Maischberger über Populismus und Islam:"Meine Scharia sagt, dass ich loyal sein soll zu dem Land, in dem ich lebe"

Maischberger, Folge 505; Maischberger - Publikumsdebatte

Sandra Maischberger hat erstmals Zuschauer aus ganz Deutschlands in ihr Studio eingeladen, um mit ihnen zu diskutieren.

(Foto: WDR/Max Kohr)

Bei Sandra Maischberger soll "das Volk" über den Islam diskutieren, die Experten sitzen nur am Rand. Gute Idee, mangelhaft umgesetzt. Immerhin: Die Runde bleibt bemerkenswert zivilisiert.

TV-Kritik von Luise Checchin

Jeder Talkshowabend ist bekanntlich ein - mal mehr, mal weniger gelungenes - Spektakel, das in sich abgeschlossen ist und für sich funktioniert. Manchmal aber greift auch bei einer Talkshow das Prinzip der Serie. Vergangenen Mittwoch, als es bei Sandra Maischberger um die Frage ging, wer oder was verantwortlich für Donald Trumps Wahlsieg sei, da proklamierte der eingeladene US-amerikanische Autor Eric T. Hansen: "Weder die Politik noch die Medien interessieren sich für eine breite Schicht der Bevölkerung. Die AfD-Wähler sind die gleichen Wähler wie die Trump-Wähler. Und die werden schon in den Schlagzeilen als Verrückte abgestempelt."

Eine Woche später nun sitzt die Bevölkerung im Maischberger-Studio, und zwar auf den wichtigen Plätzen, da wo die Scheinwerfer hinleuchten und die Menschen Mikrofone tragen. Man wolle ein Experiment wagen, hieß es im Vorfeld: "Wir wollen das Publikum zum Hauptakteur der Sendung machen. Es soll nicht nur zuschauen und applaudieren, sondern wie unsere 'klassischen' Studiogäste offen seine Meinung in der Sendung vertreten". Die Zuschauer nicht als Facebook-Nutzer, deren Kommentare verlesen werden, sondern als ebenbürtige Gesprächspartner, das ist tatsächlich eine Neuerung.

"Angst vor dem Islam - Alles nur Populismus?", lautet der suggestive Titel der Sendung. Es soll darum gehen, inwiefern sich nach der Trump-Wahl auch die deutsche Islamdebatte verschärfen könnte.

Ein paar Repräsentanten des klassischen Talkshow-Personals gibt es immerhin: Aydan Özoğuz, die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, und der CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer sind gekommen, eine Islamwissenschaftlerin, ein Journalist und ein Imam. Im Mittelpunkt aber steht tatsächlich das Publikum, was schon daran deutlich wird, dass es keine Platzhierarchie gibt: Die Experten sitzen verteilt im Raum neben den ganz normalen Zuschauern.

Moscheebauten, Burkaverbot, Kopftuch, Leitkultur

Wer im Publikum denn für Trumps Vorstoß sei, in den USA lebende Muslime registrieren zu lassen, will Maischberger zu Beginn wissen. Sie wird allerdings nicht fündig. Um Trump wird es in dieser Sendung dann auch gar nicht gehen, wohl aber um die berüchtigte deutsche "Angst vor dem Islam", die sehr vielgestaltig daherkommt: Von der Silvesternacht in Köln ist da die Rede, von beschädigten Gipfelkreuzen im Allgäu, von außer Kontrolle geratenen muslimischen Jugendlichen. Zu häufig bleiben solche Aussagen leider unkommentiert stehen, was auch am Sendungsformat liegt, das eben möglichst viele Menschen zu Wort kommen lassen will.

Einigermaßen ausgewogen ist der Abend aber trotzdem, denn es gibt auch noch die andere Seite: Da ist der Vorsteher der Erfurter Ahmadiyya-Gemeinde, der in der dritten Generation in Thüringen lebt, dort eine Moschee errichten möchte und erklärt: "Meine Scharia sagt, dass ich loyal sein soll zu dem Land, in dem ich lebe." Da ist die muslimische BWL-Studentin, die davon erzählt, wie schwierig es ist, mit Kopftuch auf Stellensuche zu gehen. Da ist der ältere Herr, der eine Polarisierung der Gesellschaft beklagt, wie er sie aus RAF-Zeiten kenne.

So arbeitet man sich gewissenhaft, aber ohne in die Tiefe zu gehen, an einzelnen Themengebieten ab: Moscheebauten, Burkaverbot, Kopftuch, Leitkultur. Die Integrationsbeauftrage Özoğuz bemüht sich zu erklären, warum sie die Vollverschleierung ablehnt, aber trotzdem nicht verbieten möchte. Generalsekretär Scheuer wiederholt munter einige CSU-Floskeln, wonach die deutsche Leitkultur mehr als das Grundgesetz sei, wer in Deutschland ankomme auch die Hausordnung beachten müsse und Schweinefleisch selbstverständlich auf den Speiseplan gehöre.

Das Publikums-Experiment zeigt die Graubereiche auf

Aber was genau versteht die deutsche Gesellschaft unter Integration, wie definiert sie ihre Werte? Das fragt Ali Can, der eine Hotline für "besorgte Bürger" betreibt, mit der er den Leuten die Angst vor Flüchtlingen nehmen will. "Integration ist ja nicht Socken in Sandalen tragen", fügt er hinzu.

Solche vorwärts gerichteten, produktiven Einwürfe abseits der Ängste sind eher selten an diesem Abend, aber es gibt sie durchaus. Etwa, wenn ein junger Syrer davon berichtet, wie Christen und Muslime in Aleppo vor dem Krieg friedlich koexistiert haben. Nun lebt der junge Mann in einer deutschen Aufnahmefamilie, enthusiastisch erzählt seine Gastgeberin, die neben ihm sitzt, vom Austausch der Kulturen, den sie seither erlebt. Trotzdem, sagt die Frau, könne sie einen Unternehmer verstehen, der sich weigert, eine Kopftuch tragende Frau in seiner Firma anzustellen.

Es ist vor allem das Aufzeigen dieser Graubereiche und Widersprüche, die das Publikums-Experiment lohnenswert macht. Eine richtige Diskussion kommt freilich nicht zustande, dazu gibt es zu viele Gesprächspartner, dazu bleibt der Abend zu sehr eine Verlautbarung einzelner Standpunkte. Bemerkenswerterweise ist der Ton dabei aber stets ein zivilisierter, man lässt sich ausreden, hört zu und bleibt höflich - sicherlich mehr als zurzeit von den meisten Debatten zu diesem Thema gesagt werden kann.

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