Neue Staffeln "Popstars" und "X Factor":Keine Träne

Mit der neuen Staffel "Popstars" startet auch der diesjährige Konkurrenzkampf der großen Casting-Shows. Dabei haben diese ihre besten Zeiten hinter sich. Vox versucht nun, die Sendung "X Factor" neu zu erfinden.

Hans Hoff

Wenn an diesem Donnerstag der Start der zehnten Staffel von Popstars das Programm von Pro Sieben prägt, dann wird damit auch der diesjährige Wettbewerb der großen Castingshows eröffnet. Das ist insbesondere deshalb interessant, weil fast alle Sendungen dieses Genres mit rückläufigen Zuschauerzahlen zu kämpfen haben.

Jury der dritten 'X Factor'-Staffel

Die Jury der dritten "X Factor"-Staffel: H.P. Baxxter (hinten l),  Sarah Connor (vorne l), Sandra Nasic (vorne r) und Moses Pelham (hinten r) am 3. Juli 2012 in Düsseldorf während einer Pressepräsentation des Privatsenders Vox.

(Foto: dpa)

Das gilt für RTLs Deutschland sucht den Superstar ebenso wie für Das Supertalent, wo demnächst Thomas Gottschalk das Interesse der Zuschauer befeuern soll. Selbst beim Format The Voice of Germany, das anfangs mit dem Prinzip der Blind Auditions (die Juroren sehen den Bewerber nicht, sondern hören nur seine Stimme) für eine Quotenüberraschung sorgte, bröckelte die Begeisterung im Verlauf der Staffel merklich. Es geht also für die eine oder andere Castingshow ums Überleben, denn ein Zuviel des Gleichen hat der Zuschauer ganz offensichtlich satt.

Pro Sieben wirbt schon recht markig. "Die einzige Show, die Popstars macht, kehrt zurück", heißt es im Trailer, und man sieht eine Riege von bisherigen Popstars-Gewinnern, die nun über die Neubewerber urteilen sollen, selbst aber nicht wie das ganz große Karriereversprechen aussehen. Mehrheitlich taugen sie noch für Boulevardgeschichten, in den Charts brillieren sie kaum.

Nicht mit allzu viel Schwung auf die Goldwaage knallen

Da wirkt es fast wie das Einläuten eines Gegentrends, wenn Vox sich zum im August anstehenden Start der dritten Staffel von X Factor eher leise und verhalten äußert. "Wir arbeiten sehr dokumentarisch bei der Produktion", sagt Kai Sturm. Der Vox-Chefredakteur mag nicht mehr die Kamera, die den Kandidaten mit grellem Licht auf die Pelle rückt. Er will auch keine tränenreichen Schicksalsgeschichten mehr erzählen, sondern sich aufs Wesentliche konzentrieren. "Die Geschichten werden sich sehr aus der Musik nähren", verspricht er und weiß natürlich, dass es in Zeiten von Scripted Reality ein Wagnis darstellt, die Dinge nicht zu steuern. "Wir gehen total ins Risiko, aber ich gehe dieses Risiko gern ein", sagt Sturm.

Natürlich muss man solche Worte nicht mit allzu viel Schwung auf die Goldwaage knallen. Dass es aber überhaupt so ein Versprechen des quasi Dokumentarischen gibt, zeugt von Ambition, aber auch von Verunsicherung. "Ich ärgere mich, dass The Voice uns in der öffentlichen Wahrnehmung rechts überholt hat", gibt Sturm offen zu. Dass die Erweiterung der Jury von drei auf vier Personen und der Wegfall des Jury-Pults ein bisschen wirkt, als hinke man der Pro-Sieben-Sat-1-Konkurrenz nun nach, mag er indes nicht so sehen. Man folge nur dem X Factor-Original heißt es, und da habe es in fast allen Ländern bisher immer vier Juroren gegeben, nur in Deutschland und Indien waren es drei.

Auch bei der Jury, in der neben Sarah Connor nun Moses Pelham, die Guano-Apes-Sängerin Sandra Nasic und der Scooter-Frontmann H.P. Baxxter sitzen, setzt Sturm auf Natürlichkeit. Für einen Tag hat Vox den vieren einen Improvisationstheater-Trainer geschickt, der etwas erzählt hat vom Eingehen auf das, was die Kollegen sagen. Ansonsten gilt die Regel des spontanen Einfalls. "Wir lassen die frei laufen", sagt Sturm und sieht sich durch die Ergebnisse des achttägigen Castings, das im Juni in Köln stattfand, bestätigt. Da gebe es durchaus Dynamik zwischen den Juroren.

Die Konkurrenz könnte dagegen programmieren

Mehr als 24.000 Bewerbungen hat es in diesem Jahr für X Factor gegeben. Geschafft haben es 92 Acts, die noch bis Freitag in einem Düsseldorfer Industriegebiet auf Präsenz, Stimme und Taktgefühl geprüft werden. Danach geht es für 24 in die sogenannten Juryhäuser, wo sie von den Juroren betreut werden. Im Herbst stehen dann die Liveshows auf dem Programm. Wann die X Factor-Staffel endet, mag man bei Vox noch nicht sagen. Zu sehr plagt die Angst, die Konkurrenz könne bei zu früher Planung dagegen programmieren. "Irgendwann vor Jahresende" lautet daher die Ansage.

Für den Start hat sich Vox auf jeden Fall schon mal eines mächtigen Beistandes versichert. Am Samstag, 25. August läuft die Premiere beim Muttersender RTL, am Sonntag danach landet X Factor dann um 20.15 Uhr auf seinem Sendeplatz bei Vox. Auch diese Platzierung ist nicht ohne Risiko. "Wir sehen, dass es nach dem Tatort immer eine starke Zuschauerbewegung zu Vox gibt", sagt Sturm, was natürlich impliziert, dass Vox-Zuschauer große Tatort-Fans sind. Man wird sehen, wie das Rennen der Castings ausgeht, ob die mit den markigen Sprüchen oder die mit dem dokumentarischen Anspruch gewinnen. Das Risiko für die Sender bleibt. Aber wer sagt eigentlich, dass immer nur die Kandidaten etwas wagen sollen?

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