N-tv und N 24:Sie können mehr als Dokus über Pyramiden und Superschiffe

N-tv und N 24: Schwarze Blöcke: N24 kontrastierte beim G-20-Gipfel die Proteste mit der Konzertgala in der Elbphilharmonie und gewann damit viele Fans auf Twitter.

Schwarze Blöcke: N24 kontrastierte beim G-20-Gipfel die Proteste mit der Konzertgala in der Elbphilharmonie und gewann damit viele Fans auf Twitter.

(Foto: N 24)

Bei Ereignissen wie dem G-20-Gipfel schlägt die Stunde der kleinen privaten Nachrichtensender wie N-tv und N 24. Dazu brauchen sie manchmal nicht einmal einen Moderator.

Von Karoline Meta Beisel

Von Nachrichtensendungen erhoffen sich die Zuschauer Erklärung, Einordnung, einen Hinweis darauf, wie wichtig das ist, was gerade geschieht. Das gilt umso mehr, wenn es irgendwo brennt wie im Hamburger Schanzenviertel am vergangenen Wochenende. Wie also ordneten die Moderatoren des Nachrichtensenders N 24 am Freitagabend das Geschehen ein, als die G-20-Krawalle in Hamburg immer heftiger wurden? Gar nicht. Stattdessen bekamen die Zuschauer auf dem Bildschirm gleich zwei schwarze Blöcke zu sehen: Links den im Schanzenviertel, rechts den in der Elbphilharmonie, geformt aus schwarz gewandeten Orchestermusikern, die vor den Weltlenkern Beethovens Neunte spielten. Das Ganze unkommentiert, etwa eine Stunde lang.

Für eine erfolgreiche Übertragung braucht es nicht mal einen Moderator

Statt Häme ergoss sich bei Twitter ein Schwall von Liebe über den Sender. "Großes Kino!", "This is art!", "#Fernsehpreis, #goldenekamera und #grimmepreis für #n24". Einer fühlte sich gar an Stanley Kubricks Clockwork Orange erinnert, der ja auch Gewalt mit der Neunten Sinfonie unterlegte. Der passendste Tweet dürfte aber ein anderer gewesen sein: Man könne sich doch gleich für die nächsten vier Bundesligapausen um die Übertragungsrechte des G-20-Gipfels bemühen, schlug ein Nutzer vor. Das ist natürlich Blödsinn: Senderechte für politische Ereignisse werden nicht wie Fußballlizenzen meistbietend vergeben. Dennoch steckt in dem Satz Wahres: Mit Ereignissen wie dem G-20-Gipfel erreichen die Nachrichtensender N 24 und N-tv regelmäßig Spitzenquoten - und zwar offenbar selbst dann, wenn kein Moderator im Studio steht.

An normalen Tagen, an denen sich Nachrichtensendungen mit eher belanglosen Dokus über die Pyramiden oder Superschiffe wie die "Abrissbirne der Meere" abwechseln, erreichen N-tv und N 24 ein eher kleines Publikum. Sobald irgendwo auf der Welt aber etwas Großes passiert, schnellen die Zahlen sofort in die Höhe. Die meisten Zuschauer hatten beide Sender bislang mit der Fukushima-Berichterstattung im März 2011; am G-20-Freitag schalteten bei N-tv insgesamt mehr als sieben Millionen Zuschauer ein. Das unkommentierte Konzert bei N 24 wollten knapp 250 000 Zuschauer sehen.

Den Mitarbeitern sei es durchaus bewusst, dass sie an solchen Tagen viel mehr Aufmerksamkeit bekommen als an einem normalen Freitag, sagt N-tv-Chefredakteurin Sonja Schwetje beim Redaktionsbesuch in Köln einige Wochen vor dem G-20-Gipfel. "In dem Moment hat aber keiner Zeit, sich darüber Gedanken zu machen." Das Erstaunliche: Je mehr zu tun sei, umso ruhiger bleibe es, sagt Schwetje. Sie vergleicht solche Breaking-News-Situationen mit einer Klassenarbeit in der Schule - aber im Positiven: "Da kann man zeigen, was man kann."

N-tv sendet seit 1992 und gehört zur Mediengruppe RTL, bis 2006 hielt der US-Nachrichtenkanal CNN Anteile an dem Sender. Im Jahr 2000 ging N 24 auf Sendung, der heute zur Axel Springer SE gehört. Langfristig soll er mit der Zeitung Die Welt unter einer Marke vereint werden. Den Anspruch, ein deutsches CNN zu sein, konnte man jedoch weder in Köln noch in Berlin erfüllen, was nicht nur mit knappen Budgets zu tun haben dürfte, sondern auch damit, dass das Publikum in Sachen Nachrichten öffentlich-rechtlich ja nicht schlecht versorgt ist.

Dass heute jeder seinen Internetzugang in der Hosentasche mit sich herumträgt, hat vor allem die Logistik in den Sendern vereinfacht: Wo man früher die Mitarbeiter per Telefon in den Sender rufen musste, meldeten die sich heute von selbst, weil Eilmeldungen sie oft im selben Moment erreichen wie die Kollegen in der Redaktion, sagt Schwetje: Soll ich reinkommen, kannst du mich brauchen?

Nun ist ein G-20-Gipfel kein Terroranschlag, beide Sender waren darauf eingerichtet, dass etwas passieren könnte - auch wenn man bei N 24 den G-20-Tag eigentlich nach dem Konzert beenden wollte, sagt eine Sendersprecherin. Stattdessen blieb der Sender am Freitag bis 1.20 Uhr in der Nacht auf Sendung. Aber selbst bei völlig unplanbaren Ereignissen laufe vieles automatisch ab. N24 nennt als Beispiel die Anschläge in Paris an einem Freitagabend im November 2015, als islamistische Terroristen im Bataclan-Theater und an anderen Orten 130 Menschen töteten: "Einer nimmt den Hörer in die Hand, um Flüge zu buchen. Gleichzeitig schicken wir von Berlin aus auch unsere Easylinks los, wenn es denn Sinn macht" - Übertragungswagen, die den Reportern vor Ort später die Arbeit erleichtern. Zeitgleich macht sich die Redaktion an die Arbeit, darunter auch der sogenannte "Gesprächsplaner", der Experten als Interviewpartner für die Moderatoren ausfindig macht. Im Sender gehe übrigens häufig zuerst ein Mann auf Sendung: Frauen bräuchten in der Maske einfach länger. Für Todesfälle hat jeder Moderator ein dunkles Outfit im Büro hängen.

Wie aber informiert man die Zuschauer, wenn man selbst noch nicht weiß, was los ist? Die öffentlich-rechtlichen Sender werden oft genug (und manchmal zurecht) dafür kritisiert, dass sie in solchen "Breaking News"-Situationen nicht gleich eine Sondersendung fahren; auch am Freitagabend gab es bei ARD und ZDF zwar extralange Nachrichten und Sondersendungen, aber keine durchgehende Live-Berichterstattung. Bei der privaten Konkurrenz von N24 sieht man darin kein Problem: "Das ist nicht ihr Job." Ein öffentlich-rechtlicher Nachrichtensender wird zwar nach Katastrophen und Unglücksfällen immer wieder mal gefordert, im Rundfunkstaatsvertrag ist ein solcher aber nicht vorgesehen. Die privaten Nachrichtensender profitieren davon.

N-tv kann auf Korrespondenten von RTL zugreifen, N 24 auf ein großes Netz von Freien

Für N-tv sei Stillhalten keine Option, sagt Sonja Schwetje, lieber unterbreche sie das Dokumentationsprogramm am Abend einmal zu früh als zu spät: "Wir können uns nicht wegducken und sagen: Morgen früh um neun sind wir wieder da, dann wissen wir, ob das jetzt ein Putsch gewesen ist ", sagt sie. Umso wichtiger sei es, dem Zuschauer immer wieder deutlich zu machen, was man über ein Ereignis schon sicher sagen kann - und was nicht. Könne etwa bei unklarer Sachlage ein Terroranschlag zunächst nicht ausgeschlossen werden, so wie beim Amoklauf in München, bemühe man sich, zu erklären: Was spricht dafür - was aber auch dagegen?

Als am Abend des Anschlags auf den Weihnachtsmarkt am Berliner Breitscheidplatz im Netz ein Video auftauchte, dass ein Reporter der Berliner Morgenpost am Tatort aufgenommen hatte, entschied die Redaktion, das auch zu zeigen. "Die Entscheidung muss sehr schnell fallen, damit die Zuschauer sich überhaupt zu uns wenden und sich nicht denken: Da gibt es doch ein Video, haben die davon nichts mitbekommen?" Für solche Fälle hat die Mediengruppe ein Verifizierungsteam, das Videos aus dem Netz auf ihre Echtheit überprüfen soll. Auch auf die Korrespondenten von RTL kann N-tv zugreifen. N 24 hat nur ein paar feste Mitarbeiter im Ausland, dafür aber ein großes Netz von Freien. So versuchen beide Sender auf ihre Art stets möglichst gut vorbereitet zu sein auf das, was sich nicht vorbereiten lässt.

Von der Ausstattung, auf die ARD und ZDF zurückgreifen können, ist man bei N 24 und N-tv weit entfernt, technisch wie personell. Manchmal sieht man das dem Programm auch an, in der Kritik klingt dann oft durch, da seien eben wieder die Amateure vom Privatfernsehen am Werk gewesen. Als neulich auf der A9 bei einem Busunglück 18 Menschen ums Leben kamen, verhedderte sich der Reporter von N 24 in einer Unterscheidung zwischen Freiwilliger und den "Profis" von der Berufsfeuerwehr: Er dachte, die Freiwillige Feuerwehr sei ein Amateur-Verein, die fühlte sich zurecht unterschätzt. Später musste sich der Reporter entschuldigen.

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