TV-Kritik: "Unser Star für Baku":Kam, sah und versiegte

Das Finale von "Unser Star für Baku" hat vor allem eins: sinnlos Sendezeit verbraucht. Dass Roman Lob nach Aserbaidschan reist, war von Anfang an klar. Angesichts einer völlig überreizten Inszenierung und Dauerstammeln der Jury fand der eigentliche - karnevalistische - Höhepunkt bereits vor der Sendung statt.

Hans Hoff

Eigentlich hätte man es schon am 12. Januar um kurz nach acht Uhr wissen können. Da kamen die ersten Kandidaten bei "Unser Star für Baku" (USFB) auf die Bühne der Kölner Raab-Studios, und sogleich gewann ein 21-jähriger Industriemechaniker aus Neustadt (Wied) die meisten Sympathien. Man hätte es wissen können, aber kaum jemand wollte es wissen. Schließlich standen noch weitere sieben Shows auf dem Plan, und da passte es nicht ins Konzept, dass einer kam, sah und siegte.

Unser Star für Baku Roman Lob

Augen zu und durch: Roman Lob wird "Unser Star für Baku". Das war auch schon lange vor einer bemerkenswert öden Inszenierung klar.

(Foto: dapd)

Und wie er siegte. Schon früh war bei der achten und letzten USFB-Folge klar, dass der Sieger Roman Lob heißen würde. Spätestens als ihm im ersten Wahlgang das per Telefon abstimmende Publikum die Jamie-Cullum-Komposition "Standing Still" als Lied für Baku zuschusterte, wusste der Zuschauer, dass für seine Mitbewerberin der gesangliche Ofen bald ausgehen würde.

Und so kam es wie es kommen musste. Um halb elf am Donnerstagabend stand endgültig fest, wer Deutschland beim Finale des Eurovision Song Contest (ESC) am 26. Mai in Baku vertritt. Nicht die gleichfalls höchst talentierte Ornella de Santis, denn der hatten die Zuschauer ein eher für Musicals oder opulente Filmabspänne geeignetes Lied zugedacht. Mit so etwas erwirbt man sich Achtung, aber kein Ticket zum ESC.

Alle singen und am Ende heißt der Sieger immer Roman

Spannend war es beim Finale des deutschen Vorentscheids also genauso wenig wie bei den sieben vorangegangenen Shows. Wie sollte es auch, wenn alle singen und der Sieger am Ende immer Roman heißt. Das hielt die Moderatorendarsteller Sandra Rieß und Steven Gätjen und die Jury indes nicht davon ab, ständig wider besseres Wissen zu betonen, wie unglaublich spannend es gerade sei.

In Wahrheit war es nämlich unglaublich öde, was an einer völlig überreizten Inszenierung lag. Es dauerte am Donnerstag ganze 25 Minuten, bis der erste Ton gesungen wurde. Zuvor wurden zum achten Mal die bereits bekannten Einspielfilme gespielt, einer über den ESC, einer übers Verfahren, einer über Aserbaidschan. Selten wurde aus so wenig Substanz so viel Sendung gewonnen.

Auf den Zuschauer schien es da gar nicht mehr anzukommen. Fast mochte man im Gegenteil den Eindruck gewinnen, es gehe eher darum, Menschen vom Zuschauen abzuhalten. Angesichts der miserablen Einschaltquoten kann man quittieren: Mission erfolgreich.

Zur Ödnis trug diesmal die Jury besonders kräftig bei. Fast wirkte es, als hätten die Juroren Stefan Raab, Thomas D. und Alina Süggeler den Sangeswettbewerb längst abgehakt und stattdessen eine Konkurrenz im Dauerstammeln gestartet. Besonders Alina Süggeler leistete da Großes. "Ach ja, nee, vielleicht nicht so, dann aber vielleicht doch", haspelte sie, als sie nach ihrer Meinung gefragt wurde.

Kräftige Ödnis

In Sachen Meinungsnichtäußerung stand ihr Stefan Raab in nichts nach. "Ich habe das Gefühl, das kam ganz gut an", sagte er nach Roman Lobs drittem Lied, bei dem das Saalpublikum gerade derart getobt hatte, dass man um die Konstruktion des Studiodachs fürchten musste. "Meine Philosophie ist, nicht zu viel vorzugeben", fügte er an und verstand offenbar die von ihm selbst vorgegebene Aufgabe komplett miss. Er muss sich fragen lassen, warum er da vor den Kameras sitzt, wenn er doch nur sinnlos Sendezeit verbraucht.

Immerhin entlockte dieses Verhalten Ansagerin Sandra Rieß den einzigen gelungenen Kommentar. Als nämlich die Juroren sich kurz vor dem Ende auf ihren Sesseln wälzten und Stefan Raab leise in die Lehne biss, kommentierte sie so trocken wie treffend: "Die Jury befindet sich im Delirium."

Dass Raab auch anders kann, hatte sich gezeigt, bevor die Kameras Rotlicht bekamen. Da hatte er der Studioband Heavytones kurzerhand eine Karnevalshymne verordnet und marschierte unter lauten "Alaaf"-Rufen über die Bühne. Sehr zur Freude des heimischen Publikums, das umgehend einstimmte. Damit niemand vergesse, dass man aus Köln sendet.

Ohnehin schien sich der kölsche Jung Stefan Raab an diesem Tag mehr fürs Brauchtum zu interessieren als für die ESC-Auswahl, die er zu Zeiten von Lena mal als nationale Aufgabe definiert hatte. Als er nach dem USFB-Finale durch seine Pro-Sieben-Show TV total führte, nutzte er den Vortrag des Komödianten Olaf Schubert, um an seinem Schreibtisch heimlich einen Jazzklassiker karnevalistisch zu verunstalten. So bekamen die Zuschauer im Studio während der nächsten Werbepause eine sehr exklusive kölsche Version von "Take The A-Train" zu hören.

Es dauerte dann noch bis 0:45 Uhr, bis Raab und Roman Lob sich der Presse präsentierten. "Unbeschreiblich, ein Wahnsinnsgefühl. Es ist unbeschreiblich", lautete die atemlose Einschätzung des Siegers, der trotz seiner zur Schau getragenen Überwältigung dann doch noch ein paar kluge Worte fand, als er auf die politischen Verhältnisse in Baku angesprochen wurde.

Bekanntermaßen behauptet Aserbaidschan so etwas Ähnliches wie eine Demokratie zu sein, lässt aber bei der Umsetzung der eigenen Regeln so manches zu wünschen übrig. Menschenrechtsverletzungen und Verhaftungen von Kritikern sind an der Tagesordnung. Nicht ohne Grund hatte Amnesty International im Foyer der Raab-Studios einen Stand aufgebaut, um auf die Menschenrechtssituation in Baku hinzuweisen.

Er wisse, dass dort in Sachen Menschenrecht nicht alles in guten Bahnen verlaufe, wolle aber trotzdem nicht mit einem Protest-T-Shirt beim Wettbewerb auflaufen, sagte Roman Lob. Er setze darauf, dass der ESC den Anliegen der Unterdrückten dort zumindest Aufmerksamkeit verschaffen werde. "Ich hoffe, dass die Augen geöffnet werden."

Schließlich verkündete Stefan Raab noch, dass er vorhabe, eine Woche vor dem ESC seine Sendung TV total aus Baku zu übertragen. Allerdings sei noch kein Studio gefunden. Aber das werde schon. Irgendwann gegen zwei Uhr in der Nacht hate der Sieger in alle Mikrofone gesprochen und durfte ein wenig zu Ruhe kommen.

Wobei Ruhe ein dehnbarer Begriff ist, denn nach dem Finale ist vor dem Finale. Bis Mitte April will Thomas D. mit dem Sieger ein Album fertigstellen. Auf dem sind möglicherweise noch mehr Songs von Jamie Cullum zu finden. Dem habe er schon eine SMS mit der Siegesbotschaft geschickt, sagte der Fanta-4-Rapper und reportierte auch gleich die Reaktion des bluesigen Jazzsängers. "Very excited" sei Cullum. Kann er auch sein. Er musste ja die acht USFB-Shows nicht mitansehen.

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