Öffentlich-rechtlicher Rundfunk:Rundfunkbeitrag vor Gericht

Muss ein Bürger für etwas zahlen, das er nicht will und nicht nutzt? Am Mittwoch verhandelt das Bundesverwaltungsgericht über den Rundfunkbeitrag.

Analyse von Wolfgang Janisch

Bisher ist die Sache mit dem nun nicht mehr ganz neuen Rundfunkbeitrag für die öffentlich-rechtlichen Sender ja gut gelaufen, finanziell wie juristisch. Schätzungsweise fast 1,6 Milliarden Euro zusätzlich wird der pro Wohnung und nicht mehr pro Gerät erhobene Beitrag für die ersten vier Jahre bis Ende 2016 einbringen.

Zwar hat die Reform den Sendern eine ganze Reihe von Klagen eingetragen, von angeblich nicht fernsehenden Bürgern, die dem Gebührenzwang nicht mehr entrinnen können, sowie von Unternehmern, denen die gestaffelten Beiträge für Betriebsstätten und Fuhrparks zu teuer sind. Doch auch vor Gericht ist der Saldo aus Sendersicht positiv. 35 Verwaltungsgerichte, fünf Oberverwaltungsgerichte, zwei Landesverfassungsgerichte - bisher habe man alles gewonnen, sagt Hermann Eicher, Justiziar des Südwestrundfunks.

All das könnte schon in dieser Woche hinfällig sein. Am Mittwoch verhandelt das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig über mehrere Klagen gegen den Westdeutschen und den Bayerischen Rundfunk. Und weil Prozesse keine Vorwahlen sind, bei denen sich Delegiertenstimmen für den Gesamtsieg sammeln lassen, stehen die Sender im Streit um die Rechtmäßigkeit der ungeliebten Beiträge wieder bei Null.

Abgabe oder Steuer?

Insgesamt drei Verfahrenskomplexe sind beim Bundesverwaltungsgericht anhängig, darunter die Klagen von Unternehmen wie dem Autovermieter Sixt, über die wohl im Herbst verhandelt wird. Nun jedoch, im ersten Durchgang, geht es um den ganz normalen Gebührenzahler - und damit um die zentrale Frage: Muss ein Bürger einen Beitrag für etwas zahlen, das er nicht will und nicht nutzt?

Das Argument der Kritiker lautet: Was hier als Beitrag daherkomme, sei in Wahrheit eine Steuer, die alle treffe; die Länder hätten dafür keine Zuständigkeit. Auf den ersten Blick hat dieser Vorwurf eine gewisse Plausibilität. Eine "Gebühr" oder ein "Beitrag", das ist etwas, das an eine Gegenleistung anknüpft und deren Kosten decken soll. Eine Abgabe also, die nur von der Gruppe zu zahlen ist, die davon profitiert, anders als die Steuer, aus deren Ertrag die allgemeinen Lasten des Gemeinwesens getragen werden. Weil aber der Rundfunkbeitrag nun mal von allen Wohnungsinhaber zu zahlen ist, kann man schon fragen: Riecht das nicht nach einer Steuer für die allgemeine kulturelle Infrastruktur "öffentlich-rechtlicher Rundfunk"?

In den bisherigen Urteilen wurde das durchweg anders gesehen, zum Beispiel beim Bayerischen Verfassungsgerichtshof und beim OVG Münster. Sie stufen den Rundfunkbeitrag als "nichtsteuerliche Abgabe" ein: "Diese wird nicht voraussetzungslos erhoben, sondern ist als Gegenleistung für das Programmangebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks konzipiert, was ihre echte Beitragseigenschaft ausmacht", schreibt das OVG.

Schon früher musste auch der zahlen, der ARD und ZDF mied

Die Gegenleistung ist also das "Angebot", und zwar auch dann, wenn es nicht angenommen wird. Das könnte sich als zugkräftiges Argument erweisen, weil das Bundesverfassungsgericht die öffentlich-rechtliche Rundfunkordnung in vielen Urteilen bestätigt hat: Sie sei ein Garant der Meinungsvielfalt, der (wenigstens in der verfassungsrechtlichen Theorie) unabhängig von Einschaltquoten ist. In seinem Urteil von 1994 schreibt das Karlsruher Gericht: "Die dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk gemäße Art der Finanzierung ist danach die Gebührenfinanzierung."

Karlsruhe hat den öffentlich-rechtlichen Rundfunk gleichsam heiliggesprochen, inklusive Gebührenfinanzierung - und dort wird nach der Runde vor dem Bundesverwaltungsgericht voraussichtlich die abschließende Entscheidung gefällt. Das schließt nicht aus, dass die Richter die geänderte Finanzierungsform gleichwohl kritisch sehen könnten. Andererseits musste schon früher auch der zahlen, der ARD und ZDF mied: Die Gebühr wurde pro Gerät erhoben, und zwar auch dann, wenn der Nutzer sich ausschließlich bei den privaten Sendern bediente.

Aus öffentlich-rechtlicher Sicht ist die Wohnungsabgabe ohnehin die kaum vermeidbare Konsequenz der technologischen Entwicklung. Ob jemand über Computer, Tablets oder Smartphones verfügt, mit dem er Tagesschau oder heute-journal empfangen kann, lässt sich in Zeiten mobiler Empfangstechnik nicht mehr verifizieren - die GEZ-Kontrolleure, die einst nach wuchtigen Fernseh-Monstern Ausschau hielten, wären in der kleinteiligen Gerätewelt machtlos. Empfangsgeräte seien inzwischen nahezu flächendeckend verbreitet, schrieb der bayerische Verfassungsgerichtshof: "Aufgrund ihrer Vielgestaltigkeit und Mobilität ist es zudem nahezu ausgeschlossen, das Bereithalten solcher Geräte in einem Massenverfahren in praktikabler Weise und ohne unverhältnismäßigen Eingriff in die Privatsphäre verlässlich festzustellen."

Eine Rückkehr zur Geräteabgabe wäre aus Gründen der Gerechtigkeit kaum praktikabel

Letztlich, so argumentiert Eicher, wäre eine Rückkehr zur Geräteabgabe auch aus Gründen der Gerechtigkeit kaum praktikabel. Denn sie würde diejenigen begünstigen, die man früher "Schwarzseher" nannte. Die neue Beitragserhebung beuge Umgehungen vor, schreibt auch das bayerische Verfassungsgericht: "Sie verhindert damit eine Benachteiligung der Rechtstreuen und dient einer größeren Abgabengerechtigkeit."

Übrigens hat das Bundesverwaltungsgericht genau dieses Problem bereits selbst einmal thematisiert, als die Richter 2010 über die PC-Gebühr entschieden: Die potenziell große Zahl internetfähiger PC könne "zum Problem für die Einlösung der Abgabengerechtigkeit und somit zur Rechtmäßigkeitsfrage" werden. Der Gesetzgeber müsse das Schwarzseher-Problem genau beobachten.

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