Loveparade: Das Netz trauert und klagt an:Wo die Wut sich Bahn bricht

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Im Netz regieren auch Tage nach der Katastrophe von Duisburg noch Trauer und Wut. Vor allem Duisburgs Oberbürgermeister Sauerland steht in der Kritik - sein CDU-Ortsverband wäscht sich virtuell schon mal rein.

D. Hoffmann und J. Kuhn

Die Homepage der Stadt Duisburg ist schwarz, ebenso die des Loveparade-Veranstalters Lopavent, auch die Seite des Hauptsponsors " McFit" trägt Trauerflor. Die Verantwortlichen zeigen Anteilnahme und Taktgefühl. Zumindest virtuell. Auch Tage nach dem Tod von 21 Menschen auf der Loveparade hat aber immer noch niemand öffentlich die Verantwortung für die Katastrophe übernommen.

Auch Tage nach dem Unglück laufen auf Twitter nahezu im Sekundentakt Meldungen zum Stichwort "Loveparade" ein. (Foto: ddp)

Im Internet stößt ein solches Verhalten auf Ablehnung. "Abscheu und Ekel" empfindet ein Facebook-Nutzer, wie viele andere auch fordert er mehr Unterstützung für die Familien der Opfer und den Rücktritt des Duisburger Oberbürgermeisters Adolf Sauerland.

Vereinzelt werden im Netz auch materielle Forderungen laut: Eine Gruppe im Netzwerk Facebook will, dass McFit-Chef Rainer Schaller die Kosten für alle Beerdigungen trägt, eine andere ruft zum Boykott der Fitness-Kette auf. Auf der Pinnwand von " Loveparade back to Berlin" schlagen einige vor, 2011 eine Art Gedenkparade in der Hauptstadt zu veranstalten.

Insgesamt etwa 85.000 Mitglieder haben die fünf größten Facebook-Gruppen, die an die Opfer erinnern wollen. Unter ihnen sind sicher viele, die durch einen Klick auf den "Gefällt mir"-Button schlicht ihre Anteilnahme ausdrücken möchten.

Viele aber schreiben auf die Pinnwände der Seiten, posten Beileidsbekundungen, Links zu virtuellen Kondolenzbüchern und Videos. Immer wieder steht da: Warum? Immer noch gibt es viele Fragezeichen.

Auf der Suche nach den Schuldigen wurden in den Tagen seit dem Unglück Vorwürfe an die Kommunalpolitiker vor Ort laut. Es habe Warnungen gegeben, heißt es. Auch von massiver Einflussnahme der Politiker auf Entscheidungsträger ist die Rede.

Ein Hinweis darauf könnte ein offener Brief sein, den die örtliche CDU im Februar 2009 an den damaligen Innenminister von NRW, Ingo Wolf, geschrieben hat und auf ihrer Website veröffentlichte.

Darin bittet der damalige Bundestagsabgeordnete Thomas Mahlberg im Namen der Partei darum, "Duisburg von einer schweren Bürde zu befreien und den personellen Neuanfang im Polizeipräsidium Duisburg zu wagen".

Die "Bürde" ist namentlich Polizeipräsident Rolf Cebin, der sich zuvor für eine Absage der Loveparade in Duisburg ausgesprochen hatte. Eine Begründung: "Eklatante Sicherheitsmängel", wie auch die CDU ganz richtig zitiert.

Mindestens bis Montag stand jener Text noch auf der Website der CDU Duisburg. Jetzt ist er weg, entfernt, gelöscht. Der Link führt zwar nicht ins Leere, dafür auf eine weiße Seite der Partei. "Die Presse" steht dort noch in fetten Lettern, mehr nicht. Auch das Bild des CDU-Oberbürgermeisters Sauerland, das noch bis vor kurzem auf der Startseite prangte, wurde inzwischen dezent entfernt.

Die Homepage der Stadt Duisburg zeigt nach der schwarzen Startseite mit symbolträchtigem Trauerbild eine persönliche Stellungnahme des Oberbürgermeisters. Im Kopfbereich der Seite soll ein Banner die Trauer der Stadt ausdrücken. Zwei Meldungen auf der Startseite weisen auf einen Gottesdienst und ein Kondolenzbuch hin, sonst findet die Loveparade kaum statt.

Anders als auf der Duisburger Seite gibt es beim Veranstalter Lopavent keine Weiterleitung vom schwarzen Screen auf die eigentliche Website. "Das Team der Loveparade" veröffentlicht Nummern der kirchlichen Telefonseelsorge und weist darauf hin: "Sie begleiten in schweren Krisen und bieten Hilfe bei Trauer, Wut und Ohnmachtsgefühlen."

"Vorfahrt für den Profit"

Eben diese Emotionen entladen sich seit Samstag nicht nur in virtuellen Gruppen sozialer Netzwerke. Bei Twitter erscheinen immer noch fast im Sekundentakt Kurznachrichten zum Stichwort Loveparade. "Dance or Die! Vorfahrt für den Profit - Es handelte sich um Vorsatz", heißt dort eine der vielen Anklagen.

Immer wieder wird nach der Genehmigung für den Veranstaltungsort gefragt und gerätselt, warum es so unterschiedliche Schätzungen zur Teilnehmerzahl gibt. Diese Frage wollen die, die in Duisburg dabei waren, selbst beantworten: Auf der Website " Loveparade Raver Count" haben sich laut Betreiber bisher mehr als 80.000 eingetragen. Die Betreiber der Seite nehmen an, dass weit mehr Menschen in Duisburg zusammengekommen sind als offiziell angegeben.

Immer wieder gibt es auch Spekulationen zum Festhalten Sauerlands am Amt, manches grenzt schon an Rufmord. Die konstruktiveren unter den Usern verabreden sich zu Demonstrationen, 200 wurden so kurzfristig zu einem Protest vor dem Duisburger Rathaus mobilisiert.

Mehr als 4200 Menschen haben sich in einem Online-Kondolenzbuch eingetragen. Auch dort bricht neben dem stillen Mitgefühl immer wieder die laute Empörung heraus: "Ich hoffe auf schnelle lückenlose Aufklärung und gerechte Bestrafung aller Verantwortlichen, die leichtfertig und geltungssüchtig gehandelt haben", schreibt Martina R.

Die Betreffzeile spricht auch Tage nach der Katastrophe noch vielen Menschen aus der Seele. Sie lautet: "Trauer/Wut/Unverständnis".

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