten Einschaltquoten und Marktanteile kann überhaupt nichts schiefgehen. Ob Markus Lanz mit Wetten, dass..? nun ein paar Millionen Zuschauer verliert oder die ARD-Tatorte Fans einbüßen wird am Jahresende kaum Einfluss auf den Gesamt-Quoten-Durchschnitt haben. Und ARD und ZDF werden wieder für sich in Anspruch nehmen, Programm für die Mehrheit der Bevölkerung gemacht zu haben.

Aber wollen die Zuschauer das überhaupt? Und wer guckt eigentlich die Olympischen Winterspiele? Boykottieren die deutschen TV-Konsumenten die umstrittenen "Putin-Spiele" tatsächlich, wie das vor Beginn oftmals prognostiziert worden war? Wie viele Mitarbeiter haben ARD und ZDF in Sotschi und welche Kosten entstehen durch die zweieinhalbwöchige Dauerberichterstattung aus Russland? Fragen über Fragen.

Personal

Im Presseheft, das ARD und ZDF vor den Spielen herausgegeben haben, ist fast in jedem zweiten Satz von "Synergien" die Rede. Kosten und Personal wolle man sparen, ergo keine Rundfunkbeiträge verschwenden. Daher sind ARD und ZDF mit insgesamt 450 Mitarbeitern vor Ort, "ein kompaktes Team", wie sie selbst finden. Laut einem ZDF-Pressesprecher verteilen sich die Kollegen vor Ort "etwa halbe-halbe" auf die beiden Sendeanstalten, "wobei bei der ARD noch einige Hörfunkkollegen dazukommen".

Ist das nun viel oder wenig? Ein kleiner Vergleich wirkt da erhellend: Obwohl der US-Sender NBC ein aus deutscher Perspektive recht seltsames Sendekonzept mit einer Zusammenfassung zur Primetime und wenig Live-Berichten verfolgt, haben die Amerikaner laut NBC-Vizepräsident David Mazza während der Spiele etwa 2800 Mitarbeiter vor Ort. Dazu kommen noch "rund 100 Helfer, Fahrer, Köche und so weiter". Daneben wirkt das deutsche TV-Kontingent geradezu schmal und entsprechend kostengünstig.

Eine Menge bewegter Bilder produzieren ARD und ZDF dennoch. Jeweils 120 Stunden beträgt das Sendevolumen beider Sender allein im Hauptprogramm, macht insgesamt 240 Stunden Sportfernsehen während der siebzehntägigen Spiele. Dazukommen etwa 500 Stunden senderübergreifendes Online-Angebot, das aus Livestreams, Highlight-Clips und Tageszusammenfassungen besteht.

Kosten

Etwa 110 Millionen Euro haben ARD und ZDF laut Schätzungen verschiedener Experten für die TV-Übertragungsrechte bei den Olympischen Spielen in Sotschi 2014 und Rio 2016 bezahlt. Wie teuer die Rechte wirklich waren, darauf wollte keine der beiden Sendeanstalten auf Anfrage eine Auskunft geben. Das ZDF ließ immerhin wissen, dass sich die Produktionskosten für sämtliche TV- und Online-Inhalte auf "unter zehn Millionen" Euro für die Spiele in Sotschi belaufen. Die ARD machte auch hierzu keine Angaben.

Beim Thema Kostensenkung gibt es bei ARD und ZDF eine sehr offensichtliche Neuerung, die weniger auf personelle denn auf logistische Synergien abzielt. Mit dem Panoramastudio im Olympiapark nutzen ARD und ZDF erstmals ein gemeinsames Studio. Was für die Beteiligten auch keine allzu große Schwierigkeit sein dürfte, berichten ARD (mit Gerhard Delling und Michael Antwerpes) und ZDF (Katrin Müller-Hohenstein und Rudi Cerne) doch im Wechsel aus Sotschi.

Wer soll das alles gucken?

Zuschauer

Bleibt die Frage: Wer soll und will das alles gucken? Media Strategic Insight, die Forschungsabteilung der Mediaplus Gruppe, hat, basierend auf Analysen der vergangenen Olympischen (Winter-)Spiele, diverse Daten zum durchschnittlichen Olympia-TV-Konsumenten ermittelt. Der ist vorwiegend männlich, von Haus aus sportbegeistert und mindestens 50 Jahre alt. Sind diese Daten noch recht erwartbar, wird es bei der sonstigen Mediennutzung der Olympiainteressierten schon spannender.

Sie sehen auch außerhalb der Winterspiele hauptsächlich das Programm der öffentlich-rechtlichen Sender und informieren sich ansonsten vorwiegend in Printmedien (insbesondere Tageszeitungen und Publikumszeitschriften). ARD und ZDF dürfte diese Studie wenig erfreuen, besagt sie doch, dass die beiden Sender mit ihrer Olympiaberichterstattung weder ein neues Publikum erschließen noch viele junge Zuschauer anlocken können.

Quoten

Olympia macht aus Quotensicht derzeit alles nieder, selbst den FC Bayern. Am vergangenen Mittwoch überrannten die Münchner im Viertelfinale des DFB-Pokals den Hamburger SV, 7,1 Millionen Fernsehzuschauer waren live dabei. An einem gewöhnlichen Wochentag bedeutet das den deutlichen Quoten-Tagessieg für die ARD, nicht aber während Olympia. Die Kür im Paarlauf der Eiskunstläufer nämlich verfolgten am Vorabend im ZDF gar 7,21 Millionen Menschen.

Kurzum: Das Interesse an den Winterspielen ist im deutschen Publikum riesig. Die Kollegen der dpa haben errechnet, dass allein in der ersten Woche von Sotschi 50,9 Millionen Menschen die Spiele im deutschen Fernsehen verfolgten. Für die ARD bedeutete das einen durchschnittlichen Marktanteil von etwa 27 für das ZDF von fast 28 Prozent. Die Zahlen einzelner Ereignisse sind noch beeindruckender: 9,21 Millionen Zuschauer waren live dabei, als Felix Loch Gold im Rodeln gewann. Ein Zuspruch, vergleichbar mit einer Tatort-Erstausstrahlung zur sonntäglichen Primetime.

Quintessenz

ARD und ZDF haben also offenbar mit dem großem finanziellen wie auch logistischen Aufwand alles richtig gemacht. Viele Gebührenzahler (also solche, die einen Fernseher besitzen und gelegentlich auch einschalten) wollen die Spiele sehen, und zwar auch in diesem großen programmlichen Umfang.

Das bedeutet freilich im Umkehrschluss: Von einem Boykott kann nicht im Ansatz die Rede sein. Wie so häufig in den vergangenen Jahren war das Geschrei um die fragwürdige Behandlung von Menschenrechten im Gastgeberland vor dem Ereignis groß, wenn es dann aber um Gold für Deutschland geht, schalten viele doch den Fernseher an.

"Die Faszination Olympia lebt auch in Sotschi", äußerte sich ZDF-Sportchef Dieter Gruschwitz zum Thema. "Der deutsche Fernsehzuschauer und die User der Online-Angebote des ZDF zeigen ein großes Interesse an der Berichterstattung über die Spiele in Russland, das wir so nicht erwartet haben. Sie können offenbar trennen zwischen der schwierigen Gesamtsituation der Spiele in Sotschi und ihrer sportlichen Attraktivität."

Das können sie wohl tatsächlich. Ob man das gut findet, hängt gewiss vom Blickwinkel ab.

Anmerkung vom Donnerstag, 20.02., 11.30 Uhr:

Der bei der Olympia-Berichterstattung im Ersten federführende BR hat bezüglich der Kosten mittlerweile fogendes mitgeteilt:

"Insgesamt belaufen sich die Produktionskosten auf rund 10 Millionen Euro für Fernsehen, Hörfunk und Online. Es sind damit die am günstigsten produzierten Winterspiele der ARD seit mindestens 25 Jahren. Die Kosten für die Sportübertragungen reduzieren sich gegenüber 2006 in Turin um zwei Millionen Euro, gegenüber Vancouver 2010 um rund fünf Millionen. ARD und ZDF haben insgesamt die Produktions- und Redaktionskosten um rund 30 Prozent verringert."

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