Nach dem Aus von "Gottschalk live":Torschluss - kein Grund zur Panik

Thomas Gottschalk und Harald Schmidt scheitern am Publikum - allerdings aus unterschiedlichen Gründen. Der eine ist der Kanzler der Quote und muss sich an dieser Regentschaft auch messen lassen. Der andere war immer nur für eine spitze Zielgruppe gut. Die muss sich ein Sender auch leisten wollen.

Christopher Keil

Wenn alles so bleibt, wie es angekündigt wurde, dann wird Harald Schmidt am 3. Mai seine letzte "Late Night Show" bei Sat1 präsentieren und Thomas Gottschalk am 7. Juni die letzte Ausgabe von "Gottschalk Live" im Ersten. Schmidt wird sehr wahrscheinlich einen längeren Urlaub antreten, Gottschalk sich sehr wahrscheinlich auf seinem schönen Grundstück in Malibu erholen.

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Thomas Gottschalk (links) wird für immer an der Quote gemessen werden. Harald Schmidt hat hingegen eine spitze Zielgruppe.

(Foto: dpa)

Zurück bleiben ein paar Leerstellen im Gesamtprogramm der deutschen Senderlandschaft. Aus der Ferne betrachtet sieht es so aus, als erlebe man gerade ein Ende und einen Anfang. Aber tritt nun wirklich eine Entertainer-Generation ab und eine neue an?

Schmidt ist 55 und Gottschalk 61. Ältere Moderatoren der Fernsehunterhaltung gibt es nicht mehr. In beiden Fällen hat ein dauerhaft mangelhaftes Interesse der Zuschauer zur Absetzung geführt.

Es ist eine große Verlockung, daraus den Schluss zu ziehen, dass es zwei alte und mit Geld gefüllte Fernsehsäcke einfach nicht mehr auf die Höhe der Zeit schaffen und ihr Publikum verloren haben. Das ist, bei genauer Betrachtung, nicht so, und es handelt sich bei Gottschalk und Schmidt auch um zwei sehr verschiedene Vorgänge - so wie das, was sie machen, grundverschieden ist.

Gottschalk ist Entertainer für Millionen. Er definiert sich ja selbst ausschließlich über den Zuspruch der Massen. Er hat als Kanzler der Einschaltquoten Bedeutung gewonnen. "Wetten, dass ..?", die früher mal eine 18-Millionen-Zuschauer-Show war, entpuppte sich für ihn als ein Geschenk des Himmels - und er war für "Wetten, dass..?" ein himmlischer Fürsprecher.

Sympathisch aber nicht professionell

Das Missverständnis war von Anfang an, dass Gottschalk glaubte, er müsse jetzt etwas völlig Neues anbieten. Finanziell hat er ausgesorgt, er fühlte sich frei und bereit für eine letzte, eine andere Sendung, zu einer anderen Sendezeit, auf einem anderen Sender. Das ist sympathisch, man kann die Haltung auch nachvollziehen, aber sie war emotional begründet und nicht professionell.

So gewinnend, wie Gottschalk sein kann, überzeugte er die ARD-Vorsitzende Monika Piel, ihm täglich eine halbe Stunde nach 19 Uhr zu schenken. In der wollte er leichten Herzens plaudern, auch mit Gästen, wollte die Zuschauer mit Klatsch und Tratsch auf seine Weise entspannen - bevor ihnen in der "Tagesschau" der Ernst des Lebens serviert wird.

Doch das kleine Studio in der Mitte Berlins ist nicht Gottschalks Bühne gewesen, wie überhaupt kleine Bühnen nichts für ihn sind. Alle seine Versuche, etwas Kleineres als die große Samstagabendshow zu etablieren, blieben erfolglos.

Panische Veränderung

Das heißt nicht, dass Gottschalk schlecht war. Er war und ist genial in seiner Schlagfertigkeit, seine Fröhlichkeit steckt an, man schaut ihm gerne zu. Seine "Late Night Show" bei RTL und seine "Houseparty" bei Sat1 waren zum Beispiel besser als ihr Ruf. Doch beides stieß auf geringe Resonanz, und Gottschalk wird an der Quote gemessen. Quote hat ihn reich gemacht, Quote machte er mit "Wetten, dass..?", und sein Publikum möchte ihn nicht in einem kleinen Studio sehen.

Thomas Gottschalk - viel schlimmer: auch Monika Piel - hat den Vorabend, der in der ARD auf Fiktion und Quiz programmiert und ohnehin ein schlechtes Zeitfenster ist, falsch eingeschätzt. Zehn Prozent Marktanteil hat er sich zugetraut. Er hat die Zahl in den Vertrag aufnehmen lassen und nur fünf Prozent geschafft. Er wird sich damit trösten, dass nun eine Sendung eingestellt wird, die er so nicht wollte.

Als die Quote fiel, ließ die ARD "Gottschalk Live" panisch verändern. Herausgekommen ist eine belanglose, keinesfalls innovative Talkshow am Vorabend. Die ARD, bei der Gottschalk noch eine Weile unter Vertrag steht, wird sich etwas ausdenken, das zu ihm passt. Wenn er, bestimmt in diesem Jahr, auf die große Bühne zurückkehrt, werden ihm die Massen folgen. Gottschalk wird die Niederlage, im Gegensatz zur ARD, nicht schaden.

Sein Werbewert ist stabil, allerdings ist der letzte Applaus seiner Karriere auch nicht mehr in all zu weiter Ferne. Seine Nachfolger haben Stellung bezogen, teilweise seit Jahren wie Stefan Raab oder Kai Pflaume oder Johannes B. Kerner.

Andere wie Matthias Opdenhövel oder Joko Winterscheidt müssen sich erst dauerhaft präsentabel zeigen. Und die populäre Ausstrahlung, wie Gottschalk sie in einem anderen, früheren System mit nur wenigen TV-Kanälen aufbauen konnte, wird wohl niemand mehr erreichen.

Das digitalisierte Fernsehgeschäft ist unübersichtlich geworden, die Angebotsvielfalt setzt dem Erfolg einzelner Programme Grenzen, auch die ZDF-Manager werden in ein paar Jahren glücklich sein, wenn "Wetten, dass ..?" noch fünf, sechs Millionen Zuschauer erreicht. Zur Erinnerung: Es ist kaum sechs Monate her, dass Gottschalk "Wetten, dass..?" verließ und damit eine Echo auslöste, als läge die deutsche Fernsehunterhaltung in Trümmern (was sie im übrigen aus anderen Gründen tut). So schnell wird einer seinen Ruhm dann doch nicht los.

Nachdem Harald Schmidt 2003 Sat1 verließ und auf unbestimmte Zeit in der Welt umher reiste, stand das gesamte Abendland unter Schock, jedenfalls las sich das damals so.

Spitze Zielgruppe

Schmidt, 55, ist aus Sicht eines Fernsehmanagers das exakte Gegenteil von Gottschalk. Er hat und hatte immer nur eine sehr spitze Zielgruppe. Eine Million bis maximal 1,5 Millionen Menschen möchten sich seit 1995 seine "Late Night Show" anschauen.

Seine intelligente Bildungs- und Gesellschaftssatire kurz vor Mitternacht ist in Deutschland konkurrenzlos. Die Entscheidung von Sat 1, die "Harald Schmidt Show" jetzt einzustellen, wird zwar mit der schlechten Quote begründet. Doch Schmidt engagiert man nicht wegen irgendeiner Quotenerwartung. Er ist immer auch Sender-Botschafter und Imageträger gewesen.

Wenn die Schmidt-Show inzwischen unter einer Million Zuschauern liegt, hat das vor allem mit Sat 1 zu tun, einem Sender, der von Finanzinvestoren geführt wird. Die wollen Rendite, so veranstalten sie Programm, billiger geht es nicht mehr. Bei Schmidt, dem seit Monaten gute Sendungen gelingen, kann es dauern, bis er wieder auf Sendung geht. Ihn muss man sich leisten wollen - und das können per se nicht viele.

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