Magazin "11 Freunde":Interview mit der Eckfahne

Der Verkauf des Magazins "11 Freunde" an den Verlag Gruner + Jahr ist ein journalistisches Sommermärchen: Die Gründer des Magazins haben viel gewagt.

Hans Leyendecker

Da ist einer jung, er kann schreiben, er traut sich was und gründet im Frühjahr 2000 mit einem Fotografen ein Fußball-Magazin, das sie 11 Freunde nennen. Der Schreiber, Philipp Köster, wird Chefredakteur; der Fotograf, Reinaldo Coddou, macht das Layout. Beide sind Fans von Arminia Bielefeld, und das erzieht zur Demut. Die Geschichten werden in Coddous Wohnzimmer geschrieben, weil sie sich kein Büro leisten können. An der Wand hängt die Bundesligastecktabelle vom Kicker.

WM 2010: Training deutsche Nationalmannschaft

11 Freunde auf großer Mission: Das Training der deutschen Nationalmannschaft.

(Foto: ag.ddp)

Die Exemplare für die ersten Abonnenten tüten sie selbst ein, beim Pokalendspiel in Berlin versuchen sie, die neueste Nummer zu verkaufen. Sie haben zweihundert Hefte dabei, acht werden sie los. Zwei Jahre später haben sie mehr Abonnenten, auch der Verkauf am Kiosk läuft an, und gleichzeitig wächst die Angst vor der Katastrophe. Die Druckerei mahnt Außenstände in Höhe von 50.000 Euro an.

Knapp an der Pleite vorbei

Die Pleite kann gerade vermieden werden. Der Kölner Intro-Verlag, der sich normalerweise im Bereich Musik und Popkultur tummelt, kümmert sich um Verlagsangelegenheiten wie Marketing und Vertrieb und bringt Ruhe rein. Zehn Jahre nach der Gründung liegt die Auflage der mittlerweile monatlich erscheinenden Zeitschrift bei 78.839 Exemplaren. Tendenz: stetig steigend.

Das Druck- und Verlagshaus Gruner + Jahr (Brigitte, Stern) hat in dieser Woche für geschätzte drei Millionen Euro 51 Prozent der Anteile an der "11 Freunde GmbH & Co KG" erworben. Köster gab rund zehn Prozent seiner Anteile ab. G+J schwärmt von der Investition "in eine tolle Marke und ein profitables, stark wachsendes Unternehmen mit exzellenten wirtschaftlichen Perspektiven".

Solches Verlags-Gedröhne passt eigentlich nicht zu einem Blatt wie diesem, das ohne Hochglanz auskommt. In den vergangenen Jahren verschwanden etliche teure Magazine vom Markt: Unter anderem raffte es Park Avenue, Vanity Fair, Amica, Best Life, Maxim und Max dahin. Verlage hatten teils hohe zweistellige Millionensummen in Prestigeprojekte investiert, und am Ende wurden sie gegen die Wand gefahren.

Das Erstaunliche am Aufstieg von 11 Freunde ist, dass diesen Erfolg kein präpotenter Manager mit eckiger Beraterbrille ermöglicht hat, der angeblich alles weiß über die Wünsche des Lesers. Es waren vor allem Romantiker wie der junge Köster (Jahrgang 1972), die das Blättchen mit Schöpfer-Passion geformt und verbessert haben. Sie kamen aus der Fanzine-Ecke, beobachten Fußball aus der Kurve und kommunizieren mit Lesern, die hoffen, nicht mitten in der Saison sterben zu müssen. Kein Glamour, kein Rausch, kein Unsinn. Fußball-Feuilleton ohne Arroganz.

Konkurrenz ist gescheitert

"Kurzpass", "Stammplatz", "Kunstschuss"

"Magazin für Fußballkultur" steht in der Unterzeile. Als es schon einigermaßen lief, versuchten andere Verlage mit Blättern wie Rund in dieses Marktsegment einzubrechen. Sie scheiterten. Rund wurde 2007 eingestellt. Das Heft sei gut gewesen, sagt Köster, "aber es wurde uns zu ähnlich".

In Zeiten der Printkrisen und des Internets sagen Marktforscher (und auch Chefredakteure) gerne: Die Blätter müssten, um zu überleben, etwas liefern, was sonst nirgendwo steht. Dieser Umstand erklärt unter anderem, dass in diesen Tagen vermutlich aus Marketinggründen unablässig Investigativ-Abteilungen bei diversen Zeitungen gegründet werden. Leser, heißt es dann, müssten etwas erfahren, was sie sonst nirgendwo erfahren könnten. Das ist wahr, aber zu oft kommt am Ende bei zu vielen dasselbe raus.

Wirklich mutig ist bei 11 Freunde der radikale Verzicht auf alles Aufgeregte, die konsequente Konzentration auf das scheinbar Nebensächliche. Rubriken heißen "Kurzpass", "Stammplatz", "Kunstschuss". In einer der ersten Ausgaben wurde eine Eckfahne interviewt. Jedes Heft schließt mit der Kolumne "Günther Hetzer", in der immer mal wieder einer treffend "Danke für Nichts" sagt.

Anfangs wurden die Macher von den Profis nicht ernst genommen. "Kommt wieder, wenn ihr 50.000 Auflage habt. Dann könnt ihr ein Interview bekommen", sagte vor etlichen Jahren ein Vertreter von Hertha BSC. Inzwischen teilt sich die professionelle Fußball-Welt in Leute, für die so ein Heft ein Teil des Lebens ist, und solche, die weiter dicke tun.

Optisch entspricht nichts der Philosophie des Blattes besser als die Fotografien des Holländers Hans van der Meer, der den tiefen Raum in der Fußball-Fotografie wiederentdeckt hat. Mehr als ein Jahrzehnt bereiste der 55-Jährige die Landschaften der Fußball-Amateure in Europa, und die Eigenheit seiner Fotos ist, dass er auch die Wirklichkeit direkt hinter dem Platz mit ins Bild nimmt.

Etliche Jahre gab es keine 11 Freunde-Ausgabe ohne ein Foto von van der Meer, und die Leser nahmen es den Machern nicht einmal übel, wenn dasselbe Foto schon mal in einer früheren Ausgabe erschienen war. Es war so schön.

Neue Titel für männliche Leserschaft

Das Besondere an 11 Freunde ist aber auch die Tollkühnheit, einen Verein wie Rot Weiß Oberhausen ein Jahr lang zu begleiten und daraus eine 28 Seiten lange Titelgeschichte mit 23 Fotos zu basteln. So etwas gab es früher in Europa nur bei der schwedischen Fußballzeitschrift Offside.

Der Autor der Oberhausen-Geschichte, Thorsten Schaar, ist übrigens Print-Journalist, Video-Produzent und Merchandiser in einer Person. Er kümmert sich unter anderem darum, dass in dem 11-Freunde-Shop, den es mittlerweile auch gibt, auf anthrazitfarbenen Frühstücksbrettchen mit kreideweißen Zeichnungen aus Melamin die richtigen Jahrhunderttore gezeigt werden. Muss so etwas ein Journalist machen? Das sei halt heutzutage so bei "kleineren Verlagen", sagt Schaar und hofft, dass G+J neue, ordentliche Verhältnisse schafft.

Der Einstieg des Hamburger Verlagshauses ist eigentlich eine 11 Freunde-Geschichte. Als Volker Breid, einer der G+J-Verlagsgeschäftsführer, der Fan von Manchester United ist, Geburtstag hatte, schenkte ihm ein Freund ein Abo der Fußballzeitschrift. Vorigen April vermittelte ihm Gala-Chefredakteur Peter Lewandowski, der Fan des 1. FC Kaiserslautern ist, als Geburtstagsgeschenk eine Heftkritik bei 11 Freunde in Berlin-Friedrichshain. Wenn Breid über dieses erste Treffen im Konferenzraum des Blattes berichtet, gluckst er vor Lachen. Solche Fan-Konferenzräume kannte er nicht.

Volker Breid, der 11 Freunde jetzt bei G + J betreut, ist eigentlich für Frauen/Familie/People verantwortlich und für Hefte wie Brigitte oder Eltern. Also sicher nicht für ein Sportblatt, das vor allem von Männern gelesen wird. Die Hamburger haben sich in letzter Zeit von den Frauenheften Emotion sowie Healthy Living getrennt. Experimentiert wird nun hauptsächlich mit neuen Titeln für eine spezielle männliche Leserschaft (Beef!, Business Punk). Frauen und Männer, geht das überhaupt? Warum eigentlich nicht. Leben wie Schreiben besteht größtenteils aus gelungenem Scheitern. Und wegen der Frauenfußball-WM 2011 in Deutschland erscheint seit 2009 vierteljährlich zusätzlich das Extra 11 Freundinnen. Also ist Breid jetzt doch irgendwie zuständig: Ein journalistisches Sommermärchen.

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