Neues Magazin:Baden gehen in Berlin

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Radeln in Schwarz-Weiß: Jonas Bosslet und Fahrradkurierin Lena. (Foto: rbb/arte)

Fernsehen für die Generation Y: Arte zeigt von Sonntag an "Streetphilosophy", ein junges Format mit vier Folgen in "Oh Boy"-Optik. Die Themen: philosophisch.

Von Patrick Wehner

Eigentlich kann man es nicht mehr ertragen. Dieses ewige Lamentieren, Kritisieren, Distanzieren, Verstehen und Nicht-Verstehen der sogenannten Generation Y. Es ist irgendwie schon alles über sie gesagt. Und doch nichts.

Nun bekommen jene, die in den Nullerjahren erwachsen wurden, mit Streetphilosophy eine eigene Sendung auf Arte. Jede der vier Folgen beginnt mit einer philosophischen These, zu der Moderator und Hauptdarsteller Jonas Bosslet Philosophen, Wrestler und Waldschrate an unterschiedlichen Orten in und um Berlin trifft. Er trinkt mit ihnen Bier, fährt mit ihnen im goldenen Porsche durch die Stadt, geht mit ihnen baden - sie reden über Camus, Sisyphos, über das Scheitern und das sich Anpassen. Es geht darum, dass die Generation Y eigentlich keinen Plan hat, wohin ihr Leben sie führt, bisweilen überfordert ist mit all den Freiheiten und Lebensentwürfen. Bosslet hangelt sich stellvertretend für diese Generation durch dieses Gestrüpp aus Chancen und Sackgassen.

Mit seiner manchmal rotzigen, aber immer empathischen und aufrichtigen Art, mit den Leuten zu reden, schaffen Bosslet und sein Team etwas Neues - und überraschend Rohes und Ehrliches. Eine Berliner Fahrradkurierin erzählt etwa von jenen Momenten, wenn sie in diese "Büro-Blubber-Blasen" hineinkommt, wo alle auf ihre Bildschirme starren, keiner den Kopf hebt und "Hallo" sagt. Sie sei dann sehr froh, dass sie draußen sein darf. Sie lebe frei, sagt Bosslet, müsse dafür aber auch bereit sein, sich im Winter "den Arsch abzufrieren". Das gehe halt nicht zusammen, auf Existenzialist machen und abends auf dem Sofa Popcorn futtern. In Folge zwei trifft Bosslet Mode-Rebell Carl Jakob Haupt bei dessen Vernissage, in der dieser einfache, schwarze T-Shirts zum heißen Scheiß erhebt - und die Szene ihn dafür feiert. Es ist wohltuend ehrlich, wenn Bosslet am nächsten Morgen beim Müsliessen zu Haupt sagt, "ich dachte, ihr seid affektierte Wichser, die sich einfach nur geil finden." Da wird langsam klar, dass Haupt eine Rolle spielt: eine, die eigentlich eine Persiflage auf den Modebetrieb ist.

Dass die Episoden in Oh Boy-haftem Schwarz-Weiß gefilmt wurden, dass Bosslet in einer Folge mit einer alten Ente durchs Bild fährt, dass er Bandana und Strickmütze trägt: All das wirkt in Streetphilosophy nicht narzisstisch, sondern authentisch - und sieht dabei noch gut aus.

Die beiden Journalisten Simon Hufeisen und Dominik Bretsch entwickelten die Idee zu Streetphilosophy. Hufeisen lebte mit Bosslet in einer Berliner WG, als die Idee entstand. "Jonas ging manchmal am Donnerstag aus dem Haus und kam irgendwann am Sonntag zurück. Verstrahlt, ohne Handy", erzählt Hufeisen. Jonas sei die erste Wahl gewesen. Einer, "der Berlin in der Nacht abbrennen kann." Man kann sich gut vorstellen, dass Bosslet an solchen Wochenenden alles gelernt hat, was es für diese Sendung braucht.

Manchmal wirkt das aber auch ein wenig albern. Wenn Bosslet mit einem Zauberkünstler in einem See badet, um den Existenzialismus zu erleben. Oder er bei der Haupt-Vernissage, begleitet von der Kamera, durch die Menge schreitet, um zu erfahren, wie sich Ruhm anfühlt.

Wenn die Generation Y aber tatsächlich so ist, wie sie hier gezeigt wird, dann kann man das Reden über sie vielleicht doch ertragen. Gut sogar.

Streetphilosophy , Arte, sonntags um 12.25 Uhr.

© SZ vom 14.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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