Black Mirror:Die Zukunft beginnt jetzt

Staffel drei der hochgelobten Technik-Fabel kommt ohne Happy End aus. Man merkt den Autoren ihre ehrliche Faszination für die digitale Zukunft in jeder Minute an. Science-Fiction findet hier immer nur Momente von der Gegenwart entfernt statt.

Von Michael Moorstedt

Es war die Begegnung mit dem Mann im dreckigen Feinripp-Unterhemd im Halbdunkel, die Lacie nachhaltig verstört. Etwas derart Furchtbares hat die junge Frau (Bryce Dallas Howard) selten erlebt: Nur zwei Sterne gibt er ihr für das Gespräch. "Es war keine bedeutungsvolle Unterhaltung", sagt er. Und damit rückt Lacies Traum von einem besseren Dasein einmal mehr in weite Ferne. Denn tolle Jobs und schöne Apartments bekommt in dieser pastellfarbenen Welt nur, wer über eine entsprechend hohe Bewertung in einer App verfügt. Das ist Realität in einer Folge der neuen Staffel der Science-Fiction-Serie Black Mirror - gar nicht so abwegig, wenn man bedenkt, mit welcher Sorgfalt die Menschen heutzutage ihre Leben in den sozialen Medien inszenieren.

Schon die ersten beiden Staffeln von Black Mirror waren hochgelobte Technik-Fabeln: Ist es eigentlich okay, was wir mit diesen ganzen Geräten machen - oder besser, was diese Geräte mit uns anstellen? "Das ist ja wie bei Black Mirror", das liest man immer wieder in einschlägigen Internetforen, wenn irgendein Start-up-Gründer in Sachen Disruption und Moonshots mal wieder über die Stränge geschlagen hat. Während die ersten beiden Staffeln noch beim britischen Privatsender Channel 4 erschienen, ist Staffel drei von Netflix in sein globalisiertes Unterhaltungsportfolio aufgenommen worden. Sechs alleinstehende Folgen mit jeweils einer knappen Stunde Laufzeit veröffentlicht das Streamingportal nun simultan. Und die nächste Staffel ist bereits bestellt.

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Frau im Spiegel: Lacie (Bryce Dallas Howard) in Black Mirror.

(Foto: David Dettmann/Netflix)

Black Mirror ist so etwas wie die zeitgemäße Entsprechung von Mystery-Produktionen wie Twilight Zone oder X-Factor. Nur, dass statt der übernatürlichen Komponente stets eine auf die Spitze getriebene, außer Kontrolle geratene Technologie die Rolle des Gegenspielers übernimmt. So verlieren sich die Black Mirror-Protagonisten in den virtuellen Spiegelkabinetten von Computerspielen oder verlieben sich in den digitalen Doppelgänger ihres toten Partners, Politiker werden auf sozialen Medien gedemütigt und Verbrecher in sich ewig wiederholende Truman-Show-Szenarien eingesperrt. Wie gehen Trauer und Verlust, Liebe und Sex in einer Zeit, in der immer mehr Gefühle über Displays und Devices vermittelt werden? Was passiert, wenn all die Utopien ausbleiben, die das Silicon Valley verspricht? Geschichten, die eher ohne Happy End auskommen.

Man merkt den Black Mirror-Autoren und Showrunner Charlie Brooker ihre ehrliche Faszination für die digitale Zukunft in jeder Minute an. Science-Fiction findet hier immer nur Momente von der Gegenwart entfernt statt - und wird manchmal von ihr überholt. Ein Programm zur allgemeinen und permanenten Bewertung der Mitmenschen wurde schon im vergangenen Herbst in die App-Stores von Google und Apple geladen.

Black Mirror, von Freitag an abrufbar auf Netflix.

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