"Maischberger" zur US-Wahl 2016:Wer ist schuld an Donald Trump?

Die Gäste der ARD Talkshow Maischberger am 09 11 2016 in Köln mit dem Thema Der Trump Schock Wie ve

Wer ist schuld an Donald Trump? Dafür hat jeder der geladenen Gäste eine ganz eigene Erklärung. Von links nach rechts: Julian Reichelt, Nadja Atwal, Oskar Lafontaine, Sandra Maischberger, Thomas Roth, Alice Schwarzer und Eric T. Hansen.

(Foto: imago/Horst Galuschka)

Sandra Maischberger sucht mit ihren Talkshow-Gästen nach Antworten. Beim Schlagabtausch zwischen Alice Schwarzer und einer Trump-Enthusiastin zeigt sich, wie sehr die faktenunabhängige Denkweise die Diskussionskultur zersetzt hat.

TV-Kritik von Julian Dörr

Warum kompliziert, wenn es auch einfach geht. Das könnte so etwas wie der Wahlspruch einer neuen politischen Bewegung sein. Eine Bewegung, die nicht mehr an die komplexen Absprachen und Konsensfindungen der repräsentativen Demokratie glaubt. Eine Bewegung, die einfache Welterklärungen den verworrenen Zusammenhängen der Realität vorzieht. Eine Bewegung, die in der vergangenen Nacht Donald Trump zum nächsten Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika gewählt hat.

Die USA sind gespalten, eine Hälfte ist konsterniert, die andere jubelt. Zur letzteren Gruppe gehört Nadja Atwal. Auf dem Sofa von Sandra Maischberger erklärt die in den USA lebende Geschäftsfrau ihre Faszination für Trump: Er sei eben ein Mann, der "klare Worte für klare Fakten" fände. Denn manchmal seien die Dinge einfach. Ein Satz, der in die Irre führt. Denn um Fakten geht es hier nicht mehr. Die Talkrunde von Sandra Maischberger zeigt an diesem Abend, wie schwierig es mittlerweile für alle beteiligten Akteure ist, eine konstruktive Diskussion zu führen.

In der Nacht zuvor hat die Mehrheit der US-amerikanischen Bevölkerung einen ehemaligen Reality-TV-Star zu ihrem nächsten Präsidenten gemacht. Am ersten Tag nach der Schicksalswahl ist die Welt erstarrt. Bei Maischberger soll es um den "Trump-Schock" und seine Auswirkungen gehen.

Doch erst einmal wird über die Ursachen diskutiert. Wer ist schuld an Donald Trump? Dafür hat jeder der geladenen Gäste eine ganz eigene Erklärung. Für die Feministin Alice Schwarzer ist es der abgehängte weiße Mann, Linken-Politiker Oskar Lafontaine sieht die Wurzel allen Übels im politischen und wirtschaftlichen System der USA: "Es ist ja nicht Trump gewählt worden, das System ist abgewählt worden." Bild-Mann Julian Reichelt gibt Obama und seinen nicht eingelösten Versprechen die Schuld am Aufstieg Trumps.

Heimatprobleme über Trump gestülpt

Der Einzige, der sich nicht an dieser kollektiven Therapiestunde nach der Schock-Nacht beteiligt, ist der US-amerikanische Autor Eric T. Hansen. Er feuert gegen den Eurozentrismus seiner Mitgäste: "Sie nehmen ihre Heimatprobleme und stülpen sie über Trump." Es geht bei dieser Wahl eben nicht nur um weiße, vom Kapitalismus abgehängte Männer. Auch Frauen haben Trump gewählt, ebenso wie Menschen mit Hochschulabschluss. Alles andere sind einfache Erklärungen. Eine Erkenntnis dieses Abends: Vor postfaktischer Logik ist niemand gefeit.

Wie sehr diese Denkweise die Diskussionskultur zersetzt hat, zeigt sich im Schlagabtausch zwischen Schwarzer und der Trump-Enthusiastin Atwal. Es geht um die gescheiterte Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton, die laut Atwal die Wahl verloren hat, weil sie in jedem Job ihrer Karriere versagt hat.

Atwal will Schwarzer als Feministin und Clinton-Unterstützerin eine Frage stellen, aber sie stellt keine Frage. Schwarzer antwortet, aber Atwal fällt ihr ins Wort. Immer wenn die eine eine Tatsache nennt, übertönt die andere sie mit dem Gegenstück. Hier geht es nicht mehr um Argumente, sondern um den Effekt.

Dieser Mechanismus wurde in den vergangenen Wochen und Monaten ausführlich beschrieben und analysiert. Doch wie mit ihm umgehen? Nach Brexit und Trump ist klar: die klassischen journalistischen Aufklärungs- und Entschleierungstaktiken greifen nicht mehr.

"Die Eliten haben versagt"

Die US-Wahlnacht hat deutlich gezeigt, wie sehr sich Massenmedien und große Teile der Bevölkerung voneinander entfernt haben. "Die Eliten haben versagt", kommentiert der ehemalige Tagesthemen-Moderator Thomas Roth bei Maischberger.

Wer dies nur als US-amerikanisches Problem abtut, liegt falsch. Denn so spezifisch amerikanisch sind die Zustände nicht. Autor Hansen bringt das gleich zu Beginn der Sendung auf den Punkt. Was diese Wahlnacht für die USA gezeigt habe, das gelte auch für Deutschland. "Weder die Politik noch die Medien interessieren sich für eine breite Schicht der Bevölkerung. Die AfD-Wähler sind die gleichen Wähler wie die Trump-Wähler. Und die werden schon in den Schlagzeilen als Verrückte abgestempelt."

Man muss gegen den Irrsinn von Faktenleugnern, Lügenverbreitern und Vereinfachern vorgehen. Selbst einer werden darf man dabei nicht.

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