Navy-CIS-Star Harmon:"Man muss auch danebenschießen können"

Mark Harmon ist Hauptdarsteller von "Navy CIS". Ein Interview über amerikanische Serien und die Schwierigkeit, im Fernsehen lustig zu sein.

SZ: Herr Harmon, Sie spielen seit mehr als sieben Jahren den Special Agent Leroy Gibbs, der zusammen mit seinem Team bei Mord- und Unfällen in der US Navy ermittelt. Wird eine Rolle nach so langer Zeit nicht doch zur zweiten Persönlichkeit?

Mark Harmon Of Navy CIS Photocall

People Magazine wählte Mark Harmon 1986 zum "Sexiest Man alive". Inzwischen ist er für seine Rolle in der US-Serie Navy CIS bekannt.

(Foto: getty)

Mark Harmon: Ich habe nie zuvor so lange an einer Figur gearbeitet. Seit 2003 haben wir 162 Episoden abgedreht. Jeder Schauspieler träumt davon, einmal in seinem Leben einen Charakter abzustauben, der sich mit der Zeit verändert, der wächst, altert und einen auch selbst immer wieder überrascht. In Gibbs steckt eine Menge Dunkelheit und Schmerz. Das macht ihn mir spannend.

SZ: Im Internet haben Fans regelrechte Stasi-Akten über Gibbs angelegt, jedes Detail aus dem fiktiven Lebenslauf wird dort aufgeführt, die Abschlussnote, der Familienstatus, die Lieblingsspeise. Haben Sie diese biografischen Fakten bei der Arbeit parat?

Harmon: Ich bin oft genauso überrascht wie das Publikum, wenn ich das neue Drehbuch lese und erfahre, dass Gibbs bereits vier Mal verheiratet war, oder wo genau er als Soldat gekämpft hat.

SZ: Navy CIS ist auch in der siebten Saison ein Erfolg in den USA und auf dem internationalen Markt. Die Episoden der 7. Staffel haben gerade die populäre Show American Idol (amerikanische Version von DSDS) ausgestochen.

Harmon: Wir werden stärker, je länger wir laufen. Das ist schon sehr unüblich, denn normalerweise lebt der Zuschauerzuspruch im amerikanischen Fernsehen auch vom Neuigkeitswert des Konzepts und dem intensiven Marketing zur Premiere. Ich glaube, dass eine Serie versuchen muss, Figuren frisch zu halten. Bei uns kommt es vor, dass aktuelle Episoden einen Handlungsfaden aus dem Jahr 2004 wieder aufnimmt. Alles ist verbunden. Und so entsteht dann eine Struktur, die zum Leben erwacht und immer weiter wächst.

SZ: Der erste Gedanke bei vielen zu Navy CIS war: Na Klasse, noch eine Serie die sich mit Spurensicherung und genetischen Fingerabdrücken beschäftigt. Was ist anders als bei Bones oder CSI (beide bei RTL)?

Harmon: Erst einmal schon die technische Ausstattung der Ermittler. Bei vielen Serien arbeiten die Polizisten mit enorm teuren Geräten wie DNA-Sequenzierern und Multitouchscreens. Wie viele Behörden können sich so ein Equipment leisten? Unsere Büros sind realistisch gestaltet, mit Computern und Büromöbeln, die die Zuschauer aus ihrem eigenen Arbeitsalltag kennen. Natürlich haben wir auch in unserem Team eine Expertin für Computeranalyse und einen Pathologen, aber ich finde es falsch, wenn in Krimis nur noch die Maschinen die Arbeit erledigen. Ein Krimi lebt davon, dass Ermittler, Zeugen und Verdächtige, also eine Gruppe von Menschen, ein dynamisches Netz aus Fakten, Lügen und Theorien bilden. Leroy Gibbs ist kein Supermann, der jeden Fall löst und jedes Mal, wenn er die Pistole zieht, ins Schwarze trifft. Man muss auch danebenschießen. Man muss glaubhaft bleiben. Man muss manchmal versagen.

"Es ist ziemlich schwierig, lustig zu sein"

SZ: Das klingt fast so, als wollten Sie Navy CIS mit erzählerisch grandiosen Projekten wie The Wire oder Sopranos vergleichen? Navy CIS erfordert kein Vorwissen, im Mittelpunkt jeder Folge steht ein isolierter Kriminalfall, den eine überschaubare Gruppe von extravaganten Figuren bearbeitet.

Harmon: Shows wie The Wire wurden oder werden für das exklusivere Kabelfernsehen produziert. Navy CIS läuft im Hauptprogramm von CBS, wird von mehr als 20 Millionen Menschen gesehen und muss deshalb schneller zu verstehen sein. Natürlich haben wir deshalb Figuren wie das Gothic Girl oder einen italienischen Ermittler, der ein notorischer Weiberheld ist. Die Serie lebt doch auch von ihrem Humor. Wir nehmen uns nicht so ernst. Das scheint gut anzukommen, und wird von immer mehr Sendern kopiert.

SZ: Die New York Times hat Navy CIS anerkennend als "forensic screwball comedy" bezeichnet. Ist es schwer, als Schauspieler komisch zu sein, wenn man an einem Tatort neben zwei grausam zugerichteten Körpern steht?

Harmon: Es ist überhaupt ziemlich schwierig, lustig zu sein. Man braucht gute Texte und ein exzellentes Timing. Ich glaube aber nicht, dass es zynisch ist, an einem Tatort einen Witz zu machen. Wer fast täglich grausame Szenen sieht wie die Polizisten, der gewöhnt sich daran. Ein Tatort ist dann am Ende so aufregend wie eine Parkbank. Ich glaube einer der Gründe, warum der Humor beim Publikum gut ankommt, ist, dass wir die Ermittler nicht als Helden zeigen, sondern als eine dysfunktionale Familie.

SZ: Navy CIS untersucht Verbrechen und Verrat in den Räumen und dem Milieu der US Navy und dem Marine Corps. Wie eigen ist diese Welt?

Harmon: Ganz eigen mit ganz eigenen Codes. Wir haben einen hervorragenden Berater, der uns oft sagt: So könnt Ihr auf keinen Fall mit Soldaten umgehen. Die Navy CIS ist eine reale Behörde, die es seit Ende des Zweiten Weltkriegs gibt.

SZ: Es geht nicht um gewöhnliche Gewaltverbrechen. In einer Story explodiert eine Bombe auf einem Kriegsschiff. Und in der allerersten Folge hat ein Double des damaligen Präsidenten George W. Bush einen Auftritt. Beeinflusst Realität - beispielsweise der Krieg in Afghanistan inklusive der traumatisierten Heimkehrer - den Serienverlauf?

Harmon: Ich denke nicht, dass TV- Unterhaltung die richtige Form im Programm ist, um so schwierige Fragen zu verhandeln. Aber unsere Autoren verarbeiten auch offizielle Dokumente und Interviews in den Drehbüchern. So kommt es immer wieder vor, dass unsere Drehbücher unheimlich aktuell sind und den Titelseiten der Zeitungen vorgreifen. Am wichtigsten ist uns aber, dass wir die Arbeit der Behörde authentisch und respektvoll darstellen. Die Agenten haben einen gefährlichen Job, der auch noch miserabel bezahlt wird. Der Star ist die Behörde. Ich kannte die NCIS nicht, bevor ich zum ersten Mal eines der Drehbücher in die Hand nahm. Heute kennt sie jeder. Ich weiß eigentlich gar nicht so genau, ob die echten Ermittler diese neue Prominenz so toll finden.

Interview: Tobias Moorstedt

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