Öffentlich-Rechtliche:Macht und Meinung

In der Schweiz sind die Rundfunkgebühren ähnlich umstritten wie in Deutschland. Im Nachbarland soll nun bald über eine Abschaffung abgestimmt werden - bei der Sendeanstalt SRG geht schon jetzt die Angst um.

Von Charlotte Theile

451 Franken, etwas weniger als 400 Euro. Diese Summe bezahlt ein normaler Schweizer Haushalt jedes Jahr an den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Die Billag, die im Wesentlichen funktioniert wie früher die deutsche GEZ vor der Einführung der Haushaltsabgabe, ist mäßig beliebt. Ähnlich wie in Deutschland ist von Zwangsgebühren die Rede, und die Kontrolleure, die klingeln und nach Empfangsgeräten suchen, ziehen Unmut auf sich. Bald haben die Schweizer nun die Möglichkeit, die Gebühren abzuschaffen. Ein Komitee aus jungen Politikern, die vor allem aus der Jugendorganisation der rechtskonservativen Schweizerischen Volkspartei (SVP) stammen, hat dafür gesorgt, dass das Land 2018 oder 2019 über einen radikalen Vorschlag abstimmen wird. Er heißt "No Billag".

Bei der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft SRG geht seither die Angst um. Ohne die Gebühren der Haushalte müssten das öffentliche Radio und Fernsehen den Betrieb einstellen, davon sind die betroffenen Sender überzeugt. Und nicht nur sie: Der Verein "Nein zum Sendeschluss" bekämpft die No-Billag-Initiative, die vergangene Woche im Berner Nationalrat diskutiert wurde, vehement. Auch in Bern kommt der Vorstoß nicht gut an: Der "Gegenvorschlag" der SVP, der die Gebühren nicht abschaffen, aber halbieren wollte, konnte sich im Nationalrat nicht durchsetzen. Die Bürger werden jetzt also nur eine Wahl haben: Entweder sie stimmen für oder sie stimmen gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk.

Profitieren könnte mal wieder SVP-Mann Christoph Blocher

Argumente für die SRG gibt es einige. Eines der stärksten ist das viersprachige Angebot, das die Öffentlich-Rechtlichen den Bürgern mit zahlreichen Lokalsendern machen. Dass sich Programme, die nur für eine Minderheit wie die Rätoromanen im Kanton Graubünden zugeschnitten sind, kaum rechnen können, ist nachvollziehbar. Dass sie für den Zusammenhalt der Schweiz wichtig sind, ebenso.

Wann immer über den sogenannten "Service public" diskutiert wird, steht die politische Ausrichtung der nationalen Radio-und Fernsehprogramme zur Diskussion. Die SVP wirft den Journalisten der SRG vor, Stimmung gegen die Rechtskonservativen zu machen. Bei der Debatte im Nationalrat schimpften Abgeordnete der SVP über eine "gelenkte Demokratie" und das Fernsehen als "gebührenfinanzierte Meinungsmacherin". Viele andere Politiker dagegen verteidigten die SRG. Das Haus sei um politische Ausgewogenheit bemüht und stelle, ganz im Gegenteil,einen Schutz gegen Meinungsmache dar. Ein Abgeordneter der Sozialdemokraten (SP) warnte vor der "Berlusconisierung" der Schweiz - und zielte damit auf Medienunternehmer Christoph Blocher, der erst dieses Jahr wieder die Hoheit über zahlreiche Gratisblätter im Land erworben hatte und mit Weltwoche und Basler Zeitung große Publikationen hinter sich weiß. Ohne öffentlich-rechtliche Medien sei die Meinungsvielfalt der Schweiz in Gefahr, findet die SP - und ging vor einigen Wochen sogar noch weiter. Es brauche nicht nur öffentlich-rechtliche Sender, sondern auch öffentlich-rechtliche Zeitungen, heißt es in einem Papier der Partei. Bei der SRG selbst ist man derweil zunehmend nervös. Aus Angst, der No-Billag-Initiative Argumente zu liefern, sollen es Beiträge, die der SVP missfallen könnten, schwerer haben als je zuvor.

Es ist bereits die zweite Abstimmung in wenigen Jahren, die die Sender in Aufregung versetzt - 2015 war die Umstellung auf eine Haushaltsabgabe für 2019 beschlossen worden. Damals setzte sich die Position der SRG mit nur 3700 Stimmen Vorsprung durch.

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