Nachlese zum Münchner "Polizeiruf":Immer wenn es regnet

Polizeiruf 110 Und vergib uns unsere Schuld von Meuffels BR

Schuldbereinigung: Von Meuffels setzt den Spaten an.

(Foto: Wiedemann & Berg Television GmbH)

In "Und vergib uns unsere Schuld" plagen nicht nur Kommissar von Meuffels Gewissensbisse. Die Nachlese zum aufwühlenden Münchner "Polizeiruf".

Kolumne von Carolin Gasteiger

Darum geht es:

Tim Haffling begeht im Gefängnis Suizid (zur Musik von Heintje). Er soll vor zehn Jahren eine junge Frau ermordet haben, die Leiche wurde allerdings nie gefunden. Kurz nach Hafflings Tod behauptet Jens Baumann jedoch, den Mord an dem Mädchen begangen zu haben und stellt Kommissar Hanns von Meuffels vor die Frage: Hat er damals entscheidende Hinweise übersehen? War tatsächlich Baumann, nicht Haffling, der Täter? Und ist er selbst als zuständiger Ermittler schuld am Tod Hafflings?

Hier lesen Sie die Rezension zum Polizeiruf:

Bewegendste Szene:

Von Meuffels sitzt bei Tim Hafflings Mutter auf dem Kanapee. An der holzvertäfelten Wand hängt ein Bild von Heintje, darunter eines von Haffling. Im Hintergrund läuft "Ich bau dir ein Schloss" von Heintje; von Meuffels blickt drein wie ein begossener Pudel. Er habe Fehler gemacht, stottert und stammelt der Kommissar. "Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie leid mir das tut, Frau Haffling." Die reagiert kaum, sitzt schweigend vor ihrem Brotzeitbrett. Aber ihr Blick sagt alles: Vor so viel heiler Welt bricht ihre gerade zusammen. Mal wieder. Sie steht auf - und Meuffels versteht. Er verlässt den Raum und übergibt sich draußen ins Weizenfeld. Im Regen.

Die besten Zuschauerkommentare, die allenthalben Begeisterung zum Ausdruck bringen:

Top:

Wer braucht schon Geballer und Verfolgungsjagden? Mit diesem Polizeiruf zeigt Regisseur Marco Kreuzpaintner eindrucksvoll, dass ein guter Krimi auch aus leisen Tönen entstehen kann. Und aus Sommerregen, der immer dann kommt, wenn die innere Zerrissenheit der Figuren kaum noch auszuhalten ist.

Flop:

Welcher Flop?

Bezeichnender Dialog:

An der Imbissbude am See bedrängt Jens Baumann Hanns von Meuffels - und spricht dabei das aus, was im Inneren des Kommissars vorgehen dürfte.

Baumann: Wussten Sie, dass Martin Luther der Ansicht war, der Mensch sei überhaupt nicht in der Lage, eine vollkommene, alle Sünden umfassende Reue zu empfinden?

Von Meuffels seufzt.

Baumann: Und warum? Weil der Mensch überhaupt nur einen Teil seiner Sünden erkennen kann. Ist interessant, nicht war?

Von Meuffels: Sind Sie jetzt fertig?

Baumann: Ich glaube nicht, dass Luther Recht hat. Jeder Mensch weiß doch, was er getan hat. Die Menschen wissen um ihre Schuld. Ich jedenfalls weiß um meine. Sich seine eigene Schuld einzugestehen, ist der erste Schritt zur Vergebung. Stimmt doch, oder?

Von Meuffels: Ich hab mir nichts zu vergeben.

Baumann: Et ego te absolvo a peccatis tuis, in nomine patris et filii et spiritus sancti ...

Von Meuffels: Was soll denn das? Und als es anfängt, stärker zu regnen: Scheiße.

Beste Auftritte:

Matthias Brandt und Karl Markovics sind ein herrliches Duo in diesem feinen, psychologischen Kammerspiel. Karl Markovics flößt einem als schuldgeplagter und psychopathischer Jens Baumann Angst ein. Mal fleht er von Meuffels an, ihm zuzuhören, lauert ihm im Regen auf, wirft sich vor ihm auf den Boden. Aber in seinem Blick lauert das Böse. Auf der anderen Seite steht der Kommissar, anfangs noch Herr der Lage und von seiner Arbeit überzeugt. Aber ihm kommen Zweifel - und Matthias Brandt zeigt berührend, wie seine Überzeugungen nach und nach bröckeln.

Erkenntnisse:

Die erste: Von Schuld kann sich trotz Sommerregen niemand reinwaschen. Die zweite: Die Gefahr ist hoch, dass einen künftig sofort Gewissensbisse plagen, wenn irgendwo Heintje läuft.

Schlusspointe:

Von Meuffels entdeckt einen letzten, fatalen Fehler - aber da ist es schon zu spät. Am richtigen Tatort holt der Kommissar den Spaten raus und setzt ihn an. Im Regen.

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