Luke Mockridge:Das ist nur der Luke, der tut nichts

Luke Mockridge

Mockridges Paten sind Hella von Sinnen und Dirk Bach.

(Foto: SAT 1/Boris Breuer)

Luke Mockridge wurde schon als Nachfolger für Stefan Raab gehandelt. Sein Glück, dass er es nicht wurde.

Porträt von Benedikt Frank

Vor dem Interview stellt Luke Mockridge noch ein kurzes Video auf Instagram. Selfiepose, oberkörperfrei, Zahnbürste im Mund. Schaum läuft aus den Mundwinkeln, dabei artikuliert er "Ich bin spät dran". Der Comedian wirkt nicht nur an diesem Morgen seines letzten Tourtags wie aus dem Bett gefallen. Er steht eigentlich immer mit Strubbelfrisur und Dreitagebart auf der Bühne. Der Vorabend im Mannheimer Rosengarten war mit 2000 Zuschauern ein kleiner Auftritt verglichen mit den 14 500 Menschen zu Hause in der Kölner Lanxess Arena eine Woche davor.

Luke Mockridge hätte Stefan Raabs Nachfolger werden sollen. Das behauptete zumindest Bild, als im August noch alle rätselten, wie es mit Pro Sieben weitergehen könne. Das Gerücht klang plausibel. Brainpool-Gründer Jörg Grabosch, ein Förderer von Raab, lobte den 26-jährigen Mockridge in den Himmel, und er benötigte schließlich dringend ein neues Zugpferd.

An Entertainer-Qualitäten fehlt es Mockridge nicht. Er ist musikalisch und kann sein Publikum in Stimmung bringen. Schließlich hat er sich auch als Moderator bewiesen: seit September 2013 beim WDR im Stand-up-Comedyformat Nightwash, seit März 2015 mit der eigenen Personality-Show Luke! Die Woche und ich freitags auf Sat 1, deren zweite Staffel gerade gestartet ist. Aber wenn Luke Mockridge einem gegenüber im braunen Ledersofa fast versinkt, wird klar, dass er ganz sicher kein neuer Raab geworden wäre.

Luke Mockridge kichert über seine eigenen Witze und wird rot

"Ich habe es wie Angela Merkel gemacht und die Aufregung um mich einfach ausgesessen", sagt Luke Mockridge und grinst genüsslich. Raab nennt er einen "Mentor", betont aber, nicht von ihm zum Nachfolger ausgebildet worden zu sein. Sein Glück. Raabs Show-Azubis mussten viel einstecken, sich wie Elton immer wieder bloßstellen lassen. Luke Mockridge dagegen kichert über seine eigenen Witze und wird von ihnen rot.

Bei der Improvisation mit den Zuschauern nennt er eine im Publikum sitzende Mutter eine "MILF - Mom I'd like to fuck". Sofort sinkt er in die Knie, verzieht das Gesicht zur Grimasse, schlägt eine Hand vor den Mund und streckt die andere um Vergebung bittend der Frau entgegen. "Ich bin wie ein Welpe, der spielerisch kämpft", meint er später. Er sagt, er wolle niemanden beleidigen. Das hindert ihn aber nicht daran, die unverschämte Ansprache im Lauf des Abends zu wiederholen. Doch da ist der Vertrag mit dem Publikum längst geschlossen: Das ist nur der Luke, der tut euch nichts.

"Lieber würde ich vor 2000 Leuten in Mannheim als vor einer Million im Fernsehen auftreten", behauptet er, denn sein Ziel sei es, das Wir-Gefühl zu schaffen und zu spüren, was ihm live besser gelingt. Seine Witze suchen gemeinsamen Grund: es geht um Schulzeit, Pubertät, Beziehungen. Dazwischen viel Musik, Medleys von den Spice Girls bis zur Gummibärenbande, Nostalgie für Millennials. Das mag anbiedernd wirken, doch seinen Fans kommen gerade wegen solcher Umarmungen.

Ins Showgeschäft hineingeboren

Luke Mockridge kann es sich auch leisten, kein Boxer wie Stefan Raab zu sein. Er musste sich den Eintritt ins Showgeschäft nicht erkämpfen, sondern wurde hineingeboren. Seine Eltern, Bill Mockridge und Margie Kinsky, sind Schauspieler und Kabarettisten. Beide spielten in der Lindenstraße mit. Im Oktober war der Familienklan in der pseudo-dokumentarischen Sitcom Die Mockridges im WDR zu sehen, auch die soll weitergeführt werden. Comedy sei in der Familie eben noch frei gewesen, erklärt er seinen Werdegang. Was sollte auch sonst aus einem werden, dessen Paten Dirk Bach und Hella von Sinnen sind? Der Name seines Live-Programms: "I'm Lucky, I'm Luke". Luke im Glück, der sorgenfreie, der scheinbar unbekümmert in den Tag leben kann. Das passt besser zum selbsterklärten Wohlfühlsender Sat 1 als zum Krawall auf Pro Sieben.

Zwischen Satirikern und Provokateuren findet Mockridge gerade deshalb ein Publikum, weil er ihm wenig abverlangt. Er sagt, er denke darüber nach, ob er selbst mehr Stellung beziehen solle, jetzt da er prominent ist. Auch das stellt er sich als Showkonzept vor: "Ich rette die Welt". Er fügt seiner Idee sofort hinzu: "aber im Kleinen". Luke Mockridge hat sich und seinem Publikum ein Nest gebaut. Wann wird er flügge? "Ich entscheide gerade erst, was für ein Mensch ich überhaupt im Leben sein möchte." Eilig hat er es nicht.

In einem Trailer zu Die Woche und ich parodiert Luke Mockridge The Revenant und kämpft sich ins Fernsehen zurück. Die Kino-Vorlage war der Academy drei Oscars wert. Mockridge wurde bisher zweimal ausgezeichnet: Als bester Newcomer mit dem Deutschen Comedypreis und als Pascha des Monats von der feministischen Zeitschrift Emma, beides im Jahr 2013. Den Emma-Preis brachten ihm Witze über die Ex-Freundin und K.o.-Tropfen ein, pubertäres Gehabe im Vergleich zu dem programmatischen Sexquatsch eines Mario Barth. In seinem Live-Publikum überwiegen Frauen, online kommentieren viele von ihnen mit Herzchen. Luke Mockridges Masche ist es, sich unbedrohlich zu geben, die breiten Schultern unter bequemen Pullovern versteckt.

Bloß nicht zu viel Privates ausbreiten

Auch im Interview macht er sich gern klein, umklammert mit den Händen das Schienbein, greift dann an seine Knöchel und schaut zu einem hoch. So erzählt er von Selbstverwirklichung, davon, sich immer treu bleiben zu wollen, keine Strategie zu verfolgen. Seinen Comedymuskel trainieren nennt er das. Es klingt doch eher nach Arbeit als nach dem Hans im Glück, der für sich beansprucht, alles so zu nehmen, wie es eben kommt. Mockridge meint Arbeit an seiner Improvisation, die soll ihn nahbar machen.

Einem Ratschlag seines Mentors Raab folgend will er dennoch nicht zu viel Privates ausbreiten. Obwohl seine Familie auf Bühnen und Bildschirmen präsent ist, obwohl er sich online beim Zähneputzen zeigt und öffentlich so kumpelhaft inszeniert. Wie bei vielem sucht er auch hier den Kompromiss: Ein bisschen Intimität, ein bisschen Imagepflege.

Am Ende des Gesprächs entrollt sich Luke Mockridge und lehnt sich bequem im Sofa zurück. Zeit für das nächste Foto für Instagram.

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