"Maischberger" in der ARD:Maischberger-Talk: Für Sarrazin hat Trump das Zeug zum Friedensstifter

Thilo Sarrazin bei Maischberger, ARD

Versteigt sich in schwer nachvollziehbaren Erklärungen für das Lohnproblem der USA: Publizist Thilo Sarrazin bei Maischberger.

(Foto: WDR/Max Kohr)

Der umstrittene Einreisestopp des US-Präsidenten sei in Ordnung, nur schlecht formuliert, befindet Sarrazin im ARD-Talk. Ein Historiker sieht bei Trump Parallelen zu John F. Kennedy.

TV-Kritik von Maximilian Heim

Es gibt zwei Möglichkeiten, diesen Text zu beginnen. Die optimistische Variante geht so: Irgendwann in dieser Maischberger-Sendung betont der Historiker Michael Wolffsohn, wie vorbildlich US-Justiz, Presse und Teile der Gesellschaft mit den wütenden Anordnungen Donald Trumps umgingen. Das demokratische System funktioniere - und ohnehin solle man nach drei Wochen vorsichtig sein mit großen Urteilen. "Unsicherheit zu verbreiten, ist ein Verhandlungsinstrument", sagt Wolffsohn.

Wie gesagt, das ist die optimistische Variante. Die weniger optimistische liest sich so: Irgendwann in dieser Maischberger-Sendung meldet sich die in den USA arbeitende Juristin Sandra Navidi zu Wort. Es geht um Amerikas Verhältnis zu Iran und die Frage nach einem möglichen Krieg. Trumps rechter Schattenmann und Chefberater Steve Bannon werde auch vor aggressiven Schritten nicht zurückschrecken, sagt Navidi. Ihm gehe es erklärtermaßen um die Zerstörung des politischen Systems.

Seit knapp vier Wochen ist Donald Trump neuer US-Präsident - und alle Deutungen seiner bisherigen Amtszeit bewegen sich zwischen diesen beiden Perspektiven, zwischen "Wird-schon-nicht-so-schlimm-werden" und "Weltuntergang". Erschwerend hinzu kommt die unglaubliche Schlagzahl an Forderungen, Kehrtwenden und Beschimpfungen, die der neue Mann im Weißen Haus in die Welt bellt. Meistens über Twitter. An diesem Mittwoch ist es die Anweisung, Russland müsse die annektierte Halbinsel Krim an die Ukraine zurückgeben.

Röttgens Blick lässt Trumps Wankelmut erahnen

Frage der Moderatorin an den deutschen Außenpolitiker Norbert Röttgen: Ob ihn diese Krim-Äußerung überrascht habe? Aber ja, sagt der CDU-Mann tapfer. Immerhin habe sich Trump damit wieder dem internationalen Konsens angeschlossen. Ob das eine Provokation in Richtung Moskau sei? Aber nein, sagt Röttgen, es handle sich lediglich um eine Veränderung der Position. Röttgens Blick lässt allerdings erahnen, dass er sich durchaus vorstellen kann, dass Trump schon in wenigen Stunden feierlich die Annexion der Krim anerkennen könnte.

Angesichts dieser allumfassenden Ratlosigkeit wirkt vor allem der langjährige ARD-Korrespondent Ulrich Kienzle aufrichtig besorgt um den Zustand der Welt. Ein "menschlicher Molotowcocktail" sei dieser Präsident. Trump versuche, durch außenpolitische Akzente wie die Krim-Forderung oder die Abkehr von der Zwei-Staaten-Lösung im Nahen Osten von seinen innenpolitischen Problemen abzulenken. Und sein Einreisestopp sei ohnehin ein Desaster - nicht zuletzt, weil Saudi-Arabien ("das Herz der Finsternis") als gefährlichster Verbreiter von Radikalismus in der Debatte außen vor bleibe.

Gäbe es bei Maischberger ein Studio-Publikum - viele Zuschauer hätten wohl an dieser Stelle geklatscht. Interessant wäre auch die Reaktion auf Thilo Sarrazin gewesen. Der Publizist und SPD-Mitglied hält den auch von vielen Menschen in Europa unterstützten Einreisestopp für in Ordnung - wenn die Anordnung juristisch besser formuliert wird. "Wenn man politisch mehrheitlich entscheidet, dass wir keine Einwanderung aus bestimmten Ländern wollen, dann müssen wir das akzeptieren." Zudem habe Trump das Zeug zum Friedensstifter, wenn die USA unter ihm falsche Interventionen wie im Irak nicht wiederholten.

Später verfängt sich Sarrazin dann in schwer nachvollziehbaren Äußerungen. Wenn die Mexikaner nicht in die USA gekommen wären, wären dort heute die Löhne für Gärtner oder Erzieherinnen höher, erklärt der umstrittene Autor. Zwar dauere die Gleichung "Grenzen dicht, mehr Arbeitsplätze" Jahrzehnte. Aber im Prinzip gelte das auch für Deutschland. Sarrazin führt als Beweis Japan an ("keine nennenswerte Einwanderung, außer ein paar philippinischen Kindermädchen"). Das asiatische Land habe die Alterung der Gesellschaft bewältigt, stehe gut da, ohne "falsche Einwanderung". Röttgen schüttelt nachdrücklich den Kopf.

Geschichtsinteressierten dürfte der Mitternachtssnack aus der Hand fallen

Der Rest ist Talkshow-Routine. Außenpolitiker Röttgen hofft auf die Vernunft der Senatoren im Kongress, spricht sich gegen Abschottung aus - und bringt seine Standard-Forderung nach einer geeint auftretenden Europäischen Union unter. Sandra Navidi spricht davon, nach dem Rücktritt von Trumps Sicherheitsberater einen Spionagethriller live zu erleben. Und Historiker Wolffsohn vergleicht den Trump-Start mit den ersten Monaten John F. Kennedys - zwischen missglückter Schweinebucht-Invasion und Eskalation im Vietnamkrieg. Manchem Geschichtsinteressierten dürfte da der Mitternachtssnack aus der Hand fallen.

Als die Sendung zu Ende ist, bleiben weniger als 48 Stunden bis zur Münchner Sicherheitskonferenz, dem ersten großen außenpolitischen Aufschlag der neuen US-Regierung. Das Thema der Maischberger-Sendung wird auch dort die Leitfrage unzähliger Hintergrundgespräche sein: "Trump gegen den Rest der Welt?"

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