Medien in Italien:"La Repubblica": Berlusconi ist weg - wer ist der nächste Gegner?

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Die linke Zeitung attackiert traditionell die politische Elite in Italien. Doch der neue Chefredakteur soll mit Premier Renzi persönlich befreundet sein.

Von Stefan Ulrich

Viel Feind, viel Ehr - dies trifft jedenfalls auf die römische Zeitung La Repubblica zu. Am 14. Januar 1976 als dezidiert linkes Intelligenzblatt gegründet, schoss sich die Zeitung unter ihrem ersten Redaktionschef Eugenio Scalfari auf den durchtriebenen Sozialistenchef und zeitweisen Premier Bettino Craxi und den korruptionsverseuchten Parteienstaat ein. Nach 20 Jahren übernahm Ezio Mauro die Leitung der Repubblica und entdeckte einen neuen Feind: den Medienmilliardär Silvio Berlusconi.

Je mächtiger Berlusconi wurde, desto stärker attackierte ihn die Zeitung, desto hartnäckiger versuchte sie, Missetaten des so genannten Cavaliere aufzudecken. So wurde sie zu einem derart einflussreichen Gegengewicht Berlusconis, dass etliche Italiener La Repubblica als "Zeitungspartei" bezeichneten. Sie setzte sich für den Rechtsstaat und die Bürgerrechte ein. Ihre Auflage stieg, auch dank hervorragender Journalisten, zeitweise auf 700 000 Exemplare täglich. Der große Konkurrent Corriere della Sera aus Mailand wurde zeitweise überholt.

Nun sind erneut zwei Jahrzehnte vergangen, und es ist wieder Zeit für einen Wechsel in der Chefredaktion. Mauro begründete Ende November seinen Rücktritt mit den Worten: "20 Jahre würden auch einen Esel umbringen." Am 14. Januar tritt sein Nachfolger, der 45 Jahre alte Mario Calabresi, den Dienst im Redaktionssitz in der Via Cristoforo Colombo in Rom an. Calabresi war zuletzt Chefredakteur der Tageszeitung La Stampa. Früher hatte er auch für La Repubblica gearbeitet, unter anderem als deren Korrespondent in New York. Er hat, was man Stallgeruch nennt.

Soweit, so gut. Nur: Wer soll jetzt die Rolle des Hauptfeindes einnehmen, die für den Aufstieg dieser Zeitung so nützlich war?

Berlusconi wirkt politisch scheintot

Bettino Craxi starb im tunesischen Exil, Berlusconi wirkt politisch mindestens scheintot. Der starke Mann in Rom heißt heute Matteo Renzi. Er führt die Regierung und den sozialdemokratisch ausgerichteten Partito Democratico. Renzi, ein Reformer mit wirtschaftsliberalen Ansätzen und christdemokratischen Wurzeln, ließe sich leicht von links attackieren. Der neue Chefredakteur Calabresi gilt jedoch als Renzi-Fan. Manche sagen gar, die beiden seien persönlich befreundet. Daher heißt es in Rom im Palazzo Chigi, dem Sitz des Premiers, würden Spumante-Korken knallen. Das gefällt nicht allen bei La Repubblica.

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Mario Calabresi ist der Sohn des Polizei-Kommissars Luigi Calabresi, den Linksterroristen 1972 in Mailand ermordeten. Als Anstifter des Verbrechens wurde Adriano Sofri, der Gründer der linksradikalen Gruppe "Lotta Continua" verurteilt. Seine Gefängnisstrafe hat er verbüßt. Zuletzt schrieb er Beiträge für La Repubblica. Als Sofri nun erfuhr, dass der Sohn des Ermordeten neuer Redaktionschef werde, kündigte er an, seine Mitarbeit zu beenden.

Mario Calabresi übernimmt die Zeitung in schwierigen Zeiten. Wie in anderen Ländern auch kämpft die Presse in Italien mit einem Auflagen- und Anzeigenschwund. Außerdem war Italien nie ein großes Zeitungsleserland. La Repubblica verkauft heute nur noch etwa 230 000 gedruckte Zeitungen am Tag, in etwa so viele wie der Corriere della Sera. Das Online-Geschäft bringt noch nicht so viel ein wie erhofft.

Dennoch ist La Repubblica nach wie vor eine der großen Qualitätszeitungen Europas. Sie hat das bleibende Verdienst, viele italienische Kommunisten und andere radikale Linke an die westliche Demokratie herangeführt zu haben.

© SZ vom 29.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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