M 100-Medienpreis:Wahre Volksherrschaft

Der arabische Frühling nährt die Hoffnung, dass die Welt auf dem Weg zur globalen Demokratie ist. Dass in Potsdam nun der chinesische Blogger Michael Anti den M100-Medienpreis erhielt, ist ebenfalls ein ermutigendes Zeichen.

Franziska Augstein

Potsdam ist 'ne schöne Stadt, die so viele Häuser hat", heißt es treffend in einem Kinderlied. Außerdem hat Potsdam auch ein schönes Schloss, das man mieten kann, wenn es etwas zu feiern gibt. Am Donnerstagabend war es wieder einmal so weit: Der "M100-Medienpreis" wurde vergeben.

Chinesischer Blogger Michael Anti erhaelt M100 Medien Preis 2011

Michael Anti posiert in der Orangerie im Park Sanssouci in Potsdam. Der chinesische Journalist und Blogger erhielt den Medienpreis beim M100 Sanssouci Colloquium.

(Foto: dapd)

Eingerichtet wurde er auf Betreiben des Landes Brandenburg: Warum sollten München und Mainz Medientage haben, Potsdam aber nicht, fragten die Zuständigen und begründeten vor sieben Jahren das Sanssouci Colloquium. Diesmal ging es um "Globale Demokratie: Ein Triumph der sozialen Netzwerke?" Arabische Netz- und Zeitungsleute waren eingeladen, die aus der Medienwelt in ihren Ländern berichteten.

So sehr die einzelnen Kommentare einander dann doch ähnlich waren, so sehr manch ein Zuhörer sich gewünscht hätte, dass die Podiumsrunden mit etwas weniger Leuten vollgestopft worden wären, kristallisierten sich immerhin zwei Erkenntnisse heraus: Das Internet hat die Ausübung wahrer Volksherrschaft im arabischen Frühling kolossal vereinfacht.

Und: die gedruckten Zeitungen spielen eine große Rolle dabei. Die vielen Mikroblogs sind disparat, die Leute brauchen Zeitungen, in denen die Nachrichten gebündelt werden. So ist etwa die ägyptische Zeitung Al-Masry Al-Youm in diesem Jahr enorm gewachsen, die Auflage liegt derzeit bei einer halben Million Exemplaren, in einem Land mit circa 85 Millionen Einwohnern.

Den M100-Preis erhielt der international bewanderte chinesische Blogger Michael Anti. Seine Mutter, sagte er in seiner Dankesrede, sei Mitglied der chinesischen KP, mit ihr rede er nicht über Politik.

Ganz wie zu Hause

Einen "Ehrenpreis" erhielt der aus Österreich gebürtige, 1938 emigrierte britische Verleger George Weidenfeld, der das Sanssouci Colloquium von Anfang an unterstützt hat. Über die liebenswürdige Laudatio des ehemaligen österreichischen Bundeskanzlers Wolfgang Schüssel ("Das ist unser George") zeigte er sich gerührt: "Mein Vater wäre auch gerührt gewesen, und meine Mutter hätte das alles sogar geglaubt."

Weidenfeld dürfte übrigens einer der wenigen gewesen sein, die sich in den Räumen des Alten Fritz ganz wie zu Hause fühlen konnten. Der Unterschied zwischen Weidenfelds Vorstellung von bequemer Eleganz und der des Preußenkönigs besteht nicht zuletzt darin, dass Friedrich II. aus Sparsamkeit auch mal auf Originalgemälde verzichtete: Seine "Raphaels" ließ er nachmalen. Lord Weidenfeld hingegen umgibt sich nicht mit Kopien.

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