NDR plant Dokumentation:Die große Helmut-Schmidt-Show

Vereidigung von Helmut Schmidt, 1976

Helmut Schmidt bei seiner zweiten Vereidigung 1976.

(Foto: DPA)

Wäre es nach ihm gegangen, hätte es nicht unbedingt noch einen Film über ihn geben müssen. Aber nun sieht Helmut Schmidt das anders - und der NDR plant ein Dokudrama über den Altkanzler. Und über einige weitere prominente Persönlichkeiten.

Von Claudia Tieschky

Helmut Schmidt hat sich gerade wieder in einem Buch mit China beschäftigt, während die Deutschen sich immer gern mit Helmut Schmidt beschäftigen. So ist das. Schmidt ist ein zackiger Politiker gewesen, aber das ist gar nichts gegen seinen Spätruhm als wichtigstes Orakel des Landes. Der Altkanzler genießt uneingeschränkte Deutungshoheit und darf im Fernsehen rauchen. Dabei sagt er dann vieles zu vielem, auch zu Peer Steinbrück und der SPD, man muss ihn nur fragen.

Es wäre verwunderlich, wenn sein im Dezember bevorstehender 95. Geburtstag ganz einfach so, nun ja, verrauchte. Stattdessen bereitet der NDR für die ARD ein Projekt vor, das angesichts der Popularität des älteren Staatsmannes Aufmerksamkeit erhalten wird: Ein Dokudrama über Helmut Schmidt mit Helmut Schmidt. Der 90 Minuten lange Film wird am 23. Dezember, dem Geburtstag, in der ARD gezeigt. Dafür macht das Erste seinen Sendeplatz um 21.45 Uhr frei. Patricia Schlesinger, Leiterin für Kultur und Dokumentation im NDR, sagt, man habe sich im Sender die Frage gestellt: Was macht man anlässlich des 95. Geburtstags eines Menschen, der offensichtlich noch so großen Einfluss hat, der gleichermaßen bewundert und kritisiert wird - und eigentlich auserzählt ist?

Schmidt wird nun einerseits endgültig zum Filmhelden - wie schon andeutungsweise in dem Dokudrama Die große Flut, auch ein NDR-Projekt, in dem Ulrich Tukur den jungen Hamburger Innensenator spielte. Noch ist offen, welche Schauspieler Helmut Schmidt - in unterschiedlichem Alter - in dem neuen Projekt spielen. Die Erzählung spannt sich entlang jener Momente, die der NDR für wenig öffentlich bekannt, aber entscheidend hält. Privat sind Erlebnisse gemeint wie Schmidts Zeit als Soldat, die Begegnung mit seiner Frau Loki, die jüdische Herkunft des Vaters; politisch geht es um Situationen wie das Gespräch vor dem Rücktritt von Bundeskanzler Willy Brandt am 7. Mai 1974, als Schmidt begreift, dass die Macht auf ihn zuläuft. Am 16. Mai 1974 wählt ihn der Bundestag zum Nachfolger Brandts.

Dass er da Angst hatte, darüber spricht er in einem Interview, das dem Film die Struktur gibt. Zeit-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo führt es, in Teilen ist es bereits aufgezeichnet. Di Lorenzo ist im Umgang mit Schmidt natürlich erfahren, er hat den Mitherausgeber der Hamburger Wochenzeitung im eigenen Blatt dank unermüdlicher Befragung zum Markenartikel aufgebaut, zur Schnauze der Zeit. Man muss also den Film nicht als Vermächtnis betrachten. Das hat Schmidt längst geregelt. Er war am Anfang nicht überzeugt davon, dass es unbedingt noch einen weiteren Film über ihn geben müsste, berichtet Patricia Schlesinger, doch das hat sich geändert. Schmidt öffne für das Projekt seine Archive, private Fotoalben, "alles das, was noch niemand gesehen hat".

Produzentin der Schmidt-Show ist Katharina Trebitsch, Servus TV beteiligt sich als Koproduzent. Regie führt der 1975 geborene Ben von Grafenstein, der mit dem besonderen Theaterfilm Kasimir und Karoline auffiel. "Dokumentation und Dokudrama erfahren eine Renaissance und gewinnen Zuschauer. Wir versuchen, moderne Themen und Erzählformen zu finden, die auch zu einem jungen Publikum passen", sagt Schlesinger. "Für die hochwertigen, guten Dokudramen und Dokumentationen gibt es gute Sendeplätze in der ARD". Häufig waren es NDR-Produktionen wie Eichmanns Ende von Raymond Ley oder Aghet - ein Völkermord von Eric Friedler, für die das Erste Sendeflächen abseits der regulären Dokuplätze freiräumte, auch der SWR stellte Ausnahmefilme her. Dank der Spezialeinsätze - im Privatfernsehen hieße das Eventprogrammierung - kann die ARD glaubhaft machen, dass Sendezeit für Dokus nicht gekürzt wurde.

Anfang 2014 wird Schlesinger ein weiteres großes Dokudrama platzieren, Edgar Selge spielt den blinden Bürstenmacher Otto Weidt, der die jüdischen Mitarbeiter seines Betriebs vor den Nazis rettete - die Autorin und Journalistin Inge Deutschkron, die zu Weidts Schützlingen zählte, tritt als Erzählerin auf. Folgen soll 2014 ein Projekt über Hitlers Mein Kampf, das Stefan Austs Agenda Media koproduziert. Gerade denkt man im NDR übrigens auch darüber nach, das Leben von Uli Hoeneß als Dokudrama zu zeigen.

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