Münchner "Tatort":In tiefer Verzweiflung

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Am schnellsten vor Ort: Die Kommissare Ivo Batic (Miroslav Nemec, hinten) und Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) sichern den Tatort. (Foto: Bernd Schuller)

Der "Tatort" aus München erzählt leise und traurig von Menschen, die ihrem Trauma nicht entkommen können.

TV-Kritik von Holger Gertz

Teile dieses Tatorts spielen sich im Münchner Tierpark Hellabrunn ab, insbesondere in der Nähe der Elefanten, und man kann das für einen geschickt gewählten Schauplatz halten, denn Elefanten sind bei Menschen sehr beliebt. Man sieht ihnen gern zu, wie sie mit dem Rüssel Apfelstücke greifen, die ihnen ein kleiner Junge hinhält, mit einer Konzentration und Ernsthaftigkeit, die für kleine Jungs so typisch ist.

Der Zoo ist allerdings mehr als nur ein netter Gag, es sind ja Tiere in Käfigen, die dort leben, Gefangene, und damit illustrieren sie, um was es in der BR-Episode "Einmal wirklich sterben" von Regisseur Markus Imboden geht. Das Buch stammt von Claus Cornelius Fischer und Dinah Marte Golch, die für den BR schon "Nie wieder frei sein" geschrieben hat, einen der besten Tatorte der vergangenen Jahre, über Menschen in tiefer Verzweiflung. So ist es auch hier. Ein Mann verliert seine Firma und das Haus, er erschießt Frau und Sohn, versucht, auch sich selbst zu töten, und seine Tochter kriegt das alles mit, hört Schüsse und sieht Bilder - ein Trauma, dem sie nicht entkommt.

Wird schon wieder gut, sagen die Leute. Aber das stimmt nicht

Nach Ewigkeiten im Gefängnis hat der Mann eine neue Familie, aber alles holt ihn ein, und bald haben Batic (Miroslav Nemec) und Leitmayr (Udo Wachtveitl) die Frage zu klären, was Ella (sehr berührend: Anna Drexler) damit zu tun haben könnte. Wird schon wieder gut, sagen die Leute. Aber das stimmt ja nicht. "Die Tragödie vergisst einen nie", sagt ein alter Polizist. Und eine Frau, deren Sohn im Dienst gestorben ist, hört Polizeifunk, weil sich das so anfühlt, als wäre er immer noch auf Streife.

Die Geschichte ist konventionell erzählt, mit Rückblenden und Albtraumsequenzen. Die Fallanalytikerin Christine Lerch (Lisa Wagner) wirkt immer noch ein wenig hineinmontiert ins Ensemble, und dass ein Vater sein Kind "Schneeflöckchen" nennt, ist einigermaßen aufgesetzt und schräg. Andererseits kommt auch ein Mann vor, der dem Nachbarn den Grill ausbrunzt: Bayern wissen, was das heißt, Nichtbayern werden es lernen.

Menschen gibt es, die beckenbauerhaft davonkommen. Und solche, die immer das Pech in voller Ladung abkriegen, das Unglück sitzt ihnen wie ein stolzer, schwarzer Rabe auf der Schulter. Menschen gibt es, die können weglaufen, und andere kommen nicht los, sie sind wie diese alten Elefanten im Zoo, die manchmal so aussehen, als würden sie gleich anfangen zu heulen. Das ist ein leiser und sehr trauriger Tatort.

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Von Carolin Gasteiger und Jessy Asmus

ARD, Sonntag, 20.15 Uhr.

© SZ vom 05.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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