Neuer Polittalk auf Sat1: "Eins gegen Eins":Konfrontation als Prinzip

Strategische Bedeutung: Sat1 hat mit der Sendung "Eins gegen Eins" eine neue politische Talkshow. Sie könnte auf Dauer mehr sein als Hü oder Hott.

Christopher Keil

Zwischen Talk im Turm und Eins gegen Eins liegt ein großer Umweg. Talk im Turm war in den neunziger Jahren als Talkshow für politische und gesellschaftliche Themen das erfolgreiche, moderne öffentlich-rechtliche Fernsehen, Sat1 mit seinen Filmen und Serien, mit Sport und Show fast ein besseres ZDF. Die ARD setzte 1998 den von Sabine Christiansen geleiteten politischen Salon dagegen und brach das sonntägliche Talkshow-Monopol von Sat1. Talk im Turm wurde zwölf Monate später abgesetzt.

Strunz

Unaufdringlich, die Punkte sortiertend: Moderator Claus Strunz.

Es gibt eine Frage, die sich bei Eins gegen Eins, dem neuen politischen Rededuell von Sat1, grundsätzlich stellt: Gäbe es die Sendung, hätte der Konzern Pro Sieben Sat1 nicht im vergangenen Jahr seinen Nachrichtenkanal N24 verkauft mit dem Versprechen, den Informationsanteil von zum Beispiel Sat1 zwar nicht durch Nachrichten selbst zu erhöhen, aber doch anderweitig im Programm? Nein, vermutlich gäbe es die Sendung, die an diesem Montagabend erstmals zu sehen war, nicht.

Alle Versuche seit dem Ende des von Erich Böhme so markant geleiteten Talk im Turm machten deutlich, dass eine halbwegs ernste Gesprächsrunde im postmodernen Privat-TV nicht mehr ankommt. 2005 probierte es der damalige Geschäftsführer Roger Schawinski noch mit dem Talk der Woche, der von Bettina Rust geleitet wurde, die im Radio des RBB wunderbare Interviews führte und führt. Schawinski scheiterte, man muss ihm zugute halten, dass er den Wochentalk aus Überzeugung wollte.

In den mehr als zehn Jahren, die zwischen Böhme und Claus Strunz liegen, der Eins gegen Eins moderiert, ist Information immer deutlicher ein Merkmal der gebührenfinanzierten Anstalten von ARD und ZDF geworden und immer seltener im kommerziellen Fernsehen zu finden. Die Landesmedienanstalten lassen jetzt deshalb Modelle diskutieren, die privaten Programmanbietern Vorteile in Aussicht stellt, sofern sie in klassische Nachrichten- und Informationssendungen investieren.

Mehr als Hü oder Hott

Eins gegen eins schaut im Design wie eine Quizshow aus. Die Farben sind blau und rot, das Prinzip ist die Konfrontation: Zwei Gäste tragen unterschiedliche Argumente zur selben Sache vor. In der ersten Sendung waren das Außenminister Guido Westerwelle (FDP) in der blauen Ecke mit blauer Krawatte und Gabor Steingart in der roten Ecke mit rotgemusterter Krawatte. Steingart ist Chefredakteur des Handelsblatts. Es ging um die Frage: "Atom, Libyen - einmal Hü, einmal Hott: Macht Wählen noch Sinn?" Westerwelle, der Politiker, war natürlich dafür. Steingart, der Thesen formulierende Journalist, vertrat irgendwie die gegenteilige Ansicht.

Weil die Beteiligung des Studiopublikums ein prägendes Stilmittel von Eins gegen Eins ist, wurde vor der Debatte zur Frage abgestimmt und hinterher. Das Ergebnis: in beiden Fällen stimmten 80 Prozent dem Sinn von Wahlen zu. Erkenntnisse? Jedenfalls keine, die sich von der Überzeugung des einen oder anderen ableiten ließen. Dass sich Zuschauer auf die Seite derer schlagen, die ihre Meinung verstärken, ist ja bekannt.

Claus Strunz ist hauptberuflich Chefredakteur des Hamburger Abendblattes und führte die Auseinandersetzung unaufdringlich, er mischte jedenfalls nicht als dritte Meinung mit, sondern sortierte die Punkte. Die Quotenmessung erbrachte, dass die Hälfte aller, die um 22.15 Uhr Spiegel- TV bei Sat1 verfolgten, bei Eins gegen Eins blieb.

Ausgerichtet ist die 45-minütige Sendung angeblich für "etwas jüngere Männer". Die ersten Zahlen liegen auf Spartenkanalniveau mit bis zu 600.000 Zuschauern. Die Marktanteile pendeln je nach Altersuntergruppe zwischen 5,9 (14- bis 49 Jahre) und 8,7 Prozent (bei den 14- bis 29-jährigen Frauen). Das sind in etwa Werte, die Bettina Rust vor sechs Jahren erzielte.

Inhaltlich könnte Eins gegen Eins mit zunehmender Dauer mehr aus sich machen als nur Hü oder Hott. Erst einmal spricht vor allem die strategische Bedeutung für den neuen politischen Talk auf Sat1.

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