Nena: Geburtstagsshow auf RTL:Wenn Oma Nena feiert

Marco Schreyl hielt sich krampfhaft an seinen Moderationskärtchen fest - doch Nena verwandelte ihren öffentlichen Fünfzigsten in eine große, chaotische Party.

Annette Wild

Gleich zu Beginn lieferte Moderator Marco Schreyl sein Jobprofil für die Sendung Nena! Die große Geburtstagsshow: "Ich versuche, den roten Faden in der Hand zu halten." Aus diesem roten Faden sollte sich Schreyl im Laufe des Abends seinen eigenen Strick drehen, so krampfhaft hielt er an ihm fest.

Vermutlich ist es wirklich kein leichter Job, durch einen Abend mit Nena auf RTL zu führen. So erklärte Claudia Roth gleich zu Beginn der Sendung per Einspieler: "Nena ist knallig, kess, frech und frisch."

"Älter zu werden hat was Heiliges"

Ihre Mutter Uschi gab sogar freimütig zu: "Nena war ein Wildfang. Sie war nicht zu halten. Ich hatte aber keine Chance zu schimpfen, das hat mir Nena schon sehr früh verboten."

Und schon dämmert es einem, wer in dieser Show wohl der Leitwolf gewesen sein könnte: Schreyl hatte ungefähr so viel zu sagen wie Reinhold Beckmann, wenn Altkanzler Helmut Schmidt ihm einen Besuch abstattet - nämlich nichts. Platt, verkrampft und etwas gehetzt hangelte sich Schreyl zwei Stunden lang mit seinen Moderationskärtchen durch den Abend.

Dass die Soiree trotzdem ein zwar etwas schräges, aber dafür auch besonderes TV-Ereignis wurde, ist Nena selbst zu danken. Die Sängerin blickt mittlerweile auf eine mehr als 30-jährige Karriere mit 20 Millionen verkauften Platten zurück. Günther Jauch zeigte sich beeindruckt: "Das muss man erst mal schaffen, von 20 bis 50 durchzuhalten."

Als Nena selbst dann in Jeans, schwarzer Lederjacke und mit Glitzerlidschatten auftrat, jubelten die Fans so laut, dass Moderator Schreyl gar nicht mehr zu verstehen war. Auch egal.

Dafür gab es Standing Ovations. Nena schüttelte viele Hände. Treue Fans, ihre Familie und Freunde hatten sich versammelt, um ihren 50. Geburtstag vor den RTL-Kameras mit ihr zu feiern.

Als erstes Statement zum Jubiläum ließ Nena verlauten: "Ich finde, älter zu werden hat was Heiliges. Ich fühl mich gut". Man glaubt es ihr, auch wenn dieser Hauch Nena-Esoterik einen immer etwas peinlich berührt.

Nena - eine Offenbarung

Auch Privates bekam der Zuschauer per Einspieler zu sehen: Nena besucht den 9.000-Seelen-Ort Breckerfeld in der Nähe von Hagen, wo sie ihre ersten fünf Lebensjahre verbrachte. Der Dorfbäcker erzählt: "Sie war schon damals ein 'Wippsternchen', das heißt, dass sie immer schon ein bisschen flott war und sich von den anderen Kindern abgehoben hat."

In Hagen, wo Nena später lebte, erinnert ihre Jugendfreundin: "Mit Zigaretten im Kniestrumpf sind wir auf Ponys durch die Wälder gestreift. Das war die schönste Zeit."

Überhaupt hatte man als Zuschauer die erste halbe Stunde ständig Angst vor Pseudoharmonie. Zum Beispiel als Ilja Richter, der 1981 den ersten Fernsehauftritt Nenas mit ihrer damaligen Band The Stripes in seiner Sendung Disco anmoderierte, das Publikum für sich zu begeistern versuchte, und zwar mit seinem Jeansanzug. Für Nena hatte er kaum einen Blick übrig.

Dagegen freute sich Millionärs-Onkel Jauch sichtlich, die Jubilarin zu sehen und schwärmte: "Nena bleibt sich treu und erfindet sich neu." Und auch die Grünen-Politikerin Roth outete sich erneut als Riesenfan: "Nena ist klar, herzenswarm, glaubwürdig, kämpferisch." Für die Ex-Musikmanagerin sei Nena mit ihrer Lebensfreude und Direktheit in den 80er Jahren eine Offenbarung gewesen.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie Nena Marco Schreyl das Moderationszepter aus der Hand nahm.

Warum muss eine Frau wie Nena ihren Geburtstag öffentlich zelebrieren?

Nicht so schöne Erinnerungen hat Nena dagegen an das Gymnasium in Hagen: "Schrecklich, so etwas hat man alles mitgemacht." Doch auf die Frage von Moderator Marco Schreyl, welche Fächer sie gehasst habe, antwortete Nena: "Ich hab keine Fächer gehasst, nur die jeweiligen Lehrer."

Klasse Antwort! Stellt sich nur die Frage: Warum muss eine Frau wie Nena ihren Geburtstag öffentlich bei RTL zelebrieren? Ein Grund könnte vielleicht sein, dass ihre Welttournee, bei der sie auch in Japan und den USA auftritt, am 8. April beginnt - schließlich ist Nena nicht nur seit 30 Jahren Sängerin, sondern auch Geschäftsfrau.

Eine große, etwas chaotische Party

Ein anderer Grund: Die Show hat ihr einfach Spaß gemacht. Vor allem bei ihren Live-Gesangseinlagen, die sie immer wieder einstreute. Zum Beispiel bei dem Lied Irgendwie, irgendwo, irgendwann, das sie mit Kim Wilde zusammen sang. Vom Moderator erfuhr man übrigens, dass Kim Wilde Landschaftsgärtnerin ist, was irgendwie, irgendwo, irgendwann zum heimlichen Motto des Abends passte: "Prominent, aber menschlich".

Bei 99 Luftballons zog Nena die Zuschauer nach vorne zur Bühne und verwandelte die Sendung in eine große, etwas chaotische Party. Hier machte der Star seine Sendung selbst. In die von vorne bis hinten durchgeplante Show brachte sie Leben. Die Zuschauer dankten mit einem Geburtstagsständchen.

Passend dazu erklärte Karl Adamek, ein Doktor, dass Singen einfach glücklich mache. Es lasse Glückshormone fließen. Daher sehe Nena auch so gut aus. Aha! Das Geheimnis ihrer Schönheit scheint gelüftet. "Jeder kann sich glücklich singen - und stöhnen", fabulierte Adamek. Er ließ die Zuschauer dreimal lang stöhnen.

Moderator Schreyl jedoch hielt sich vornehm zurück, was Oma Nena zum Kommentar veranlasste: "Du hast noch nicht gestöhnt. Stöhn doch mal!" Da ließ Schreyl schnell einen Einspieler folgen und man hörte Nena sagen: "Der will sich drücken!" Es gab also wirklich viel zu stöhnen bei diesem öffentlichen Fünfzigsten.

Bademeister Schreyl

Später versammelten sich noch die Mitglieder der Band Nena um ihre Ex-Frontfrau: Rolf Brendel, Jürgen Dehmel und Uwe Fahrenkrog-Petersen. Letzterer erinnerte sich: "1982 haben wir uns vom Vorschuss auf unseren ersten Plattenvertrag erst mal Autos gekauft, um das Gefühl zu haben, Rockstars zu sein."

Schreyl glänzte hier mal wieder mit schlechter Vorbereitung, wusste plötzlich nicht mehr, ob Nena zuerst bei The Stripes oder der Band Nena sang. Peinlich.

Vielleicht übte der RTL-Mann ja eher die Funktion eines Bademeisters aus, der zur Erhaltung der Ordnung zwingend anwesend sein muss, auch wenn keiner ihn mag. In manchen Momenten hätte man sich gewünscht, er übrlasse das Treiben vor der Kamera einfach sich selbst.

Dann wurde noch Philipp Palm, der zwölf Jahre jüngere, fesche Mann an Nenas Seite, präsentiert, mit dem sie seit 15 Jahren zusammen ist. "Noch nie hab ich's so lange mit nem Mann ausgehalten", beteuerte der Gesangsstar. Sie und ihr Gefährte lachten sich daraufhin fast schlapp.

Mit einem von Schreyl angesagten Höhepunkt, nämlich "Exklusive Einblicke ins private Leben von Nena" wusste die Sängerin auf ihre ganz eigene Art umzugehen. In einem "Homevideo", das Nenas Tochter drehte, tritt die Sängerin parodistisch mit um den Hals gehängten Schildern auf: Einmal als "Rockstar", dann als "Hausfrau", schließlich als "Oma" (Nena ist seit drei Monaten zweifache Großmutter ihrer Zwillinge). Ein Fall fürs Poesiealbum ist, wie die Großmutter auf dem Sofa sitzt, strickt, eine Katze streichelt und sagt: "Das ist mein Enkel."

"Ich hab stark ihre Power gespürt!"

Man fühlt sich an Harald Schmidt erinnert, der nach der Sommerpause sehr unscharfe Ferienfotos präsentierte, auf denen nichts zu erkennen war. Richtig bewegend wurde es am Ende, als Nena ihr sehr persönliches Lied In meinem Leben vortrug. Darin singt sie unter anderem über die Liebe zu ihren vier Kindern.

Moderator Schreyl wollte anschließend von Nenas 19 Jahre alten Zwillingen wissen: "Seid ihr stolz, wenn ihr so etwas hört?" Antwort der Tochter: "Stolz ist kein Ausdruck, sondern es berührt mich. Und ich lerne noch was über sie." Nenas Sohn meinte: "Ich hab stark ihre Power gespürt!"

Unglaublich - die reden ja beide so sphärisch wie ihre Mutter! Und sehen dabei auch noch genau so selbstbewusst, schön, frech und fröhlich aus wie Nena. Übrigens werden die beiden sie auch auf ihrer Tour begleiten und mit ihr auftreten.

Am Ende weiß man nicht: Nimmt die Kelly- äh... Nena-Family irgendwelche tollen Drogen oder sind die wirklich so frei, in sich ruhend und glücklich - ach ja, fast vergessen: Das Singen macht ja so glücklich und schön. Vielleicht sollte es Marco Schreyl ja mal mit Trällern probieren, bevor er seine nächste Sendung moderiert.

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