Medienschau zum Rücktritt von Benedikt XVI.:Wertlos, tragisch, inspirierend

Er war ein Missverstandener, ein Konservativer - und er hat die Chance, in die Geschichte einzugehen. Die Entscheidung von Papst Benedikt XVI., sein Amt niederzulegen, sorgt für gemischte Gefühle. Eine Presseschau.

Ein vernichtendes Urteil über die Amtszeit von Benedikt XVI. fällt Spiegel Online: Mit seiner Amtszeit ende ein Pontifikat, das für die katholische Kirche weitgehend wertlos gewesen sei. Hätte Johannes Paul II. doch seinerzeit nur zugelassen, dass sich Joseph Ratzinger, damals noch Präfekt der Glaubenskongregation in Rom, zur Ruhe setzt. "Es hätte ihm und seiner Kirche besser getan", so der Tenor der kritischen Würdigung.

Das Onlineportal der Frankfurter Allgemeinen Zeitung feiert den Papst hingegen als "große historische Figur" - allerdings nicht wegen der Art, mit der er seine Berufung ausfüllte. Er habe bis zum Punkt durchgehalten, den er der Kirche gerade noch zumuten wollte, heißt es. Benedikts Abdanken wird als Fanal für moderne Amtsführung gesehen.

Als wegweisende, souveräne Geste wertet auch die Stuttgarter Zeitung die Rücktrittsankündigung des Papstes. Die katholische Kirche könne diese Entscheidung als Zeichen ansehen, dass Vernunft und Glauben sehr wohl auf einen Nenner zu bringen seien. "Nur derart reformiert und belebt wird die katholische Kirche im Auftrag von Jesus Christus im 21. Jahrhundert ankommen können, ohne sich mit der Zeit gemein machen zu müssen", so das Blatt.

Die Frankfurter Rundschau würdigt den Papst zwar als "konservativen Katholik" und als "herausragenden Theologen". Im Gegensatz zu seinem Vorgänger Johannes Paul II. fehle ihm jedoch dessen "versöhnliches Wesen".

Benedikt XVI. als tragische Figur, als eine Figur, die fehlen wird - so intoniert der Tagesspiegel seinen Kommentar zum Rücktritt des Papstes und skizziert ihn als "Missverstandenen, Solitär, Universalist, Meister des Wortes".

Eisern hält Bild.de an der Herkunft des Papstes fest und titelt am Montagnachmittag: "Rücktritt: Jetzt geht unser Papst ins Kloster".

Auch in der internationalen Presse ruft der Rücktritt des Papstes unterschiedliche Reaktionen hervor. Auf eine ausführliche Würdigung des Papstes verzichtet die Huffington Post noch und bringt es stattdessen mit der prägnanten Zeile auf den Punkt: "Pope out", der Papst ist raus.

Als "rechte Hand" von Johannes Paul II. bezeichnet den amtierenden Papst der britische Guardian, bezweifelt jedoch, dass Benedikt XVI. es seinem Vorgänger gleichtun wollte und mit seinem Handeln auch für Kontroversen sorgte.

Einen Akt tiefster Demut und Selbstaufopferung sieht der Daily Telegraph im Rücktritt des Papstes. Seine Errungenschaften seien subtil, aber umfangreich gewesen. Und es geht noch weiter: "Diejenigen von uns werden ihn vermissen, für die er, auf seine stille Art, der inspirierendste Papst aller Zeiten war", heißt es.

Die israelische Haaretz verabschiedet den Papst als Freund und betitelt ihren Beitrag mit "acht Jahre Freundschaft", in denen Benedikt XVI. das Verhältnis zwischen dem Vatikan und Israel wesentlich verbessert habe.

Kritischere Töne schlägt Spaniens El País an, indem die Zeitung den Papst als "Katholik, der mit jedem Tag dogmatischer wurde" tituliert - entgegen dem Schock, den Benedikts Rücktritt in der spanischsprachigen Welt ausgelöst hatte.

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