Musikantenstadl: Karl Moik und Andy Borg:"Lena kann das niemals wiederholen"

Vor 30 Jahren zog Karl Moik zum ersten Mal in den Musikantenstadl ein. Gemeinsam mit seinem Nachfolger Andy Borg erzählt er, warum Lena beim Grand Prix keine Chance hat und die Volksmusik gar keine heile Welt ist.

Christina Maria Berr und Lisa Sonnabend

sueddeutsche.de: Thomas Gottschalk hört bei Wetten, dass .. ? auf. Herr Borg, wäre das nicht etwas für Sie?

Pressekonferenz zu 30 Jahren Musikantenstadl

Andy Borg (l.) und Karl Moik stehen für 30 Jahre "Musikantenstadl" und 30 JAhre heile Welt. Oder?

(Foto: dapd)

Andy Borg: Bei Karl Moik und mir ist der Größenunterschied ja schon enorm, da war die Umgewöhnung fürs Publikum schwer. Aber Thomas Gottschalk ist ja noch einmal einen Kopf größer als der Karl. Wetten, dass...? wäre deswegen nichts für mich. Einmal sollte ich bei einer Weihnachtsfeier in Buxtehude ein Gedicht vorlesen. Nach vier Zeilen hat das Publikum gelacht. Das bin einfach nicht ich. Ich bin Volksmusikmoderator.

sueddeutsche.de: Was macht denn einen Volksmusikmoderator genau aus?

Karl Moik: Du musst lustig und fröhlich sein. Und du musst ein Hirn haben. Und man muss sich vorbereiten. Denn wenn du einen schlechten Tag hast, fällst du sonst auf die Goschen. Ich habe die Moderationen immer selbst geschrieben und den Text auswendig gelernt. Allerdings habe ich das Vorformulierte dann nur bei einem von zehn Malen gebraucht. Normalerweise gehst du nämlich raus und siehst die jubelnden Gesichter - dann rennt es von selbst. Dass das natürlich nicht alles klug ist, was du rausbringst, ist auch klar. Aber bei wem ich schon alles klug, was er sagt?

sueddeutsche.de: 30 Jahre Musikantenstadl bedeutet 30 Jahre heile Welt - obwohl es im wahren Leben Terror und Aufstände gegeben hat. Warum durchschauen die Zuschauer diese Lüge nicht?

Borg: Wenn eine Hausfrau bügelt und sich wohl fühlt, weil die Flippers im Radio laufen, ist das doch kein Lüge - das ist doch wunderbar. Auch wenn ich nicht genau weiß, warum das so ist. Es weiß ja auch niemand, warum der Film Avatar so erfolgreich war. Ja, doch das weiß ich, weil ich selbst vier Mal im Kino war.

sueddeutsche.de: So erfolgreich wie früher ist der Musikantenstadl jedoch nicht mehr. Ähnlich wie bei Wetten, dass...? sind auch bei Ihnen die Quoten runter gegangen.

Moik: Das ist eine logische Konsequenz. Wetten, dass...? ist eine super Sendung mit einem super Moderator. Es ist aber logisch, dass die Quoten kontinuierlich runtergehen - außer man hat mal wieder einen spektakulären Unfall. Die Fernsehlandschaft hat sich ja in 30 Jahren enorm verändert. Damals hatten wir drei Sender, heute sind es unglaublich viele.

sueddeutsche.de: Dieter Bohlen schafft allerdings Topquoten...

Borg: Was heißt "allerdings"? Der Musikantenstadl zählt nach wie vor zu den meistgesehenen Unterhaltungsshows im deutschen Fernsehen. Bohlen kann sich auf Grund seines erarbeiteten Erfolgs Sachen erlauben, bei denen ich mir denke: Ja, jaaa, sag es! Und er sagt es. Wenn wir das sagen würden, dann würde die Presse uns gleich als Hundlinge verschreien.

Lena - ein Fehler

sueddeutsche.de: Sie müssten ja nicht ganz so gemein sein. Stefan Raab ist ja bei seinen Castings auch ein wenig netter. Da Castingshows im Trend sind, bleibt die Frage: Warum suchen Sie nicht längst einen Volksmusikstar?

Moik: Ach, geh. Wir haben ja genug Musiker, warum sollten wir da noch jemanden suchen?

Borg: Beim Musikantenstadl gibt es den Wettbewerb um den "Stadlstern". Wir stellen in jeder Sendung drei Talente vor. Die Zuschauer können mittels Televoting ihren Favoriten für die Finalrunde im Silvesterstadl wählen.

sueddeutsche.de: Was hat sich in der Volksmusik geändert im Laufe der Jahre?

Moik: Früher bedeutete Volksmusik: Einer hat Kontrabass gespielt, einer Zither und einer Gitarre - und dann haben sie dreistimmig dazu gesungen. Heute würden selbst Volksmusikfans sagen: Das klingt aber nicht so schön wie die Kastelruther Spatzen, die eine E-Gitarre dabei haben, einen Verstärker und eine Bühnenshow.

Borg: Und wenn die Leute das mögen, dann bekommen sie das.

sueddeutsche.de: Gefällt Ihnen diese Entwicklung?

Moik: Der eine mag die Musik, der andere die. Gegen jede Musik kann man etwas sagen, ich finde keine Musik schlecht. Wenn mir etwas nicht gefällt, dann drehe ich halt auf einen anderen Sender. Mir gefällt in der Klassik auch nicht alles oder beim Schlager. Und ich würde nie schlecht über Rock'n'Roll reden.

Borg: Ich finde keine Musik schlecht, die mit Bauch und mit Seele gemacht wird. Und es hat immer einen Grund, warum Menschen auf etwas abfahren. Plötzlich habe ich da diesen Hype mitbekommen: Lena, Lena, Lena.

sueddeutsche.de: Würden Sie Lena in den Stadl einladen?

Borg: Sofort! Aber bei einem Quereinsteiger-Act muss man immer schauen, dass er ein bisschen kompatibel ist. Ich will meinem Publikum keine Watschn geben. Das Publikum muss man drauf vorbereiten. Ansonsten ist es den Leuten zu viel.

Moik: So war das bei mir damals mit der Gospelgruppe Golden Gate Quartet, die ich aus den USA eingeladen hatte. War das eine Aufregung, Du meine Güte!

sueddeutsche.de: Und was ist nun mit Lena - mögen Sie ihre Musik?

Borg: Ich find sie super. Sie hat eine andere Art zu sprechen, zu singen, sich zu bewegen. Das hat etwas!

Moik: Ich hab mich vor allem für Stefan Raab gefreut. Da sieht man, wie ein Mann mit Hirn, mit Geist, mit Können die ARD austrickst - und wir haben wieder einen Sieger.

sueddeutsche.de: Hat Lena auch 2011 beim Eurovision Song Contest eine Chance?

Moik: Ich halte es für einen Fehler, dass sie noch einmal antritt. Ich bin hundertprozentig der Überzeugung, dass sie den Erfolg nicht wiederholen kann. Das wäre ein Wunder, und so ein Wunder hat es noch nie gegeben.

Ziehen bald Nackerte im Stadl ein?

sueddeutsche.de: Wen würden Sie denn diesmal hinschicken?

Moik: (zu Borg) Dich nicht.

Borg: Ich mich auch nicht. Wir könnten es beide, aber wir hätten es nicht verdient. Es geht nicht mehr um das von früher. Heute muss auf der Bühne etwas explodieren. Johnny Logan könnte sich nicht mehr auf einen Hocker setzen und singen.

Moik: Auch ein Roger Whittaker würde heute wohl nichts mehr erreichen. Und durch die Vermischung mit den Ostblockländern ist der Wettbewerb ohnehin ganz anders geworden. Ein Lied wie "Ein bisschen Frieden" hätte überhaupt keine Chance mehr! Der Songcontest ist eine andere Welt geworden.

Borg: Schauen Sie sich diese Bühnen beim Grand Prix an. Früher ist Richard Oesterreicher mitgefahren und hat das Live-Orchester dirigiert. Da ging es noch um die Musik. Heute ist es ein, wie man so schön sagt, Event - und das muss groß sein und das muss knallen. Wenn eine Nackerte umeinander hupft, dann geht's.

sueddeutsche.de: Haben Sie nicht Sorge, dass Sie in Ihrer Sendung auch bald Nackerte umeinanderhupfen lassen müssen?

Borg: Nein, die Leute schauen die Sendung ja nach wie vor gern. Auch wenn die Einschaltquoten auf fünf Millionen Zuschauer zurückgegangen sind. Der Grundgedanke des Musizierens ist ja dieser: Ich nehme eine Gitarre, da sitzen zwei Leute und da empfinde ich schon etwas. Das gilt immer im Stadl noch.

Moik: Die Volksmusik wird nie vergehen. Da können noch so viele kommen und sie verurteilen.

sueddeutsche.de: Was aber offenbar auch nie vergeht, ist Ihr Zorn auf den federführenden ORF. Ihr Nachfolger Borg kommt mit den Verantwortlichen dort wesentlich besser aus. Warum?

Moik: Andy weiß vieles nicht, was sich hinter den Kulissen abgespielt hat. Seit ich nach so vielen Jahren den Sender verlassen habe, hat keiner versucht, telefonisch oder persönlich Kontakt mit mir aufzunehmen, ich wurde zu keiner Sendung mehr eingeladen. Da frage ich mich doch: Was will ich mit dem Sender? Aus, fertig und baba.

Borg: Wenn er jemanden nicht mag, dann ist das aus seiner Sicht, und wenn ich denjenigen mag, ist das aus meiner Sicht - das gibt's im Leben.

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