Neue EU-Richtlinie:Eine für alle

Wie viel Werbung darf es sein, was darf nicht gesendet werden? Brüssel aktualisiert die Rechte und Pflichten von TV-Sendern und - neu - Streamingdiensten.

Von Thomas Kirchner

Wie sich die Medienbranche geändert hat, zeigen auch die europäischen Bemühungen, sie zu regulieren: 1989 legte Brüssel in der Fernseh-Richtlinie erstmals Mindeststandards für die europäischen Sender fest. Wie viel Werbung darf es sein, was darf nicht gesendet werden? Vom Internet war keine Rede. Inzwischen ist das klassische Fernsehen nur noch einer von vielen Übertragungswegen, neben Video on Demand, etwa bei Netflix, oder Video-Sharing auf Youtube.

Damit für alle einigermaßen dieselben Standards gelten und damit auch dieselben Wettbewerbschancen, hat die EU die alte Richtlinie nach 1997 und 2010 nun zum dritten Mal aktualisiert. Am Donnerstagabend einigten sich EU-Parlament, Mitgliedstaaten und Kommission im Grundsatz auf neue Regeln für "audiovisuelle Mediendienste". Es sei, mal wieder, ein zähes Ringen gewesen, sagt Petra Kammerevert (SPD), Vorsitzende des Kulturausschusses im Parlament. Dieser Ausschuss ist weiterhin federführend, obwohl es längst um harte wirtschaftliche Interessen geht und weniger um die Balance zwischen wirtschaftlichen und kulturellen Aspekten von Medien, die früher im Vordergrund stand.

Sender dürfen künftig längere Werbeblöcke einplanen - aber nur noch alle 30 Minuten

Dass sie noch eine Rolle spielt, zeigt die neue Quote für europäisch produzierte Inhalte. Demnach müssen Anbieter von Video-on-Demand-Diensten künftig mindestens 30 Prozent ihres Katalogs mit europäischen Inhalten bestücken. Netflix hat bereits Anfang des Monats angekündigt, in diesem Jahr mehr als 100 europäische Produktionen veröffentlichen zu wollen. Für das Fernsehen bleibt es bei den 50 Prozent, die schon 1989 festgelegt wurden. Außerdem sollen Abrufdienste nun, wie klassische Sender oder Kinos, gezwungen werden können, Abgaben an die jeweilige nationale Filmförderung zu zahlen.

Die Richtlinie umfasst auch Videos auf Facebook und anderen Social-Media-Plattformen sowie auf den Startbildschirmen von Maildienstanbietern, für die nun auch die Bestimmungen zum Kinderschutz oder zum Kampf gegen Extremismus und Hass gelten. Man habe versucht, den Schutz im Fernsehen und im Internet anzugleichen, sagt Kammerevert, hundertprozentig gehe das aber nicht. Das leitende Prinzip heißt "Selbstregulierung", Verpflichtung auf Verhaltenskodizes. Bei der Werbung werden Transparenzvorschriften auf die neuen Dienste ausgedehnt. Product Placement und Sponsoring bleiben erlaubt, solange sie klar gekennzeichnet sind und Produkte nicht besonders angepriesen werden. Wie es überhaupt beim Grundsatz bleibt, den die E-Commerce-Richtlinie der EU festlegt: Digitale Plattformen sind für problematische Inhalte nur und erst dann verantwortlich, wenn sie Kenntnis davon haben.

Die Werbezeiten werden liberalisiert. Statt maximal zwölf Minuten pro Stunde wie bisher, kann ein Sender nun zwischen 18 und 24 Uhr 72 Minuten Werbung frei verteilen. Die Länge der Blöcke lässt sich freier gestalten, doch darf das Programm frühestens alle 30 statt wie bisher alle 20 Minuten unterbrochen werden.

Klarer geregelt wird nun auch, wie unabhängig die nationalen Medienaufsichtsbehörden von der Regierung sein müssen, was in Polen, Kroatien oder Ungarn relevant geworden war.

Der Verband privater Rundfunk und Telemedien begrüßte die Einigung, die das Europäische Parlament voraussichtlich im Herbst abschließend billigen wird. Man habe sich aber mehr Schritte hin zu einem fairen Wettbewerb gewünscht: "Die Fernsehunternehmen bleiben mit Abstand die am stärksten regulierte Mediengattung."

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