Mario Adorf: "Der letzte Patriarch":Die Nacht der langen Messer

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Familiendrama, Liebesgeschichte, Wirtschaftskrimi: Die ARD stellt Mario Adorf auf eine Bühne, die er füllt - und macht ihm mit dem Zweiteiler ein angemessenes Geburtstagsgeschenk.

Else Buschheuer

Konrad Hansen (Mario Adorf) ist ein stattlicher Mann mit einem schneemannweißen Bart. Er strahlt alles aus, was ein Patriarch haben muss: Reife und Autorität, Eleganz und Gelassenheit. Kein Zweifel, dieser Mann kann auf den Tisch hauen, dass es nur so scheppert. Für einen Sugardaddy ist er noch zu straff. Aber wenn er den Rotwein eingießt, zittert seine Hand.

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Hansen hat die Familie in seiner Lübecker Fabrikantenvilla zusammengerufen und hebt feierlich sein Glas. Alle schauen ihn erwartungsvoll an: Valerie, seine dritte Frau, ein Ausbund an Schönheit und kühler Eleganz. Sven und Lars, seine unterschiedlichen, aber gleich ehrgeizigen Söhne, und Tochter Britta, die sich als stille Teilhaberin ins Familienleben zurückgezogen hat. Sie alle leben von Hansens Erfolgsprodukt: einer Mischung aus Mandelmus und Zucker.

Auf das Mischungsverhältnis kommt es an. Mit ihm steht und fällt der Erfolg eines Unternehmens. Bei Hansen ist es Marzipan, streng hergestellt nach dem Rezept der Urgroßmutter, aufgeschrieben 1882.

Und nachmittags in den Zoo

"Ich trete ab", sagt Vater Hansen, "und du, Lars, wirst ab heute das Kommando übernehmen." Die Großaufnahmen der Gesichter sprechen Bände. Blicke werden getauscht. Ein ungünstiges Beziehungsgeflecht blitzt auf. Wer liebt, wer hasst hier wen?

Es ist die Nacht der langen Messer. "Und ich erfahr davon natürlich wieder mal als Letzte", murrt Valerie, als die Rasselbande weg ist. Hansen sieht sie verdattert an: "Du hast dich doch immer beklagt, ich hätte so wenig Zeit für dich. Frühstück morgens im Bett. Davon redest du doch immer. Das können wir jetzt haben, so oft du willst." Und sie dann: "Und nachmittags gehen wir dann mit den Enkelkindern in den Zoo und füttern die Affen. Wie schön."

So viel Sarkasmus macht den alten Hansen stumm. Sie freut sich gar nicht. Warum? Enttäuscht geht er zur Bäuerin Ruth Buchleitner (Hannelore Elsner), seiner Langzeit-Geliebten, die in der Nähe idyllisch zwischen Schafen, Hunden und teuren Whiskysorten lebt. Ruth versteht ihn, wenigstens sie. Sven, sein Ältester, ist stinksauer. Er reißt sich den Arsch auf in der väterlichen Firma, und Lars schöpft den Rahm ab. Lars, das alerte weltgewandte Nesthäkchen, das nach China expandieren will und ein Weiberheld ist, so wie der Alte früher.

Schon am nächsten Tag fliegt Lars nach China. Wir sehen die futuristische Skyline Shanghais und wieselflinke Chinesen, die sich wie Maschinenmännchen bewegen, perfekte Turbo-Arbeitsbienen, gefährlich, gut unterrichtet und vollkommen undurchsichtig. Sie wollen natürlich ran an Hansens Marzipan, die Geheimrezeptur klauen - und zack, Produkt-Piraterie, perfekt platziert, made in China.

Auf das Mischungsverhältnis kommt es an. Beim Letzten Patriarchen stimmt es: Der Film ist zu gleichen Teilen Familiendrama, Liebesgeschichte, Wirtschaftskrimi. Ein würdiges Geschenk zu Mario Adorfs 80. Geburtstag - obwohl der Zweiteiler aus der ARD-Industrieschmiede Degeto stammt.

"Der letzte Patriarch", ARD, am Freitag, 20.15 Uhr. Teil 2 folgt unmittelbar, um 21.45 Uhr.

© SZ vom 09.09.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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