Miniserie "The Night Manager":Einsamer Spitzel

Miniserie "The Night Manager": Entwaffnender Charme: Jonathan Pine (Tom Hiddleston, 2. v.r.) hat das Vertrauen von Waffenhändler Richard Roper (Hugh Laurie, 3. v.r.) gewonnen.

Entwaffnender Charme: Jonathan Pine (Tom Hiddleston, 2. v.r.) hat das Vertrauen von Waffenhändler Richard Roper (Hugh Laurie, 3. v.r.) gewonnen.

(Foto: Deswillie)

Die so zeitgemäße wie stilvolle Adaption des Bestsellers trifft auch den Geschmack von Autor John le Carré: "The Night Manager" ergründet die Attraktion des Bösen.

Von David Denk

Plötzlich ist da dieser ältere Herr, weißes Haar, buschige Augenbrauen, Wollpullover gegen die garstige Berliner Februarkälte, der sich an den Journalisten vorbei durch den Hotelkorridor schiebt. Sein Auftreten ist so unscheinbar, dass niemand von ihm Notiz nimmt. Ob er das in seiner Zeit beim britischen Inlands- und Auslandsgeheimdienst gelernt hat? Erst als ein schwedischer Kollege ihn anspricht, identifizieren auch andere im Schummerlicht auf ihr nächstes Interview wartende Journalisten den älteren Herrn als John le Carré, der zur Premiere der Amazon-Serie The Night Manager, basierend auf seinem gleichnamigen Bestseller, in die Hauptstadt gekommen ist.

John le Carré gibt zwar selbst keine Interviews an diesem Tag, aber seine bloße Anwesenheit nimmt die Antwort auf die nun folgende Frage vorweg: Ob er zufrieden sei mit der Adaption seines Romans, will der Schwede wissen. Sehr sogar, erwidert le Carré, der bei The Night Manager auch als Produzent fungiert (und einen klitzekleinen Auftritt hat), lächelt und schiebt sich weiter. In der britischen Presse sprach er gar von einem "unerwarteten Wunder".

Damit spielt der Schriftsteller auf die zwei erfolglosen Versuche, den 1993 erschienenen Roman zu verfilmen, an. Mehr als 20 Jahre hat es gedauert, bis Drehbuchautor David Farr und Regisseurin Susanne Bier, befreit vom Zwei-Stunden-Spielfilm-Korsett, der Geschichte zu ihrem Recht verholfen haben. Le Carré, fühlt sich an "jene glorreichen Tagen in den Siebzigern" erinnert, als die BBC-Adaption von Dame, König, As, Spion mit Alec Guinness entstand.

Wer The Night Manager gesehen hat, kann die Freude le Carrés gut nachvollziehen, denn die sechsteilige Miniserie ist eine so zeitgemäße wie stilsichere Adaption des Thrillers um den Hotelangestellten Jonathan Pine, der sich als Geheimdienstspitzel auf Feindesland begibt und in den engsten Zirkel des Waffenhändlers Richard Onslow Roper einschleust, um die ermordete Geliebte eines Roper-Komplizen zu rächen. Diese musste sterben, weil sie den britischen Behörden Dokumente über einen illegalen Deal zuspielen ließ.

Die Dänin Susanne Bier, deren Film In einer besseren Welt 2011 mit dem Auslands-Oscar ausgezeichnet wurde, benutzt häufig das Wort crucial, entscheidend, wenn sie über ihre jüngste Regiearbeit spricht, was den Eindruck unterstreicht, dass sie sehr genau weiß, was sie tut. Offenbar eilt Bier der Ruf einer besonders kompromisslosen Kreativen voraus. "Ich wusste, dass wir nicht unbedingt in allem einer Meinung sein würden", sagt Roper-Darsteller Hugh Laurie, "war mir aber sicher, dass das Ergebnis gut werden würde." Und das sei für ihn nach dem Ende seiner Paraderolle Dr. House die Hauptsache gewesen. Die Dreharbeiten beschreibt Laurie als "sehr angenehme Auseinandersetzung".

Hinter der Philanthropen-Fassade verbirgt sich ein Unhold

Zu den für Bier elementaren Dingen gehört die Darstellung des Reichtums von Richard Roper: Den Drehort für sein Anwesen auf Mallorca zu finden, sei ähnlich wichtig gewesen wie das Casting der Hauptfiguren, sei die Villa doch "ein Charakter für sich": "Damit die Zuschauer sich überhaupt bange fragen, ob Jonathan Pine seiner Mission treu bleibt oder sich von Roper verführen lässt, muss dessen Welt anziehend, elegant sein." Sie könne sich gut erinnern, dass sie mit Roper befreundet sein wollte, als sie das Buch zum ersten Mal gelesen habe. "Ziemlich beunruhigend", sagt Bier. "Mit dem schlimmsten Mann der Welt will man rumhängen und in den Urlaub fahren." The Night Manager ist also nicht zuletzt eine Serie über die Attraktion des Bösen. Oder wie es Hugh Laurie formuliert: "Der Teufel muss natürlich charmant sein, sonst würde sich doch kein Mensch freiwillig in seine Nähe begeben."

"Nichts Schöneres als Napalm bei Nacht"

Lauries Roper ist das Kraftzentrum von The Night Manager - ein Mann, frei von (Selbst-)Zweifeln und daher auch von Skrupeln, wild entschlossen, vom Irrsinn der Welt zu profitieren, ja ihn zu befeuern. Hinter der Fassade des schwerreichen Philanthropen verbirgt sich ein zynischer Unhold. "Wenn ein Kontinent ins Chaos stürzt", sagt er, "eröffnen sich neue Möglichkeiten." Krieg ist für Roper "Zuschauersport". In einer Szene inszeniert er den Praxistest eines Waffenarsenals wie ein Stadtfest-Feuerwerk und zündet sich eine Zigarre an: Es gebe doch "nichts Schöneres als Napalm bei Nacht".

So abstoßend sein Verhalten ist: Im Gegensatz zu seinem von ihm (finanziell) abhängigen Umfeld ist Roper frei. Er muss keine Rücksicht auf irgendwen nehmen - und denkt auch gar nicht daran. Während seine Entourage in Schlips und Kragen schwitzt, trägt Roper meist Leinenhemden in Knallfarben oder auch mal Morgenmantel. Mehr Projektionsfläche für Lottospieler-Sehnsüchte geht kaum.

Ein Schauspieler, der einen Schauspieler spielt

Dagegen ist der Part von Tom Hiddleston regelrecht undankbar, so anpassungsfähig ist er, so austauschbar. Eine Identität ist Jonathan Pine so recht wie jede andere. Er wechselt sie wie die Maßanzüge, die Ropers Schneider für ihn anfertigt. Er sei "ein Schauspieler, der einen Schauspieler spielt", sagt Hiddleston (Thor). Dieser Pine habe "die Gabe, sich in offenem Gelände verstecken zu können". Ihn habe es gereizt, dass Pine "anderen und sich selbst ein Rätsel" sei: "Er ist eine Figur, die in der Maske Sicherheit findet" - ob früher als Soldat, als Nachtmanager oder nun als Geheimdienstspitzel. Hiddleston lobt Regisseurin Bier für ihr psychologisches Einfühlungsvermögen, ihre "brillante Zeichnung der Vielschichtigkeit des Menschseins".

Auch wenn das Katz-und-Maus-Spiel von Pine und Roper, das Kräftemessen ihrer Intelligenz, The Night Manager dominiert, zeigt sich die Klasse der Serie gerade im Umgang mit den Nebenfiguren: Olivia Colman als Pines schwangere Verbindungsoffizierin Angela Burr (im Buch ein Mann), Tom Hollander als in Ungnade fallender Strohmann Major Lance "Corky" Corkoran und Elizabeth Debicki als Ropers janusköpfige Geliebte Jed Marshall - sie alle haben ihre eigene Geschichte, ihre eigenen Geheimnisse und sind nicht bloß Stichwortgeber. Die Serie verhalte sich zum Spielfilm wie der Roman zur Kurzgeschichte, sagt Regisseurin Bier. Sie habe es genossen, "mehr Raum für Umwege und die kleineren Rollen" zu haben.

Allzu kuschelig sollte man sich eine Produktion mit so vielen Darstellern und Drehorten aber nicht vorstellen: Bier spricht von einem "logistischen Albtraum" und vergleicht die Herausforderung damit, "an drei Brettern parallel Schach zu spielen". Das kann nicht jeder; Susanne Bier hat sie so souverän gemeistert, dass eine Fortsetzung - in welcher Konstellation und mit welchem Fokus auch immer - offenbar in Planung ist.

The Night Manager, ab sofort bei Amazon Prime.

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