ARD-Film zum Irakkrieg:Der Schwindler darf jetzt Opfer sein

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"Ich musste etwas für mein Land tun", sagt Rafid Ahmed Alwan al-Janabi. Er hatte 1999 falsche Enthüllungen über Massenvernichtungswaffen im Irak gemacht. (Foto: ARD)

Die ARD bedient in einer Doku über den Irakkrieg landläufige Paranoia. Protagonist des Films ist der Informant "Curveball" - jener Mann, der Amerika mit einer Lüge den Kriegsgrund lieferte.

Von Bernd Graff

Dieser Film ist keine Dokumentation, keine Reportage. Er ist ein leichtes Aufwärmtraining für alle, die sowieso daran glauben, dass Geheimdienste ein Schattenreich prekärer Legalität errichtet haben, bestens ausgestattet mit Macht, Geld, Technik. Wer an dieses sinistre Reich glaubt, der wird sich mit Krieg der Lügen - Curveball und der Irakkrieg schaurigstschön unterhalten fühlen können.

Matthias Bittner, der Filmemacher, hat sich ein Thema ausgesucht, bei dem man nichts falsch machen kann, wenn man die landläufige Paranoia bedienen will. Er hat Rafid Ahmed Alwan, einen outrierten Selbstdarsteller, gebeten, noch einmal ausführlich seine fast schtonk-hafte Räuberpistole auszubreiten, die begründen soll, wie es im Februar 2003 zu jenem unsäglichen Auftritt des damaligen US-Außenministers Colin Powell vor dem UN-Sicherheitsrat kam: damals legte Powell vermeintliche Beweise für die Existenz von Massenvernichtungswaffen im Irak vor, die den Sturz Saddam Husseins und den Irakkrieg legitimieren sollten.

Denn Rafid Ahmed Alwan, Codename: Curveball, ist jener Informant aus dem Irak, der 1999 nach seinem Asylantrag in Deutschland behauptet hatte, in seiner Heimat Direktor einer Anlage zur Produktion chemischer Kampfstoffe gewesen zu sein und mobile Produktionsanlagen erfunden zu haben. Bunte Illustrationen solcher LKW zeigte Powell der UN, auch sie dienten damals als Beweise.

Er zelebriert seinen Auftritt: große Geste, große Gefühle, viel Zigarettenqualm und Pathos

Anfang 2006 stellte sich heraus: Das sind gar keine Enthüllungen. Das ist alles erlogen. Damals recherchierten der Geheimdienstexperte der Los Angeles Times, Bob Drogin, und der deutsche Journalist John Goetz (der auch für die SZ arbeitet) den Fall dieses Exil-Irakers, der den Bundesnachrichtendienst über angebliche rollende Bio-Waffenlabore informiert hatte. Obwohl der BND die US-Regierung 2002 darauf hinwies, dass sich seine Angaben nicht bestätigt hätten, wurde der Mann zum heimlichen Kronzeugen für die angeblichen Bio-Waffen des Saddam Hussein.

Curveball ist nun der einzige, der außer dem Filmemacher direkt zu Wort kommt; er ist der einzige, dessen Gesicht man sieht - die historischen TV-Einspielungen aus der Zeit natürlich ausgenommen.

Und Rafid Ahmed Alwan zelebriert seinen Auftritt: mit großer Geste, großen Gefühlen, viel Zigaretten-Qualm und nachdenklichem Pathos. Manchmal, so scheint es, fällt es ihm aber gar nicht leicht, das Gesicht des Geständigen zu wahren und bei diesem einfühlenden Psychoverhör nicht aus der Rolle zu fallen. Doch Rafid Ahmed Alwan spielt mit, fällt ins Wort, er hat den Filmemacher am Haken, nicht umgekehrt.

Als sei der deutsche Geheimdienst mit Curveball eine Symbiose eingegangen

So erzählt Curveball seine Story in der Art, als ob er und die deutschen Geheimdienstler eine Art Symbiose eingegangen wären: Die Schlapphüte suchten angeblich genau einen wie ihn, der Belastungsmaterial gegen Saddam mundgerecht lieferte. Curveball lieferte brav und beständig.

Was den Film diskreditiert, ist die Form der Aufarbeitung: Niemand wird mit Curveballs Aussagen konfrontiert, es gibt nur subjektivistisches Reenactment der Story. Sie erfolgt aus der Perspektive eines First-Person-Shooters: Bis hin zum Suppelöffeln suggeriert das Kamera-Auge, es sei ein Zyklopen-Auge im Kopf des Protagonisten dieses Films. Seine Strukturierung als Countdown zum Irakkrieg, der stasigerechte Holzfurnier-Charme in den Büros der Schlapphüte, der Soundtrack des Action-Kinos verstärken den Eindruck, dass hier die unglaubwürdige Geschichte eines Unglaubwürdigen zum Reißer hochgejazzt werden sollte. Was sagt Rafid, nachdem der große Schwindel aufgeflogen war? "Sie haben die Fehler aller Geheimdienste auf meine Schultern gelegt. Ich bin der einzige Verlierer der Operation." Drunter tut der Film es nicht.

Krieg der Lügen, ARD, 22.45 Uhr.

© SZ vom 09.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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