MDR-Affäre:Verwirrspiel in Leipzig

In der Affäre beim MDR werden immer neue Details aus dem Geschäftsgebahren des inzwischen entlassenen Unterhaltungschef Udo Foht bekannt. Ein neuer Intendant soll aufräumen, doch der bislang einzige Aspirant soll vor allem aus politischen Gründen auf das Kandidatenschild gehoben worden sein.

Christiane Kohl

In der Leipziger Media City sind die Wege kurz. Der Gebäudekomplex mit seinen modernst ausgestatteten Studios und den Geschäftsräumen von Filmproduktionsfirmen, Agenturen und Journalistenbüros schmiegt sich dicht an den zentralen Sitz des Mitteldeutschen Rundfunks, der hier nach der Wende auf dem Areal eines ehemaligen Schlachthofs eingerichtet wurde. Was hinter den großzügigen Glasfassaden so vor sich geht, mutet eher undurchsichtig an: Seit Monaten wird im MDR versucht, ein Geflecht von Skandalen aufzuklären, in das neben dem einstigen Unterhaltungschef des MDR Udo Foht auch zahlreiche Firmen aus der Media City verwickelt sind. Parallel dazu laufen im MDR die Vorbereitungen für die Wahl des neuen Intendanten auf Hochtouren.

Goldene Henne 2010

Gute Laune bei der Verleihung der Goldenen Henne durch MDR und Burda-Verlag im vergangenen Jahr. Damals kamen unter anderem die Schauspieler Fritz Wepper und Janina Hartwig, Sängerin Helene Fischer, Pianist Lang Lang, Minister Peter Ramsauer, Künstler Christo, Berlins Bürgermeister Klaus Wowereit und Joachim Gauck (v. l. n. r). 2008 soll es im Vorfeld der Gala zu einer ominösen Barzahlung gekommen sein.

(Foto: ddp images/dapd/dapd)

Auf "Treu und Glauben" will auch Udo Foht sein kaum mehr überschaubares Geflecht von Geldtransfers begründet haben. Die Leipziger Staatsanwaltschaft bezweifelt das. Sie vermutet Untreue, Betrug, Bestechung und Bestechlichkeit. Ermittelt wird gegen Foht wie auch gegen fünf weitere Beschuldigte, darunter der bekannte Musikmanager Hans R. Beierlein sowie der eine oder andere Firmenchef aus der Media City.

Nach dem bisherigen Stand der Ermittlungen muss es hinter den Leipziger Glasfassaden zuweilen wie auf dem Schwarzmarkt zugegangen sein. So räumt Foht selbst ein, dass er am 22. Juni dieses Jahres in seinem Arbeitszimmer von einem TV-Produzenten 20 000 Euro in bar erhalten habe. Postwendend habe er das Geld in die Media City getragen, wo der Geschäftsführer der Ariane Film GmbH Christian Schulzki schon länger auf die Begleichung eines Verrechnungsschecks wartete, den er zwei Jahre zuvor an Foht gegeben hatte. Mit dem Bargeld konnte Schulzki allerdings nichts anfangen, weshalb der Geschäftsführer und der Unterhaltungschef andern Tags gemeinsam zur Hausbank von Ariane Film fuhren.

Die Bareinzahlung war der vorläufige Abschluss eines Geldtransfers, dessen Sinn und Zweck bis heute nicht recht erklärlich ist. 2008 hatte sich Foht eigenen Aussagen zufolge von Ariane Film einen Verrechnungsscheck als "Produktionsdarlehen" geben lassen - für eine Sendung mit dem Titel Wir sind überall. Dabei ging es um Ostdeutsche, die es nach der Wende ins Ausland verschlagen hatte - eine Sendereihe, für die zahlreiche Folgen geplant waren. Diese sollten laut Foht von der Berliner TV-Firma Just for fun vorbereitet werden. Schnell habe man Geld für Reisekosten auftreiben müssen. Wie es hieß, gab es eine Gelegenheit, billig an Flüge heranzukommen - und so pumpte der MDR-Unterhaltungschef den Unternehmer Schultzki an. Dieser erinnert sich allerdings, wegen der Liquiditätsschwierigkeiten eines ganz anderen Unternehmens von Foht angegangen worden zu sein - der Joke & Org Medien GmbH, die ihren Sitz ebenfalls in der Media City hat.

Geld für Reisekosten musste her

Das Unternehmen Joke & Org aber wusste nichts von dem Geldtransfer. Auch Just for Fun hat den Verrechnungsscheck der Ariane Film wohl nicht bekommen: Jedenfalls wurde der Scheck ausweislich der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen nicht von dem Berliner Unternehmen eingelöst. Immerhin: Die Sendereiehe Wir sind überall wurde produziert, allerdings nicht von der Firma Just for Fun, sondern von dem Unternehmen NEO productions GmbH, die ihre Büroräume ebenfalls in der Media City hat. Das Unternehmen soll denn auch später einen Betrag in Höhe von rund 42.000 Euro beglichen haben, den Just for Fun angeblich durch Fohts Vermittlung von dem Burda-Vorstand Philipp Welte geliehen bekommen haben soll.

Es ist ein kaum entwirrbares Durcheinander von Hin- und Herzahlungen, die der einstige MDR-Unterhaltungschef Foht offenbar durch seine mehr oder weniger hartnäckigen Bitten bei einzelnen Produzenten und sonstigen Bekannten ausgelöst hat. Allein zur Sendereihe Wir sind überall liegen der Staatsanwaltschaft Bestätigungen dreier Firmen für "Produktionsdarlehen" vor, die Foht offenbar von anderen Firmen oder auch Personen besorgte. Die Ermittler gehen davon aus, dass als Gegenleistungen für die Leihgaben an Foht und seine Freunde den beteiligten TV-Produzenten handfeste Versprechungen gemacht wurden - weshalb der Vorwurf der Bestechung und der Bestechlichkeit erhoben wird.

Ausweislich der beim MDR vorliegenden Akten soll Foht tatsächlich noch bis Sommer 2011 alle möglichen Sendezusagen gegeben haben. So im Oktober 2010 an das Unternehmen Gillming & Co für zehn Folgen einer Talkshow mit dem Arbeitstitel Generationen-Dialog - mithin für Gesamtkosten von rund 200.000 Euro. Noch im Juli 2011 gab er der Firma NEO productions in Leipzig auch eine schriftliche Zusage über weitere Folgen der Sendung Wir sind überall. Unterdessen ist den Ermittlern bislang offenbar unklar, was es mit einer ominösen Barzahlung auf sich hat, die im Zusammenhang mit der Sendung Goldene Henne 2008 geflossen war.

Kurz vor Beginn der Fernseh-Gala, die vom MDR gemeinsam mit der Ost-Illustrierten Super Illu ausgerichtet wird, will Foht am 17. September 2008 von den Agenten zweier Künstlerinnen aufgefordert worden sein, ihnen noch am Abend das Honorar in bar auszubezahlen. Daraufhin brachte Foht offenbar den Geschäftsführer der Super Illu dazu, ihm 20.000 Euro in Scheinen mitzubringen. Was mit dem Geld geschah, ist bis heute ungeklärt: Die beiden Künstlerinnen Gloria Gaynor und Kathleen Fisher jedenfalls bekamen es nicht, da mit ihnen ganz andere Honorarvereinbarungen getroffen worden waren. Der Fall Foht ist noch immer mit vielen Fragezeichen behaftet.

Ein Neuer soll aufräumen

Bereits im Februar 2009 hatte MDR-Fernsehdirektor Wolfgang Vietze ausweislich der vorliegenden Unterlagen erste Einblicke in das merkwürdige Finanzierungssystem Fohts bekommen. Damals hatte sich der Geschäftsführer der Super Illu an Vietze gewandt, weil er offenbar auf die Rückzahlung seiner zur Goldenen Henne geliehenen 20.000 Euro wartete. Vietze forderte Foht daraufhin auf, die Angelegenheit zu bereinigen.

Im April 2009 wurde die Leihschuld tatsächlich beglichen - von einer anderen Person, als derjenigen, die Foht gegenüber Vietze angegeben hatte. Schon damals hätte in der Fernsehdirektion jeder aufmerksam werden müssen. Doch dem war nicht so. Und auch als sich, im September 2009, ein weiterer "Darlehensgeber" an den MDR wandte, erkannte offenbar niemand, dass die Fohts Geldleihpraktiken Methode hatten. Diesmal hatte ein Berliner Musik-Manager direkt an MDR-Intendant Udo Reiter geschrieben. Dieser leitete den Vorgang an Vietze in die Fernsehdirektion weiter, wo man sich wiederum nur dafür interessierte, dass das Geld - es ging um 10.000 Euro - bezahlt wurde. Von wem und wofür, wurde offenbar nicht erkundet.

Ein heilloses Durcheinander von Zahlungen und Zuständigkeiten. Ein neuer Mann soll das Chaos beseitigen. Am kommenden Montag steht der bisherige Chefredakteur der Leipziger Volkszeitung, Bernd Hilder, 52, zur Wahl für das Intendanten-Amt im MDR. Er soll Nachfolger des 67-jährigen Reiters werden und ist der einzige Kandidat für diesen in der mitteldeutschen Medienlandschaft sehr bedeutenden Posten. Schriftliche Unterlagen über seinen bisherigen beruflichen Werdegang, seine Qualifikationen und die Gründe, warum man ihn für den richtigen Kandidaten hält, wurden bislang nicht vorgelegt.

Vor vielen Jahren stand Bernd Hilder mal als Hörfunk-Korrespondent in Südamerika in den Diensten einer Öffentlich Rechtlichen Anstalt. Heute steht er im Ruf, vor allem aus politischen Gründen vom Chef der sächsischen Staatskanzlei Johannes Beermann (CDU) auf das Kandidatenschild gehoben worden zu sein. Hilder verwahrt sich entschieden dagegen. Für den MDR steht einiges auf dem Spiel. Aber auch für Beermann, den vermeintlichen Strippenzieher: Als beauftragter Medien-Koordinator der CDU ist die MDR-Intendant-Wahl eine Art Gesellenstück für ihn.

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