NDR: Ermittlungen wegen Bestechlichkeit:Sendezeit gegen Bares?

Ein ehemaliger Politiker und Topmanager soll einen TV-Journalisten bestochen haben, damit sein Unternehmen oft und gut im Programm vorkommt. Die Staatsanwaltschaft ermittelt.

Hans Leyendecker

Ein ehemaliger Politiker, der Topmanager eines Konzerns geworden ist, besticht einen Fernsehjournalisten, damit das Unternehmen oft und gut im Programm vorkommt. Das könnte die Handlung eines TV-Tatorts sein. Aber angeblich hat sich der Vorgang so oder so ähnlich auch im auch im wirklichen Leben abgespielt.

Die Kieler Staatsanwaltschaft geht dem Verdacht nach, dass der ehemalige CDU-Finanzstaatssekretär Carl Hermann Schleifer, der auch mal Wirtschaftsminister im Land an der Förde werden sollte und jahrelang Vorstandschef der Klinik- und Tourismusgruppe Damp Holding war, den Kieler NDR-Mitarbeiter Gerd R. bestochen haben soll.

Auch gegen die Ehefrau wird ermittelt

R., der auch Vorsitzender der schleswig-holsteinischen Landespressekonferenz ist, steht laut Staatsanwaltschaft im Verdacht, dem Unternehmen "Sendezeiten im Fernsehen verschafft" oder "sich dazu bereit erklärt" zu haben.

Auch werde, so die Strafverfolger, gegen zwei weitere Beschuldigte "aus dem Umfeld des NDR-Mitarbeiters wegen Verdachts der Beihilfe zur Bestechlichkeit" ermittelt.

Eine der beiden angeblichen Gehilfen ist die Ehefrau des Journalisten. Dessen Kieler Anwältin Annette Marberth-Kubicki erklärte auf Anfrage, der Mandant bestreite die Vorwürfe und sei "schockiert". Der NDR nannte den Namen des betroffenen Redakteurs nicht und teilte mit, der Sender sei "mit dem betroffenen Mitarbeiter übereingekommen, das er bis zur Aufklärung des Verdachts zunächst Urlaub nimmt".

Einige Fragen drängen sich auf: Kann ein TV-Redakteur wirklich über Platz im Programm verfügen? Und: Braucht es heutzutage in Kiel Geld, um freundliche Berichte ins Programm zu hieven?

Die Staatsanwaltschaft beteuert, dass für alle vier Beschuldigten "selbstverständlich die Unschuldsvermutung gilt". Aber was heißt diese Floskel schon, wenn der Verdacht einmal in der Welt ist?

Auf die Spur, die zum Anfangsverdacht wurde, stießen die Fahnder bereits vor einigen Jahren, als sie auf einem beschlagnahmten Computer in einer "Leistungsbilanz" des Unternehmens Hinweise auf den Journalisten fanden. Außerdem wurde ein Schriftwechsel entdeckt, der auszugsweise in dem Durchsuchungsbeschluss wiedergegeben wird und den Verdacht nährt, dass es wirklich dubiose Verbindungen zwischen dem Unternehmen und dem Journalisten gegeben haben könnte.

Am Donnerstagmorgen nun wurden aufgrund richterlicher Beschlüsse insgesamt neun Privat- und Diensträume untersucht und Material wurde beschlagnahmt.

Schleifer, der zeitweise zumindest zu den Beratern des Ministerpräsidenten Peter Harry Carstensen zählte und dem letzten Kabinett des früheren CDU-Ministerpräsidenten Uwe Barschel als Staatssekretär angehörte, ist nach wie vor eine der Größen der Christdemokraten an der Förde.

Langjähriger Mitarbeiter, den nicht weiter auffiel

Die Damp-Gruppe ist das größte deutsche Klinik-und Touristikunternehmen und erzielt einen Jahresumsatz von mehr als 450 Millionen Euro. Schleifer hatte den Konzern, den er 2005 verließ, saniert und den Umsatz verzehnfacht. Rund 95 Prozent davon macht das Unternehmen heute mit Gesundheit und Medizin, vor allem in Norddeutschland.

Der Journalist Gerd R. ist schon viele Jahre Mitarbeiter des Senders, aber von seiner Arbeit ist sogar Kennern der Szene nicht viel in Erinnerung geblieben. Im November vergangenen Jahres immerhin hatte er als Vorsitzender der Landespressekonferenz dem Chef der schwer angeschlagenen HSH-Nordbank den Negativ-Preis der Journalistenvereinigung, eine Presse-Ente, überreicht: "Sie sind jemand, dem Selbstzweifel offenbar fremd sind", sagte R. damals.

Der Bankchef dankte freundlich-bitter für die Auszeichnung und erwiderte: "Das ist eine zweifelhafte Ehre."

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