"Los Angeles Times":Käufer für ein Drama

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So unscheinbar wie schillernd: Wird Neu-Eigentümer Patrick Soon-Shiong zum Jeff Bezos der Westküste?

(Foto: Patrick T. Fallon/Bloomberg)

Die 136 Jahre alte Zeitung hat einen neuen Eigentümer. Das weckt Hoffnung. Denn intern steckt das Blatt in einer vertrackten Krise.

Von Viola Schenz und Jürgen Schmieder

Drunter und drüber. Das scheint eine angemessene Beschreibung dafür zu sein, wie es bei der Los Angeles Times derzeit zugeht. Die jüngste Wendung: Die LA Times hat einen neuen Eigentümer. Am Mittwoch gab der Mutterkonzern Tronc bekannt, dass das Traditionsblatt veräußert wird. Käufer ist der Biotechnologie-Unternehmer und Milliardär Patrick Soon-Shiong mit seiner Investmentfirma Nant Capital; die Kaufsumme beträgt 500 Millionen Dollar, im Preis mitenthalten ist das Lokalblatt The San Diego Union-Tribune.

In der Redaktion werden sie nun hoffen, dass endlich Ruhe einkehrt. Das 136 Jahre alte Blatt hat Eigentümerwechsel, Auflagenschwund und Stellenabbau hinter sich. Wer sich in den vergangenen Tagen mit Tronc-Angestellten unterhielt, zu dem diese und zahlreiche andere Zeitungen wie die Chicago Tribune oder die Baltimore Sun gehören, der hört noch ganz andere Ausdrücke als bloß "drunter und drüber" - allerdings reden die Leute nur unter Zusicherung von Anonymität. Einige fürchten, dass das Unternehmen Mails und Telefonate überwacht, um herauszufinden, wie in den vergangenen Wochen zahlreiche unangenehme Details an die Öffentlichkeit geraten konnten.

Die Lage ist kompliziert, weil Skandale, Ereignisse und Maßnahmen ineinandergreifen, die zunächst wenig miteinander zu tun haben, sich jedoch aufeinander auswirken und zum chaotischen Gesamtbild beitragen. Es geht für das Traditionsblatt um journalistische Integrität in Zeiten steter Fake-News-Vorwürfe, ums Geldverdienen in einer veränderten Medienlandschaft - und um Vorwürfe, die mit Journalismus nichts zu tun haben.

Times-Herausgeber Ross Levinsohn etwa wurde am 19. Januar freigestellt, weil sich herausgestellt hatte, dass sich der frühere Yahoo- und Altavista-Manager zwei Mal gegen Vorwürfe sexueller Belästigung hatte verteidigen müssen und dies bei seiner Einstellung offenbar nicht erwähnt hatte. Levinsohn soll bei früheren Arbeitgebern ein sexistisches und homophobes Arbeitsklima gefördert haben, bestreitet die Vorwürfe jedoch. Es geht um keine Kleinigkeit für ein Medienhaus, das im Zuge des Harvey-Weinstein-Skandals und der "Me Too"-Debatte investigative Berichte und meinungsstarke Analysen über sexuelle Belästigung in Hollywood veröffentlichte. "Wir müssen als Journalisten die Mitarbeiter unseres Konzerns genauso behandeln, wie wir mit jenen umgehen, über die wir berichten", sagt ein Redakteur.

Levinsohn sollte das Medienhaus umbauen und die einzelnen journalistischen Produkte vor allem im digitalen Umfeld rentabel machen. Dann kam heraus - beinahe gleichzeitig zu den Berichten um sexuelle Belästigung -, dass Tronc-Manager den Investoren ein neues Geschäftsmodell für Zeitungen und Portale vorgeschlagen haben sollen: Demzufolge könnten die verschiedenen Plattformen für Angebote von Werbetreibenden geöffnet und kostenfreie Texte externer Autoren veröffentlicht werden. Diese Praxis hatte Times-Chefredakteur Lewis D'Vorkin zuvor als Produktleiter bei Forbes eingeführt.

Diese Pläne sorgten für Misstrauen bei den Redakteuren, die dafür gestimmt hatten, der Gewerkschaft NewsGuild beizutreten, um gegen solche Strategien des Managements zu protestieren. Sie prangerten auch den Umgang D'Vorkins mit einer Times-Recherche aus dem vergangenen Herbst über die Verbindungen des Disney-Konzerns zur Stadt Anaheim und möglichen Vergünstigungen an. Der Chefredakteur habe sich, so die Vorwürfe, beim folgenden Streit (Disney schloss Times-Kritiker kurzzeitig von Pressevorführungen aus) nicht klar genug auf Seiten der Reporter positioniert.

Der Streit gipfelte zunächst in der Suspendierung von Wirtschafts-Ressortleiterin Kimi Yoshino vor zwei Wochen. D'Vorkin war offensichtlich wild entschlossen, die seiner Meinung nach Verantwortlichen für das Veröffentlichen der Streitereien zu bestrafen. In einem Brief an D'Vorkin protestierten die Redakteure gegen diesen Vorgang - und bekamen zunächst Recht. Tronc setzte D'Vorkin in vergangene Woche als Chefredakteur ab und erklärte den früheren Herausgeber der Chicago Sun-Times, Jim Kirk, zum Nachfolger. Der holte Yoshino sogleich zurück und sagte: "Wir müssen künftig als ein Team arbeiten, das erwarten die Leser von uns."

Die Vorwürfe gegen Levinsohn werden derzeit von unabhängigen Ermittlern untersucht. D'Vorkin wurde nicht entlassen, sondern als neuer Chief Content Officer von Tronc vorgestellt. Er soll eine Strategie entwickeln, wie sich die journalistischen Inhalte der verbliebenen Tronc-Töchter effizient auf die einzelnen Medienhäuser verteilen lassen - oder möglicherweise auf neuen, noch zu gründenden Plattformen.

Auch Soon-Shiong, der das Blatt für 500 Millionen US-Dollar kauft, hat noch eine Rechnung offen

Wahrscheinlich jedoch lösen sich die Konflikte jetzt mit dem neuen Eigentümer von alleine auf. Soon-Shiong, gebürtiger Südafrikaner mit US-amerikanischem Pass, ist genauso unscheinbar wie schillernd. Der 65 Jahre alte Chirurg hat sich mit Medizinforschung ein Vermögen in Höhe von 8,6 Milliarden Dollar aufgebaut. Bereits 2016 hatte er 70,5 Millionen Dollar in Tronc investiert und sich damit den zweitgrößten Anteil (13 Prozent) sowie den Vizevorstandsposten gesichert. Auch Soon-Shiong hat noch eine Rechnung mit Tronc offen. Vergangenes Jahr verlor er durch einen Vorstandsbeschluss seinen Vorstandsposten wieder, weil er bei der Aktienübernahme angeblich gegen Regularien verstoßen hatte. Diese Degradierung dürfte mit dem Kauf nun vergessen sein. Soon-Shiong, dem bereits das Basketballteam LA Lakers anteilig gehört, könnte sogar so etwas wie der Jeff Bezos der Westküste werden. Der milliardenschwere Amazon-Gründer hatte 2013 die Washington Post für 250 Millionen Dollar gekauft und die kränkelnde Zeitung nicht nur saniert, sondern ihr auch ihre verloren gegangene Bedeutung zurückgegeben. So etwas in der Art wird man sich bei der gebeutelten LA Times dringend wünschen.

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