Nuschler und Flachbildfernseher:Hände hoch, oder ich schiebe!

Tatort "Fegefeuer" mit Til Schweiger

Manchem Zuschauer fällt es schwer, den Worten von Kommissar Tschiller im Tatort zu folgen. Dass Til Schweiger manchmal nuschelt, ist nur eine von mehreren Ursachen.

(Foto: NDR/Gordon Timpen)

Immer wieder beschweren sich Zuschauer über die mangelnde Tonqualität bei "Tatort" und "Polizeiruf 110". Warum Fernsehkrimis häufig so schlecht zu verstehen sind.

Von Carolin Gasteiger

Bei Til Schweiger gehört Nuscheln zum schauspielerischen Standardrepertoire, er zählt zu den Tatort -Kommissaren, die man am schlechtesten versteht. Sein Nuscheln ist aber nur eine Ausprägung eines schon lange anhaltenden Problems: des schlechten Tons in den ARD-Krimis.

Immer wieder beschweren sich Zuschauer über die mangelnde Tonqualität. Beim Weimarer Tatort "Der irre Iwan" etwa verstand man die Kommissare Nora Tschirner und Christian Ulmen so schlecht, dass Letzterer sich hinterher auf Facebook für den schlechten Ton entschuldigte (wenn auch nicht für sein Nuscheln). Liest man die Twitter-Beiträge zu den vergangenen ARD-Krimis, so fielen auch der Freiburger Tatort "Fünf Minuten Himmel" oder der jüngste Polizeiruf "Endstation" tontechnisch beim Publikum durch.

Dass Zuschauer den Tatort schlecht verstehen, kann mehrere Ursachen haben. Auf Anfrage teilt die ARD mit, diese reichten "von den persönlichen Gehöreigenschaften über die technische Ausstattung bis hin zu den akustischen Gegebenheiten des Raums". Der Verweis auf "persönliche Gehöreigenschaften" - also den vergleichsweise hohen Altersdurchschnitt des Publikums - ist naheliegend: Wer schon im Alltag schlecht hört, tut sich auch beim Tatort schwer. Aber schwerhörige Senioren sind nicht diejenigen, die sich im Netz beschweren. Warum also hapert es am Ton?

Tatorte und Polizeirufe - nicht nur die Fälle von Til Schweiger - nähern sich immer mehr Kinoproduktionen an, auch was den Sound betrifft. Nicht berücksichtigt wird dabei, dass die meisten Zuschauer die ARD-Krimis eben nicht im Kino, sondern zu Hause sehen. Und dort reicht die Bandbreite der Endgeräte vom modernen Flachbildfernseher über alte Röhrengeräte bis hin zu Laptop oder gar Handy. Was auf der Soundanlage im Kino bestens rüberkommt, kann auf dem Laptop undeutlich klingen. Den Sound für alle denkbaren Endgeräte gleichwertig aufzubereiten, ist jedoch aufwendig. Und gerade bei eng getakteten und straff budgetierten Produktionen fallen solche Nachbesserungen oft hinten runter.

Wenn die Protagonisten nicht deutlich sprechen, hilft auch der beste Klang nichts

Schicke Flachbildfernseher liefern nicht automatisch auch besseren Klang: In den Geräten ist für großformatige Lautsprecher kein Platz. Manche Zuschauer helfen mit sogenannten Soundbars nach, die an den Fernseher angeschlossen werden. "Das hilft zwar beim Klang, aber nicht bei der Verständlichkeit", sagt Ulrich Hoppe von der Audiologischen Abteilung der Universitätsklinik Erlangen, der sich mit Tonqualität im Fernsehen beschäftigt. Die Filme klängen dann zwar voluminöser, besser verständlich würden die Akteure deswegen aber nicht.

Wenn die Protagonisten nicht deutlich sprechen, hilft auch der beste Klang nichts. Das wissen auch die ARD-Verantwortlichen. Neben der technischen Konfiguration seien auch "dramaturgische Aspekte" für das akustische Ergebnis verantwortlich, teilt der Sender weiter mit. Von "authentisch-umgangssprachlichen Dialogen" ist die Rede, von "realistischen Milieuschilderungen" und "dialektgefärbten Gesprächen".

Hoppe findet, dass die Akteure immer undeutlicher sprechen. "Anscheinend wird da nicht mehr so viel Wert drauf gelegt." Beim Sender heißt es: "Wenn Regisseure wie im Theater sprechen lassen, sind die Dialoge zwar verständlicher, dafür leidet unter Umständen die Glaubwürdigkeit der Inszenierung." Wie Dialoge gestaltet würden, sei Ausdruck künstlerischer Freiheit. Das kann aber auch schiefgehen. Im Münchner Polizeiruf "Der Tod macht Engel aus uns allen" aus dem Jahr 2013 waren die Schauspieler kaum zu verstehen. Der Bayerische Rundfunk rechtfertigte die Tonprobleme so: Die Schauspieler hätten ohne konkrete Vorgaben "ihren improvisatorischen Spielimpulsen spontaner folgen" können. Allerdings mussten Ton und Kamera entsprechend spontan reagieren. Als Lösung empfiehlt Tonexperte Hoppe, Sprach- und Musikspur getrennt abzumischen. Technisch sei das möglich. Aber die Produzenten müssten sich bewusst dafür entscheiden und von Senderseite unterstützt werden. Danach sieht es bei der ARD eher nicht aus: Dort findet man nicht, dass der Ton generell besser werden müsse.

Im jüngsten Weimarer Fall haben sich Tschirner und Ulmen offenbar zusammengerissen: Auf Twitter gab es Lob für die gute Verständlichkeit.

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