Magazine:Im Wettbewerb um das härteste Cover

Magazine: Viele Titelbilder sind eher eine eigene Karikatur als ein Hefteinstieg. Illustration: Bernd Schifferdecker

Viele Titelbilder sind eher eine eigene Karikatur als ein Hefteinstieg. Illustration: Bernd Schifferdecker

Trump als IS-Killer, Erdoğan als Teufel persönlich: Magazine überbieten sich derzeit weltweit bei der Schärfe ihrer Titelseiten. Über Lust und Last, in politischen Zeiten Cover zu gestalten.

Von Ralf Wiegand

Die internationale Ausschreibung um das härteste Präsidenten-Cover aller Zeiten ist noch nicht entschieden. Wie auch, so lange der Wettbewerb unter den Präsidenten noch läuft, wer von ihnen nun wirklich der härteste ist. "Das ist ja das Verstörende an Autokraten und Despoten, wenn man so will", sagt Christian Krug, 51, Chefredakteur des Stern: "Da kommt immer noch etwas. Die haben immer noch einen Pfeil im Köcher."

Der Stern hat sich für den inoffiziellen Wettbewerb neulich mit einem Cover über Recep Tayyip Erdoğan beworben, das den türkischen Staatschef wie zufällig so vor die Fahne seines Landes drapiert, dass die Enden des Halbmondes ihm wie Teufelshörnchen wachsen. Der Economist hat Erdoğan als Sultan in voller Pracht gezeigt, man sah ihn auf Titeln als selbstverliebten Selfie-Macher, als Mafia-Boss, als Luftballon und des Öfteren, Schnauzbart sei dank, auch ein bisschen angehitlert.

Zum Wachrüttel braucht es ein Megafon

Nur US-Präsident Donald Trump beflügelt die Kreativität der Titelreadaktionen noch mehr. "Wachrütteln kann man nicht durch ein leises Flöten im Ohr, da braucht man schon ein Megafon", sagt Christian Krug.

Im Fall Donald Trumps steht das Megafon schon länger am Anschlag. In Elvis-Montur, als Poker-Spieler und in der Rolle des Batman-Bösewichts Joker hat es der US-Präsident, derzeit eindeutig der Posterboy der politischen Blattmacher, schon auf Seite eins geschafft. Das sind noch die netteren Varianten.

In Deutschland hat der Spiegel die Messlatte für den schärfsten Titel gleich zweimal mit Trump nach oben gewuppt: Einmal ließen die Hamburger den White-House-Boss als Komet auf die Erde zurasen - Botschaft: Das Ende der Welt ist nahe, liebes Publikum. Ein anderes Mal schlug Trump der Freiheitsstatue im Stile eines IS-Mörders den Kopf ab und hielt ihn als blutige Trophäe in der Hand. Botschaft: Das Ende der Welt ist inzwischen noch näher. Leises Flöten geht anders, und manche stellen sich die Frage: Kann da wirklich noch was kommen?

Rainer Wörtmann, 72, hat zehn Jahre lang Titelseiten beim Spiegel gestaltet, rund 500 Hefte fallen in seine Verantwortung. In seiner Hamburger Wohnung bewahrt er zwei dicke schwarze Bücher auf, in denen er die Skizzen eingeklebt hat, die er einst für die Titelgeschichten mit Bleistift angefertigte, auf hübschen kleinen Spiegel-Notizblöcken. Die hat er dann an den jeweiligen Illustrator geschickt.

Heute sind es wertvolle Dokumente vor allem der Wendejahre. Wörtmann gab dem Spiegel von 1984 bis 1994 ein Gesicht. Damals war Montag noch Spiegel-Tag, und die Republik sprach über das, was das Hamburger Nachrichtenhaus auf seinem Umschlag als Diskussionsstoff lieferte.

Mit deutschen Politikern wird ein Heft nur selten zum Verkaufshit

Oft, sehr oft war das in dieser Zeit der sechste Kanzler der Bundesrepublik Deutschland, aber nie war dieser Helmut Kohl, obwohl er durchaus als Feindbild im damaligen Spiegel-Haus taugte, als Schlächter, Naturkatastrophe oder auch nur als Birne auf dem Heftcover abgebildet. "Es ist nicht die Aufgabe des Spiegel, zu polemisieren und zu provozieren", findet Wörtmann. Und das dürfte seiner Meinung nach auch gerne noch heute gelten.

Das freilich ist ein frommer Wunsch, denn auch Wörtmann weiß, dass sich die Welt heute schneller dreht und immer mehr Nachrichten in immer kürzerer Zeit auswirft, nur weil sie es kann. Es gibt dafür einfach immer mehr Kanäle. Trump- oder Erdoğan-Memes, selbstgemachte Persiflagen also, kann jeder selbst zu jeder Sekunde über Twitter verbreiten. Tageszeitungen, von denen manche noch bis in die 2000er-Jahre hinein Fotos auf Seite eins für Teufelszeug oder wenigstens für Platzverschwendung hielten, haben sich eine echte Titelseitenkultur angeeignet.

In produktiven Wochen schaffen es Trump, Erdoğan, Putin und manchmal sogar Angela Merkel auch in der Süddeutschen Zeitung dreimal innerhalb von einer Woche über den Bruch. Die eher ins Wochenende hinein erscheinenden Magazinen setzt das gehörig unter Druck: Da braucht's schon mal einen Feuerschweif, damit Trump am Kiosk noch zündet, oder eine Kanzlerin von 2015, die in der Kulisse von 1941 mit Wehrmachtsoffizieren die Akropolis bewundert.

"Wir zitieren, ironisieren und verfremden einen Blick von außen und die Vermischung von deutscher Geschichte und deutscher und europäischer Gegenwart", schrieb Spiegel-Chefredakteur Klaus Brinkbäumer damals zu diesem viel diskutierten Titel ("The German Übermacht").

Die Magazin-Welt steckt in einem Dilemma, wenn man so will. Einerseits sind höchst politische Zeiten angebrochen, für Christian Krug begannen sie mit dem Anschlag auf die Redaktion von Charlie Hebdo im Januar 2015: "Das hat sicherlich auch zu einer Politisierung der Magazinwelt geführt", sagt der Stern-Chefredakteur, auch in seiner Redaktion habe er das gespürt. Die Zahl der politischen Titel, die das Gruner-und-Jahr-Heft seitdem veröffentlicht hat, hat sich Krugs ungeprüfter Schätzung zufolge "mindestens verdreifacht".

Andererseits sind politische Aufmacher am Kiosk nur selten die großen Verkaufsschlager. Schon gar nicht, wenn deutsche Politiker vorne drauf sind. Das politische Personal verändere sich in Deutschland kaum, klagt Krug, immer die gleiche Frisur, immer ähnliche Klamotten. Anders sei das etwa in den USA, wo immer neue Leute immer neuen Stoff lieferten. Anders als Deutschland sei die USA ein Land mit Veränderungswillen, ein Segen für Journalisten. Dagegen seien "Geschichten, die man hier erzählen kann, generell unspannender", findet Christian Krug.

"Von Fake News und Hetze muss ich mich als seriöses Magazin abheben."

Die Geschichten über Trump, Putin, Erdoğan oder den international auch sehr beliebten nordkoreanischen großen Führer Kim Jong-un, den zum Beispiel der New Yorker als Kleinkind mit Raketenspielzeug im Laufstall abgebildet hat, sind per se aufregender. Und sie bedienen allesamt ein Gefühl, in diesem Fall die Angst vor einer neuen Welt, wie sie keiner will, oder zumindest vor Staatschefs, die diese Welt auf ihre Weise verändern. Einen der meistverkauften jüngeren politischen Titel ist dem Stern mit Donald Trump gelungen, als der noch im Wahlkampf steckte.

Das Szenario, was passieren könnte, wenn der irre Milliardär tatsächlich Präsident der USA würde, bebilderten sie eher leise mit Donald Trump, der sich die US-Flagge umlegt wie einen Mantel, der sich also das ganze Land überstülpt. "Wenn die Menschen ein Bedürfnis nach politischer Berichterstattung haben, muss die Zeile gar nicht laut sein", sagt Christian Krug. Nach dem zweiten großen Anschlag von Paris am 13. November 2015 erschien der Stern mit dem in Dunkelheit gehüllten Eiffelturm auf dem Titel, ganz schlicht. Die Angst in einem Bild verkaufte sich blendend.

"Titelbilder um der Titelbilder willen nimmt der Leser übel"

Auch Rainer Wörtmann kennt diese verkaufsfördernde Kraft von Emotionen noch aus seiner Zeit, doch heute, fürchtet er, sind ein paar journalistische Grundsätze verrutscht. "Von Facebook, Fake News und Hetze muss ich mich als seriöses Magazin abheben", findet er, "gute journalistische Regeln", wie zum Beispiel die, einem neuen Amtsinhaber 100 Tage Schonfrist zu gewähren, "sollten nicht außer Acht gelassen werden".

Titelblätter dürften keinesfalls Selbstzweck sein: "Titelbilder um der Titelbilder willen nimmt der Leser übel, wenn er die Geschichte dazu im Heft nicht findet." Das habe ihn an dem umstrittenen Spiegel-Cover mit dem Miss-Liberty-Henker Trump am meisten gestört: Das Thema im Heft sei ein ganz anderes gewesen, nämlich ein Porträt des Trump-Flüsteres Stephen Bannon. Die Argumente der Redaktion, dass solche Leute doch niemand kenne, kontert Wörtmann: "Das Titelbild und die Geschichte müssen so gut sein, dass man die Leute kennenlernen will - und danach auch kennt."

Tatsächlich wirken moderne Magazin-Cover oft wie eine eigene Form, ein illustrierter Kommentar oder eine selbständige Karikatur, oder, wie im Falle des diabolischen Erdoğan auf dem Stern-Titel "Der Erpresser" wie ein Statement. Genau als solches war er auch gedacht. "In dieser Zeile steckt ja auch: Bundesrepublik, lasst euch nicht erpressen", sagt Christian Krug, "wir lassen uns nicht von Autokraten in unser Land hineinregieren. Und auch wir, die Medien, lassen uns nicht einschüchtern."

Dem Türkei-Korrespondent des Stern, Raphael Geiger, hatte schon länger Arbeitsverbot in der Türkei gedroht. "Dieses autokratische Verhalten", sagt Krug, "findet der Stern diabolisch. Das sagt dieses Bild." Geiger hat inzwischen keine Akkreditierung für die Türkei mehr und arbeitet von Athen aus.

Für den aktuellen Platz eins unter den härtesten Präsidenten-Covern reicht dieser Mephisto-Schwenk allerdings genauso wenig wie die Trump-Apokalypsen des Spiegel. Momentan führt den Wettbewerb das irische Magazin Village an. Es zeigte den schlecht gelaunten US-Präsidenten im Porträt - mit Fadenkreuz auf der Schläfe. Titel: "Why not."

Einer der schlimmsten Männer der Welt in einer der mächtigsten Position der Welt könnte Millionen Menschen schaden, sogar Milliarden - ja, eben der ganzen Welt. Warum also nicht einen "Tyrannenmord" in Erwägung ziehen?

Danach kommt wirklich nichts mehr.

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